Hamburger Mustergliederung

Aus Online-Lexikon Betreuungsrecht
Zur Navigation springen Zur Suche springen

Achtung: diese Seite ist sowohl was die Paragraphen als auch den Inhalt betrifft, an die Rechtslage ab 1.1.2023 angepasst.


Die Entwicklung und Ziele

Die Hamburger Mustergliederung ist das Ergebnis intensiver Diskussionen zwischen Betreuern, Rechtspflegern und Richtern aus Hamburg sowie der Betreuungsbehörde Hamburg. Seit dem Jahr 2005 gab es bisher insgesamt 3 Arbeitsgruppen. Die erste Mustergliederung wurde 2008 der LAG Hamburg (Landesarbeitsgemeinschaft Betreuungsgesetz Hamburg) zur Empfehlung vorgelegt. Im Jahr 2012 folgte eine zweite überarbeitete Fassung und im Jahr 2023 die dritte Fassung im Rahmen der Arbeitsgemeinschaft Betreuungsrecht Wandsbek. Die dritte Fassung berücksichtigt die Änderungen für dei Berichterstattung durch die Betreuungsrechtsreform zum 1.1.2023.

Die Hamburger Mustergliederung ist eine Empfehlung für den Jahresbericht über die persönlichen Verhältnisse des Betreuten nach § 1863 Abs. 3 BGB. Bei den Empfehlungen zur Gliederung orientierten sich die Arbeitsgemeinschaft Betreuungsrecht Wandsbek mit ihren unterschiedlichen Erfahrungen und Perspektiven vor allem an drei Zielen:

  1. Unterstützung der Betreuer bei der Reflexion und Planung ihrer Betreuertätigkeit, mit besonderer Berücksichtigung der neuen Regelungen nach § 1821 BGB (u.a. Ausrichtung der Betreuung nach den Wünschen bzw. mutmaßlichen Willen der betreuten Person, Vorrang der Unterstützung vor der Vertretung gem. UN-Behindertenrechtskonvention).
  2. Hilfestellung für die Betreuer bei der Darstellung der Wünsche der betreuten Person sowie der Ziele und Maßnahmen unter Beachtung der Berichtsanforderungen nach § 1863 Abs. 3 BGB.
  3. Unterstützung der Betreuungsgerichte bei ihrer Wahrnehmung der Aufsicht im Hinblick auf den § 1862 BGB.

Die Nutzung der Hamburger Mustergliederung

Die Empfehlungen zur Gliederung der Jahresberichte für das Betreuungsgericht richten sich insbesondere an berufliche Betreuer und sind als Arbeitshilfe zu verstehen, die es erleichtert, auch in komplexen Betreuungssituationen alle wesentlichen Punkte im Blick zu behalten. Hiermit geht einher, dass die vorgeschlagenen Überschriften nach Prüfung entfallen oder ergänzt werden können. Die Unterpunkte zu den Überschriften dienen der Erinnerung, um im konkreten Betreuungsfall keine relevanten Regelungen und Kooperationen mit der betreuten Person und weiteren Beteiligten zu vergessen.

Es sollte die Fließtextform gewählt, Floskeln vermieden und die Sachverhalte mit kurzen, knappen und wertschätzenden Sätzen beschrieben werden. Aussagen und Bewertungen sollten dabei voneinander getrennt werden.

Die Hamburger Mustergliederungg kann auch für den Anfangsbericht und Schlussbericht genutzt werden. Der Jahresbericht sollte hinsichtlich der Ziele und Maßnahmen der Betreuung an den Anfangsbericht bzw. den letzten Jahresbericht anknüpfen. Für den Anfangsbericht wird um besondere Berücksichtigung der im § 1863 Abs. 1 Satz 2 BGB vorgegebenen Inhalte gebeten. Der Schlussbericht enthält die Veränderungen der persönlichen Verhältnisse seit dem letzten Bericht und Angaben zur Herausgabe der Unterlagen und Vermögenswerte1863 Abs. 4 Satz 1 und 3, 1872 Abs. 1 BGB).

Empfehlungen zur Gliederung des Jahresberichts

1. Name
2. Adresse
3. Geschäftszeichen
4. Berichtszeitraum

5. Schilderung der Lebenslage

  • Eckdaten (Alter, Aufenthaltsort, familiäre Situation, etc.)
  • Vorstellungen der betreuten Person zur eigenen Lebensgestaltung
  • Konkrete Wünsche und Ressourcen der betreuten Person
  • Alltagssituation, soziales Umfeld
  • Befindlichkeit der betreuten Person / wie geht es der betreuten Person?
  • längere Auslandsaufenthalte

6. Kontaktgestaltung

  • Form und Umfang der Beteiligung der betreuten Person an Entscheidungen
  • Art der Ermittlung des Unterstützungsbedarfs und der (mutmaßlichen) Wünsche (nähere Angaben unter Punkt 7 zu den einzelnen Aufgabenbereichen)
  • Sind Entscheidungen gegen den erklärten Willen der betreuten Person getroffen worden?
  • In welcher Form, wie häufig und wann standen Betreuerin bzw. Betreuer und die betreute Person im Kontakt? (Angaben zur Kontaktart, Ort und Daten der Kontakte) Wie wird die Beziehung auf beiden Seiten gestaltet?
  • Wurde der Jahresbericht mit der betreuten Person besprochen? Wenn nicht, warum?
  • Kontakte zu Angehörigen / Erteilung von Auskünften an Angehörige (§ 1822 BGB)

7. Zum Aufgabenkreis

a) Gesundheitssorge
Diagnosen
Vorstellungen der betreuten Person

  • Liegt eine Patientenverfügung oder Behandlungsvereinbarung vor?
  • Wurde mit der betreuten Person hierüber ein Gespräch geführt?

