Änderungen

Zur Navigation springen Zur Suche springen
Zeile 237: Zeile 237:  
   
 
   
 
Die Bestellung eines Verfahrenspflegers für den Betroffenen ist nach § 276 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 FamFG regelmäßig schon dann geboten, wenn der Verfahrensgegenstand die Anordnung einer Betreuung in allen Angelegenheiten als möglich erscheinen lässt. Begründet der Tatrichter nicht, warum er trotz Vorliegens eines Regelfalls für die Bestellung eines Verfahrenspflegers von dieser absieht, kann das Rechtsbeschwerdegericht weder prüfen, ob er von seinem Ermessen überhaupt Gebrauch gemacht hat, noch ob die Entscheidung ermessensfehlerfrei ergangen ist.
 
Die Bestellung eines Verfahrenspflegers für den Betroffenen ist nach § 276 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 FamFG regelmäßig schon dann geboten, wenn der Verfahrensgegenstand die Anordnung einer Betreuung in allen Angelegenheiten als möglich erscheinen lässt. Begründet der Tatrichter nicht, warum er trotz Vorliegens eines Regelfalls für die Bestellung eines Verfahrenspflegers von dieser absieht, kann das Rechtsbeschwerdegericht weder prüfen, ob er von seinem Ermessen überhaupt Gebrauch gemacht hat, noch ob die Entscheidung ermessensfehlerfrei ergangen ist.
 +
 +
'''BGH, Beschluss vom 12. Juni 2019 - XII ZB 51/19'''
 +
 +
Die Bestellung eines Verfahrenspflegers für den Betroffenen ist regelmäßig schon dann geboten, wenn der Verfahrensgegenstand die Anordnung einer Betreuung in allen Angelegenheiten als möglich erscheinen lässt (im Anschluss an Senatsbeschluss vom 27. Juni 2018 - XII ZB 559/17 - FamRZ 2018, 1604).
    
==Anfechtung der Verfahrenspflegerbestellung==
 
==Anfechtung der Verfahrenspflegerbestellung==
Zeile 406: Zeile 410:  
'''BGH, Beschluss vom 31. Oktober 2018 - XII ZB 288/18''':
 
'''BGH, Beschluss vom 31. Oktober 2018 - XII ZB 288/18''':
   −
Der in einer Unterbringungssache bestellte Verfahrenspfleger ist nicht gesetzlicher Vertreter des Betroffenen; er kann in Vertretung des Betroffenen keine wirksamen Verfahrenshandlungen vornehmen und ist insbesondere nicht zur Einlegung eines Rechtsmittels im Namen des Betroffenen befugt (im Anschluss an Senatsbeschluss vom 15. August 2018 XII ZB 370/17 juris).
+
Der in einer [[Unterbringungssache]] bestellte Verfahrenspfleger ist nicht gesetzlicher Vertreter des Betroffenen; er kann in Vertretung des Betroffenen keine wirksamen Verfahrenshandlungen vornehmen und ist insbesondere nicht zur Einlegung eines Rechtsmittels im Namen des Betroffenen befugt (im Anschluss an Senatsbeschluss vom 15. August 2018 XII ZB 370/17 juris).
 +
 
 +
''' BGH, Beschluss vom 17. April 2019 - XII ZB 570/18''':
 +
 
 +
# Eine Anhörung des Betroffenen im [[Betreuungsverfahren]], die stattgefunden hat, ohne dass der Verfahrenspfleger Gelegenheit hatte, an ihr teilzunehmen, ist verfahrensfehlerhaft (im Anschluss an Senatsbeschluss vom 14. Februar 2018 - XII ZB 465/17 - FamRZ 2018, 705).
 +
# Die Verwertbarkeit des in einem Betreuungsverfahren eingeholten [[Gutachten]]s hängt nicht davon ab, dass ein verbaler Kontakt zwischen dem Betroffenen und dem Sachverständigen hergestellt werden kann. Der Sachverständige muss den Betroffenen aber untersucht und sich damit einen persönlichen Eindruck von ihm verschafft haben (im Anschluss an Senatsbeschluss vom 10. Mai 2017 - XII ZB 536/16 - FamRZ 2017, 1324).
 +
 
 +
'''BGH, Beschluss vom 8. Mai 2019 - XII ZB 2/19'''
 +
 
 +
In einem Unterbringungsverfahren ersetzt die Bekanntgabe des Sachverständigengutachtens an den Verfahrenspfleger oder an den Betreuer nicht die notwendige Bekanntgabe an den Betroffenen persönlich (im Anschluss an Senatsbeschluss vom 7. Februar 2018 - XII ZB 334/17 - FamRZ 2018, 707).
 +
 
