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==Wahlrecht in Deutschland==
 
==Wahlrecht in Deutschland==
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Im deutschen Wahlrecht finden sich hierzu 3 Ausschlussgründe. In allen Bestimmungen (Wahlgesetze des Bundes und der Länder incl. Kommunalwahlgesetze) finden sich die ersten beiden Ausschlussgründe:
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Durch das am 1. Juli 2019 in Kraft getretene Gesetz zur Änderung des Bundeswahlgesetzes und anderer Gesetze  wurde ein seit 28 Jahren bestehender, im Einzelfall misslicher Zustand, der Ausschluss bestimmter betreuter Personen vom aktiven und passiven Wahlrecht, beendet. Auch der Wahlausschluss von nach § 63 StGB forensisch untergebrachten Straftätern hat durch das gleiche Gesetz sein Ende gefunden.
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Mit dem am 1.1.1992 in Kraft getretenen Betreuungsgesetz  war zwar die Entmündigung abgeschafft worden. Diese hatte als Auswirkung ebenso zum Wahlausschluss geführt wie die Anordnung einer (Zwangs-) Gebrechlichkeitspflegschaft. Anders als noch im 2. Diskussionsteilentwurf empfahl der Regierungsentwurf zum BtG keine vollständige Streichung des Wahlausschlusses, sondern eine Beschränkung auf die Fälle der „Total-Betreuung“, also des Aufgabenkreises „alle Angelegenheiten“.  Begründet wurde dies mit dem hohen Stellenwert des Wahlrechtes in einer Demokratie .
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Im deutschen Wahlrecht fanden sich bislang 3 Ausschlussgründe. In allen Bestimmungen (Wahlgesetze des Bundes und der Länder incl. Kommunalwahlgesetze) fanden sich die ersten beiden Ausschlussgründe:
    
*wer infolge Richterspruchs das Wahlrecht nicht besitzt und  
 
*wer infolge Richterspruchs das Wahlrecht nicht besitzt und  
 
*derjenige, für den zur [[Aufgabenkreis#Alle_Angelegenheiten|Besorgung aller seiner Angelegenheiten]] ein Betreuer nicht nur durch einstweilige Anordnung bestellt ist; dies gilt auch, wenn der [[Aufgabenkreis]] des Betreuers die in § 1896 Abs. 4 und § 1905 des Bürgerlichen Gesetzbuchs bezeichneten Angelegenheiten (also [[Sterilisation]] und [[Postkontrolle]]) nicht erfasst.
 
*derjenige, für den zur [[Aufgabenkreis#Alle_Angelegenheiten|Besorgung aller seiner Angelegenheiten]] ein Betreuer nicht nur durch einstweilige Anordnung bestellt ist; dies gilt auch, wenn der [[Aufgabenkreis]] des Betreuers die in § 1896 Abs. 4 und § 1905 des Bürgerlichen Gesetzbuchs bezeichneten Angelegenheiten (also [[Sterilisation]] und [[Postkontrolle]]) nicht erfasst.
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In den meisten Wahlgesetzen ist weiterhin folgender Ausschlussgrund genannt:
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In den meisten Wahlgesetzen war weiterhin folgender Ausschlussgrund genannt:
 
* wer sich auf Grund einer Anordnung nach § 63 StGB in Verbindung mit § 20 StGB ([[wikipedia:de:Strafgesetzbuch|Strafgesetzbuch]]) in einem psychiatrischen Krankenhaus befindet.
 
* wer sich auf Grund einer Anordnung nach § 63 StGB in Verbindung mit § 20 StGB ([[wikipedia:de:Strafgesetzbuch|Strafgesetzbuch]]) in einem psychiatrischen Krankenhaus befindet.
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===Ausschlussgrund Betreuerbestellung===
 
===Ausschlussgrund Betreuerbestellung===
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Der Ausschlussgrund [[Betreuerbestellung]] betrifft nur Personen, bei denen eine endgültige, jedoch keine [[vorläufiger Betreuer|vorläufige Betreuung]] mit dem [[Aufgabenkreis#Alle_Angelegenheiten|Aufgabenkreis „alle Angelegenheiten“]] angeordnet ist. Nicht angeordnet sein müssen die [[Postkontrolle|Post- und Telefonkontrolle]] nach § 1896 Abs. 4 BGB sowie der [[Aufgabenkreis]] [[Sterilisation]] nach {{Zitat de §|1905|bgb}} BGB.
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Der Ausschlussgrund [[Betreuerbestellung]] betraf nur Personen, bei denen eine endgültige, jedoch keine [[vorläufiger Betreuer|vorläufige Betreuung]] mit dem [[Aufgabenkreis#Alle_Angelegenheiten|Aufgabenkreis „alle Angelegenheiten“]] angeordnet war. Nicht angeordnet sein musste die [[Postkontrolle|Post- und Telefonkontrolle]] nach § 1896 Abs. 4 BGB sowie der [[Aufgabenkreis]] [[Sterilisation]] nach {{Zitat de §|1905|bgb}} BGB.
    