Ärztliche Maßnahmen/Krankenhausaufenthalte

  • Medikamente (Wirkung, Wechselwirkungen, Dosierungen)
  • Behandlungen / Therapien und Vorsorgeuntersuchungen
  • Pflegemaßnahmen
  • Wodurch erfolgte eine Sicherstellung der Maßnahme? (ggf. Angaben zur Delegation)

Einwilligungen

b) Freiheitsentziehende Unterbringung und freiheitsentziehende Maßnahmen

  • Erforderlichkeit von Maßnahmen gem. § 1831 BGB?
  • Welche Alternativen wurden geprüft?
  • Erfolgten Rücksprachen und Reflexionen zur Feststellung der Erforderlichkeit und Verhältnismäßigkeit?
  • Wie ist der Erfolg der Maßnahme zu bewerten?
  • Schlussfolgerungen?

c) Aufenthaltsbestimmung

  • Bei Wohnortwechsel: Darlegung der Gründe, Haltung der betreuten Person

d) Ambulante bzw. stationäre Unterstützung und Versorgung des Betreuten

  • Welche Assistenzleistung / Unterstützung / Teilhabe / Hilfe wird in welchem Umfang in Anspruch genommen? (z.B. familiäre Hilfe, Pflegedienst, Pflegeheim)
  • Akzeptanz und Wünsche der betreuten Person zu den Unterstützungsleistungen

e) Regelungsbedarfe gegenüber Behörden, Versicherungen, Renten- und Sozialleistungsträgern

  • Was wurde geregelt? (Welche Ansprüche wurden geltend gemacht? Mit welchem Erfolg?)
  • Wer hat was gemacht? (betreute Person allein oder mit Unterstützung, Betreuerin bzw. Betreuer stellvertretend mit Rücksprache oder auf Grundlage welcher Überlegungen ohne Rücksprache)
  • Welche Art von Unterstützung benötigte die betreute Person? (Beratung / unterstützte Entscheidungsfindung, z.B. gemeinsames Ausfüllen von Formularen, sichernde Kontrolle der von der betreuten Person selbst geregelten Angelegenheiten oder stellvertretende Ausführung durch die Betreuerin bzw. den Betreuer)
  • Wie wurden die Angelegenheiten geregelt? (Welche grundsätzlichen Absprachen gab es mit der betreuten Person zur Regelung dieser Angelegenheiten und zum Informationsfluss?)

f) Vermögenssorge

  • Übersicht über die regelmäßigen Einnahmen und Ausgaben
  • Entwicklung der finanziellen Verhältnisse (Zu- und Abnahme des Vermögens / Gründe, Handhabung der finanziellen Mittel durch die betreute Person)
  • Absprachen mit der betreuten Person (hinsichtlich Verfügungen über einzelne Vermögenswerte, Kontoverwaltung, Versorgung mit Bargeld, regelmäßige Information über das Vermögen, evtl. Erklärungen der betreuten Person über eigene Verfügungen beilegen)
  • Extern geführte Verwahrgeldkonten
  • Bestattungsvorsorge
  • Schulden, Pfändungen, Pfändungsschutzkonto
  • Besondere Vermögensgegenstände und Vorkommnisse (z.B. Kraftfahrzeug, Immobilien, Rechtsstreitigkeiten)
  • Einwilligungsvorbehalt (Form der Anwendung, Maßnahmen zur Vermeidung, weitere Erforderlichkeit)

g) Weitere Aufgabenbereiche

h) Tätigkeiten außerhalb des Aufgabenkreises

  • Unterstützung bei der Errichtung eines Testaments

8. Bewertung und Ausblick der Betreuung

  • Ist der Umfang der Betreuung passend? Sollten Aufgabenbereiche oder ein Einwilligungsvorbehalt wegfallen bzw. hinzukommen?
  • Hat sich die gesundheitliche Situation oder die Lebenssituation der betreuten Person soweit verändert, dass einzelne Angelegenheiten innerhalb eines Aufgabenbereiches von ihr selbst wahrgenommen werden können?
  • Ziele / Handlungserfordernisse für das nächste Betreuungsjahr
  • Bestehen im nahen Umfeld der betreuten Person Ressourcen zur Übernahme der Betreuung?
  • Sichtweise der betreuten Person

Siehe auch

Berichterstattung, Anfangsbericht, Schlussbericht, Vermögenssorge, Rechnungslegung, Schlussrechnungslegung