 +
'''BGH, Beschluss vom 12. Februar 2020 - XII ZB 179/19'''
 +
 
 +
Sieht das Betreuungsgericht gemäß § 288 Abs. 1 FamFG von der Bekanntgabe eines [[Sachverständigengutachten|Gutachtens]] an den Betroffenen ab, kann durch die Bekanntgabe des Gutachtens an den Verfahrenspfleger allenfalls dann ein notwendiges Mindestmaß rechtlichen Gehörs sichergestellt werden, wenn zusätzlich die Erwartung gerechtfertigt ist, dass der Verfahrenspfleger mit dem Betroffenen über das Gutachten spricht. Letzteres setzt in der Regel einen entsprechenden Hinweis des Betreuungsgerichts an den Verfahrenspfleger voraus (im Anschluss an Senatsbeschluss vom 8. August 2018 - XII ZB 139/18 - FamRZ 2018, 1769).
 +
 
 +
'''BGH, Beschluss vom 18. März 2020 - XII ZB 570/19'''
 +
 
 +
Das Betreuungsgericht muss grundsätzlich durch die Benachrichtigung des Verfahrenspflegers vom Anhörungstermin sicherstellen, dass dieser an der Anhörung des Betroffenen teilnehmen kann. Solange die Bestellung des Verfahrenspflegers nicht aufgehoben ist, gilt dies auch dann, wenn der Betroffene durch einen Rechtsanwalt als Verfahrensbevollmächtigten vertreten wird (im Anschluss an Senatsbeschluss vom 15. Mai 2019 - XII ZB 57/19 - FamRZ 2019, 1356).
 +
 
 +
'''BGH, Beschluss vom 6. Mai 2020 - XII ZB 504/19'''
 +
 +
Hat das Amtsgericht es in verfahrenswidriger Weise unterlassen, in einem Betreuungsverfahren für den Betroffenen einen Verfahrenspfleger zu bestellen, und hat es demgemäß den Betroffenen ohne Verfahrenspfleger angehört, so hat das Landgericht den Betroffenen erneut anzuhören und dem – nunmehr von ihm bestellten – [[Verfahrenspfleger]] Gelegenheit zu geben, an der Anhörung teilzunehmen (im Anschluss an Senatsbeschluss vom 14. Februar 2018 XII ZB 465/17 FamRZ 2018, 705).
 +
 
 +
'''OLG München, Beschluss vom 27.09.2021, 34 Wx 252/21'''
 +
 
 +
# Im betreuungsgerichtlichen Genehmigungsverfahren ist der [[Verfahrenspfleger]] gehalten, sich eine eigene Überzeugung davon zu verschaffen, dass der Vorgang, dessentwegen er bestellt wurde, im objektiven Interesse des Betroffenen liegt. Das setzt regelmäßig eine inhaltliche Überprüfung dieses Vorgangs voraus.
 +
# Zu diesem Zweck kann auch die Durchführung eigener Ermittlungen erforderlich sein.
 +
 
 +
'''BGH, Beschluss vom 12. Januar 2022 - XII ZB 442/21'''
 +
 +
Hält das Betreuungsgericht in einem Verfahren auf Aufhebung einer Betreuung die Bestellung eines Verfahrenspflegers für erforderlich, muss es grundsätzlich durch die rechtzeitige Bestellung des Verfahrenspflegers und dessen Benachrichtigung vom Anhörungstermin sicherstellen, dass dieser an der Anhörung des Betroffenen teilnehmen kann (im Anschluss an Senatsbeschluss vom 13. Mai 2020 - XII ZB 541/19 - FamRZ 2020, 1305).
 +
 
 +
'''BGH, Beschluss vom 11. Mai 2022 - XII ZB 129/21''', FamRZ 2022, 1225
 +
 +
# Hört das Landgericht nur den Betroffenen an und ist sein Verfahrenspfleger damit einverstanden, ist das verfahrensfehlerfrei.
 +
# Der rechtzeitig vom Termin unterrichtete Verfahrenspfleger kann selbst entscheiden, ob er an dem Termin teilnimmt.
    