Vor dem Inkrafttreten des [[Betreuungsgesetz]]es am 01.01.1992 hatten Personen, die unter [[wikipedia:de:Vormundschaft|Vormundschaft]] oder [[wikipedia:de:Gebrechlichkeitspflegschaft|Gebrechlichkeitspflegschaft]] standen, kein  Wahlrecht. Dieser diskriminierende Zustand sollte durch das Betreuungsgesetz aufgehoben werden. Grundsätzlich sollte es gar kein Wahlverbot geben, aber im Rechtsausschuss des Bundestags wandten die Verfassungsrechtler ein, damit würde die Ernsthaftigkeit des Wahlrechtes gefährdet. Man einigte sich auf folgende Formel:
 
Vor dem Inkrafttreten des [[Betreuungsgesetz]]es am 01.01.1992 hatten Personen, die unter [[wikipedia:de:Vormundschaft|Vormundschaft]] oder [[wikipedia:de:Gebrechlichkeitspflegschaft|Gebrechlichkeitspflegschaft]] standen, kein  Wahlrecht. Dieser diskriminierende Zustand sollte durch das Betreuungsgesetz aufgehoben werden. Grundsätzlich sollte es gar kein Wahlverbot geben, aber im Rechtsausschuss des Bundestags wandten die Verfassungsrechtler ein, damit würde die Ernsthaftigkeit des Wahlrechtes gefährdet. Man einigte sich auf folgende Formel:
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Betreuung (und [[Einwilligungsvorbehalt]]) berühren grundsätzlich das Wahlrecht nicht. Ist aber für einen Menschen eine Betreuung ausdrücklich „für alle Angelegenheiten“ angeordnet, entfällt das Wahlrecht. Da Menschen, denen für alle Angelegenheiten ein Betreuer bestellt wird, nach diesen Vorstellungen ohnehin wahrscheinlich vollkommen desorientiert, hilflos und ohnehin nicht in der Lage seien, an einer Wahlhandlung teilzunehmen, wurde dies allgemein akzeptiert. In einem solchen Fall kann das [[Betreuungsgericht]] dem Wählerverzeichnis eine Mitteilung nach § 309 FamFG machen.
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Betreuung (und [[Einwilligungsvorbehalt]]) berührten grundsätzlich das Wahlrecht nicht. Ist aber für einen Menschen eine Betreuung ausdrücklich „für alle Angelegenheiten“ angeordnet, entfiel (bis 30.6.2019) das Wahlrecht. Da Menschen, denen für alle Angelegenheiten ein Betreuer bestellt wird, nach diesen Vorstellungen ohnehin wahrscheinlich vollkommen desorientiert, hilflos und ohnehin nicht in der Lage seien, an einer Wahlhandlung teilzunehmen, wurde dies allgemein akzeptiert. In einem solchen Fall kann das [[Betreuungsgericht]] dem Wählerverzeichnis eine Mitteilung nach § 309 FamFG machen.
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„Für alle Angelegenheiten“ bedeutet hierbei, dass diese Formel in der Betreuungsanordnung stehen muss; eine faktische Betreuung für alle Angelegenheiten, also die üblichen Standardaufgabenkreise [[Aufenthaltsbestimmung]], [[Gesundheitsfürsorge]], [[Vermögenssorge]], beinhalten kein Wahlverbot. Das BayObLG hat es in einem Beschluss vom 22. Oktober 1996 (3Z BR 178/96, FamRZ 1997, 388 = NJW-RR 1997, 834 = Rpfleger 1997, 162)  als unzulässig bezeichnet, bei einer Betreuung, die mehrere [[Aufgabenkreis]]e umfasst – selbst wenn es die drei o.g. „klassischen“ Aufgabenkreise sind – deklaratorisch festzustellen, dass damit eine Betreuung für die Besorgung aller Angelegenheiten eingerichtet sei (vgl. BayObLG, BtPrax 1997, S. 72f.). In der Betreuungsanordnung muss somit explizit und ausdrücklich erwähnt sein, dass eine Betreuung „für alle Angelegenheiten“ eingerichtet wird.
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„Für alle Angelegenheiten“ bedeutete hierbei, dass diese Formel in der Betreuungsanordnung stehen muss; eine faktische Betreuung für alle Angelegenheiten, also die üblichen Standardaufgabenkreise [[Aufenthaltsbestimmung]], [[Gesundheitsfürsorge]], [[Vermögenssorge]], beinhalten kein Wahlverbot. Das BayObLG hat es in einem Beschluss vom 22. Oktober 1996 (3Z BR 178/96, FamRZ 1997, 388 = NJW-RR 1997, 834 = Rpfleger 1997, 162)  als unzulässig bezeichnet, bei einer Betreuung, die mehrere [[Aufgabenkreis]]e umfasst – selbst wenn es die drei o.g. „klassischen“ Aufgabenkreise sind – deklaratorisch festzustellen, dass damit eine Betreuung für die Besorgung aller Angelegenheiten eingerichtet sei (vgl. BayObLG, BtPrax 1997, S. 72f.). In der Betreuungsanordnung muss somit explizit und ausdrücklich erwähnt sein, dass eine Betreuung „für alle Angelegenheiten“ eingerichtet wird.
    