==Betreuer und Verfahrenspfleger==
 
==Betreuer und Verfahrenspfleger==
Zeile 569: Zeile 608:     
# Kann in einer Betreuungssache ein Rechtsanwalt, der zum [[Verfahrenspfleger]] bestellt worden ist, nach anwaltlichem Gebührenrecht abrechnen, weil die Erforderlichkeit anwaltsspezifischer Tätigkeiten im Bestellungsbeschluss festgestellt wurde oder in dem konkreten Einzelfall die Wahrnehmung anwaltstypischer Aufgaben erforderlich war, bestimmt sich die Höhe seiner Vergütung nach den Vorschriften des Rechtsanwaltsvergütungsgesetzes.
 
# Kann in einer Betreuungssache ein Rechtsanwalt, der zum [[Verfahrenspfleger]] bestellt worden ist, nach anwaltlichem Gebührenrecht abrechnen, weil die Erforderlichkeit anwaltsspezifischer Tätigkeiten im Bestellungsbeschluss festgestellt wurde oder in dem konkreten Einzelfall die Wahrnehmung anwaltstypischer Aufgaben erforderlich war, bestimmt sich die Höhe seiner Vergütung nach den Vorschriften des Rechtsanwaltsvergütungsgesetzes.
 +
# Ist in diesem Fall der Verfahrenspfleger damit beauftragt, einen vom Betreuer zur betreuungsgerichtlichen Genehmigung vorgelegten Mietvertrag zu überprüfen, bestimmt sich der Geschäftswert für die Berechnung der anwaltlichen Gebühren nach § 23 Abs. 3 Satz 1 RVG i.V.m. § 25 Abs. 1 KostO (nunmehr § 99 GNotKG).
   −
# Ist in diesem Fall der Verfahrenspfleger damit beauftragt, einen vom Betreuer zur betreuungsgerichtlichen Genehmigung vorgelegten Mietvertrag zu überprüfen, bestimmt sich der Geschäftswert für die Berechnung der anwaltlichen Gebühren nach § 23 Abs. 3 Satz 1 RVG i.V.m. § 25 Abs. 1 KostO (nunmehr § 99 GNotKG).
+
'''AG Hamburg-Wandsbek, Beschluss vom 04.09.2019, 706 XIV 56/19'''
 +
 
 +
# Die Notwendigkeit anwaltlicher Tätigkeit im Rahmen der Tätigkeit als Verfahrenspfleger kann rückwirkend nach der Bestellung zum Verfahrenspfleger festgestellt werden.
 +
# Die bloße Wahrnehmung eines Termins im Rahmen eines Eildienstes ist nicht bereits deshalb als anwaltsspezifische Tätigkeit zu qualifizieren, weil in Fixierungssachen ein besonders schwerer Eingriff in die Freiheit der Person (Art. 2 Abs. 2 S. 2 in Verbindung mit Art. 104 GG) vorliegt.
 +
 
 +
'''OLG Bremen, Beschluss vom 21.10.2020, 5 W 14/20'''
 +
 +
# Die Vergütung eines als Verfahrenspfleger berufsmäßig tätigen Rechtsanwalts für die Prüfung und Erteilung der Zustimmung bzgl. eines vom Nachlasspfleger für die unbekannten Erben geschlossenen Grundstücksverkaufsvertrages richtet sich im Regelfall nach dem RVG.
 +
# Bei der Prüfung und Erteilung der Zustimmung handelt es sich um eine Mitwirkung bei der Gestaltung eines Vertrags i.S.v. Vorbemerkung 2.3 Abs. 3 zu Ziff. 2300 VV RVG, so dass eine Gebühr gem. Ziff. 2300 VV RVG und nicht nur eine Beratungsgebühr gem. § 34 RVG entsteht.
 +
 
 +
'''BFH, Urteil vom 25. November 2021, V R 34/19'''
 +
 
 +
Die nach §§ 276, 317 FamFG gerichtlich bestellten Verfahrenspfleger für Betreuungs- und Unterbringungssachen können sich auf die unionsrechtliche Steuerbefreiung nach Art. 132 Abs. 1 Buchst. g MwStSystRL berufen.
 +
 
 +
'''KG Berlin, Beschl. v. 15.2.2022 – 19 W 170/21'''
 +
 
 +
# Der Verfahrenspfleger kann eine Vergütung nach dem RVG verlangen, soweit er im Rahmen seiner Bestellung solche Tätigkeiten zu erbringen hat, für die ein juristischer Laie in gleicher Lage vernünftigerweise einen Rechtsanwalt zuziehen würde (iA an BGH Beschl. v. 16.12.2020 – XII ZB 410/20, FamRZ 2021, 549 = juris Rn. 17; KG Beschl. v. 23.9.2021 – 19 W 94/21; OLG Bremen Beschl. v. 21.10.2020 – 5 W 14/20, FamRZ 2921, 453 = juris).
 +
# Fehlt im Bestellungsbeschluss die für das Vergütungsverfahren bindende Feststellung der anwaltsspezifischen Tätigkeit (vgl. BGH Beschl. v. 23.7.2014 – XII ZB 111/14, FamRZ 2014, 1629 = juris Rn. 16), ist anhand der konkreten Umstände des Einzelfalls zu prüfen, ob der Pfleger eine solche Tätigkeit zu erbringen hat.
 +
# Der mit Grundstückskaufverträgen häufig einhergehende anwaltliche Beratungsbedarf bedeutet nicht automatisch, dass jeder notarielle Grundstücksverkauf gesonderter Anwaltsberatung bedarf.
 +
# Die für unbekannte Erben eingerichtete anwaltliche Nachlasspflegschaft führt allein nicht zu einer Veränderung des Schwierigkeitsgrades der Aufgabe eines für einen Grundstückskaufvertrag bestellten Verfahrenspflegers.
 +
 
 +
 
 +
'''LG Saarbrücken, Beschluss vom 28.03.2022, 5 T 100/22'''
 +
 
 +
Bestellt das Amtsgericht einen Rechtsanwalt zum Verfahrenspfleger zur Wahrnehmung der Interessen des Betroffenen in einem Verfahren, das die betreuungsgerichtliche Genehmigung der Veräußerung von Grundbesitz des Betroffenen zum Gegenstand hat mit der Folge, dass der Verfahrenspfleger alle in dem notariellen Kaufvertrag enthaltenen Regelungen eingehend auf ihre Auswirkungen für die Betroffene zu untersuchen hat, so ist eine anwaltsspezifische Tätigkeit beauftragt, aufgrund derer der Verfahrenspfleger Anspruch auf Vergütung nach dem RVG hat.
 +
 
 +
'''OLG Brandenburg Beschl. v. 19.8.2022 – 3 W 90/22, NJOZ 2023, 1221'''
 +
 
 +
# Der zum Verfahrenspfleger bestellte Rechtsanwalt ist an seine Entscheidung, ob er die Aufwendungen für die Tätigkeit als Verfahrenspfleger nach § 1835 III BGB in Verbindung mit den Vorschriften des Rechtsanwaltsvergütungsgesetzes geltend macht oder ob er eine Vergütung nach § 1836 BGB in Verbindung mit dem Vormünder- und Betreuervergütungsgesetz verlangt, nicht gebunden, solange die Entscheidung über die beantragte Festsetzung der Vergütung beziehungsweise der Auslagen im Verfahren gem. § 168 FamFG noch nicht rechtkräftig ist.
 +
# Sofern das Gericht bei der Bestellung des Verfahrenspflegers nicht festgestellt hat, dass der Verfahrenspfleger eine anwaltsspezifische Tätigkeit ausübt, ist im Rahmen des Festsetzungsverfahrens anhand der konkreten Umstände des Einzelfalls zu prüfen, ob dieser im Rahmen seiner Bestellung solche Tätigkeiten zu erbringen hatte, für die ein juristischer Laie in gleicher Lage vernünftigerweise einen Rechtsanwalt zuziehen würde.
 +
 
 +
'''BGH, Beschluss vom 1. Februar 2023 - XII ZB 104/22'''
 +
 +
# Der Anspruch des anwaltlichen Verfahrenspflegers auf Rechtsanwaltsvergü-tung als Aufwendungsersatz für seine anwaltsspezifischen Dienste erlischt nach § 1835 Abs. 1 Satz 3 BGB aF, wenn er nicht binnen 15 Monaten nach seiner Entstehung geltend gemacht wird (im Anschluss an Senatsbeschluss vom 27. Juni 2012 XII ZB 685/11 FamRZ 2012, 1377).
 +
# Die Ausschlussfrist zur Geltendmachung dieses Aufwendungsersatzes beginnt mit der Fälligkeit der Rechtsanwaltsvergütung nach § 8 RVG.
    
==Rechtsanwalt als Verfahrenspfleger==
 
==Rechtsanwalt als Verfahrenspfleger==

Navigationsmenü