Die [[Betreuungsgesetz|Übergangsbestimmungen]] (Artikel 9 § 7 BtG) für die sog. ''Altfälle'', also die Menschen, die am 31.Dezember 1991 unter Vormundschaft/Pflegschaft standen, die am 01.01.1992 automatisch in Betreuungen übergingen, sahen allerdings vor, dass automatisch allerdings nur das Wahlverbot der zuvor unter Gebrechlichkeitspflegschaft stehenden Menschen aus dem Wahlregister gestrichen wurde (ca. 180.000 Personen), nicht das der bisher unter [[wikipedia:de:Vormundschaft|Vormundschaft]] (ca. 65.000 Personen).  
 
Die [[Betreuungsgesetz|Übergangsbestimmungen]] (Artikel 9 § 7 BtG) für die sog. ''Altfälle'', also die Menschen, die am 31.Dezember 1991 unter Vormundschaft/Pflegschaft standen, die am 01.01.1992 automatisch in Betreuungen übergingen, sahen allerdings vor, dass automatisch allerdings nur das Wahlverbot der zuvor unter Gebrechlichkeitspflegschaft stehenden Menschen aus dem Wahlregister gestrichen wurde (ca. 180.000 Personen), nicht das der bisher unter [[wikipedia:de:Vormundschaft|Vormundschaft]] (ca. 65.000 Personen).  
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Bei den Letztgenannten, die aufgrund der Übergangsbestimmungen einer Betreuer „für alle Angelegenheiten“ bekamen, sollte erst im Rahmen der Überprüfungsfrist für die Altfälle ggf. der Umfang der Betreuung eingeschränkt und damit das Wahlverbot aus dem Wählerregister gestrichen werden. Die Überprüfungsfrist betrug 5 Jahre (also bis zum 31.12.1996) für Menschen, die länger als 10 Jahren unter Vormundschaft standen (also die Vormundschaft vor dem 01.01.1982 angeordnet worden war) und 10 Jahre (also bis zum 31.12.2001) für Menschen, die weniger als 10 Jahre unter Vormundschaft standen (also die Vormundschaft nach dem 01.01.1982 angeordnet worden war). Inzwischen sind alle Übergangsfristen abgelaufen, sodass nur noch solche Personen, bei denen nach dem 1.1.2992 ausdrücklich die Betreuung für alle Angelegenheiten angeordnet wurde, kein Wahlrecht haben.
 
Bei den Letztgenannten, die aufgrund der Übergangsbestimmungen einer Betreuer „für alle Angelegenheiten“ bekamen, sollte erst im Rahmen der Überprüfungsfrist für die Altfälle ggf. der Umfang der Betreuung eingeschränkt und damit das Wahlverbot aus dem Wählerregister gestrichen werden. Die Überprüfungsfrist betrug 5 Jahre (also bis zum 31.12.1996) für Menschen, die länger als 10 Jahren unter Vormundschaft standen (also die Vormundschaft vor dem 01.01.1982 angeordnet worden war) und 10 Jahre (also bis zum 31.12.2001) für Menschen, die weniger als 10 Jahre unter Vormundschaft standen (also die Vormundschaft nach dem 01.01.1982 angeordnet worden war). Inzwischen sind alle Übergangsfristen abgelaufen, sodass nur noch solche Personen, bei denen nach dem 1.1.2992 ausdrücklich die Betreuung für alle Angelegenheiten angeordnet wurde, kein Wahlrecht haben.
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Nach einem Forschungsbericht, den das Bundesarbeitsministerium in Auftrag gab, sind derzeit (2016) ca. 85.000 Personen wegen der Betreuerbestellung nicht wahlberechtigt (siehe Link unten, dort Seite 40).
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Nach einem Forschungsbericht, den das Bundesarbeitsministerium in Auftrag gab, waren 2016 ca. 85.000 Personen wegen der Betreuerbestellung nicht wahlberechtigt (siehe Link unten, dort Seite 40).
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Nach der Übergangsbestimmung im neuen ab 1.7.2019 geltenden Recht (§ 53 Bundeswahlgesetz) haben die Wahlbehörden die bisher nach § 309 Abs. 1 FamFG erfolgten Mitteilungen über die Anordnung der Totalbetreuung (bzw. der Mitteilungen über die Unterbringung nach § 63 StGB) künftig nicht mehr zu speichern; die Wahlausschlüsse müssen somit von Amts wegen aus den Registern entfernt werden. Da § 309 Abs. 1 FamFG ebenfalls zum 1.7.2019 gestrichen wurde, erfolgen bei künftigen Betreuerbestellungen mit dem Aufgabenkreis „alle Angelegenheiten“ keine Mitteilungen an die Wahlbehörde mehr.
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===Rechtsprechung===  
 
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