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Der '''natürliche Wille''' ist der Wille, der in einem die [[Freier Wille|freie Willensbestimmung]] ausschließenden Zustand krankhafter Störung der Geistestätigkeit gefasst wird.
 
Der '''natürliche Wille''' ist der Wille, der in einem die [[Freier Wille|freie Willensbestimmung]] ausschließenden Zustand krankhafter Störung der Geistestätigkeit gefasst wird.
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==Allgemeines==
    
Die Unterscheidung zwischen freiem und natürlichem Willen ist insbesondere im Betreuungsrecht wichtig, da ein [[Betreuer]] nicht gegen den freien Willen eines Volljährigen [[Betreuungsvoraussetzung|bestellt werden]] darf ({{Zitat de §|1896|bgb}} Abs. 1a BGB). Durch das Fehlen eines freien Willens ist der Mensch weder [[Geschäftsfähigkeit|geschäfts-]] noch [[Einwilligungsfähigkeit|einwilligungsfähig]]. Der natürliche Wille ist aber keinesfalls bedeutungslos.  
 
Die Unterscheidung zwischen freiem und natürlichem Willen ist insbesondere im Betreuungsrecht wichtig, da ein [[Betreuer]] nicht gegen den freien Willen eines Volljährigen [[Betreuungsvoraussetzung|bestellt werden]] darf ({{Zitat de §|1896|bgb}} Abs. 1a BGB). Durch das Fehlen eines freien Willens ist der Mensch weder [[Geschäftsfähigkeit|geschäfts-]] noch [[Einwilligungsfähigkeit|einwilligungsfähig]]. Der natürliche Wille ist aber keinesfalls bedeutungslos.  
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Das [[Grundrechte|Grundrecht]] auf ein selbstbestimmtes Leben ({{Zitat Art|2|gg}} Absatz 1 GG) darf durch den Betreuer nur nach dem Maßstab der [[Verhältnismäßigkeitsprinzip|Verhältnismäßigkeit]] verletzt werden. Auch die Auswahl des Betreuers hat sich nach dem natürlichen Willen des Betreuten zu richten.
 
Das [[Grundrechte|Grundrecht]] auf ein selbstbestimmtes Leben ({{Zitat Art|2|gg}} Absatz 1 GG) darf durch den Betreuer nur nach dem Maßstab der [[Verhältnismäßigkeitsprinzip|Verhältnismäßigkeit]] verletzt werden. Auch die Auswahl des Betreuers hat sich nach dem natürlichen Willen des Betreuten zu richten.
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Der natürliche Wille taucht im Betreuungsrecht noch an anderer Stelle auf, bei den Sterilisationsvoraussetzungen in {{Zitat de §|1905|bgb}} Abs. 1 Nr. 1 BGB. Eine [[Sterilisation]] darf nach den Vorstellungen des Gesetzgebers nämlich auch dem natürlichen Willen des Betroffenen nicht entgegenstehen.  
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Der natürliche Wille taucht im Betreuungsrecht noch an anderer Stelle auf, bei den Sterilisationsvoraussetzungen in {{Zitat de §|1905|bgb}} Abs. 1 Nr. 1 BGB. Eine [[Sterilisation]] darf nach den Vorstellungen des Gesetzgebers nämlich auch dem natürlichen Willen des Betroffenen nicht entgegenstehen.
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Bei der [[Zwangsbehandlung|medizinischen Zwangsmaßnahme]] (§ 1906a BGB) geht es ebenfalls um den entgegenstehenden natürlichen Willen.
    
==Rechtsprechung==
 
==Rechtsprechung==
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Eine [[Unterbringung]] zur [[Heilbehandlung]] kann auch dann genehmigt werden, wenn sie allein darauf gerichtet ist, die Behandlung gegen den natürlichen Willen des Betroffenen durchzusetzen.
 
Eine [[Unterbringung]] zur [[Heilbehandlung]] kann auch dann genehmigt werden, wenn sie allein darauf gerichtet ist, die Behandlung gegen den natürlichen Willen des Betroffenen durchzusetzen.
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'''BGH, Beschluss vom 08.08.2012, XII ZB 671/11''':
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# Da die Einwilligung des Betreuers in eine [[Zwangsbehandlung]] mangels gesetzlicher Grundlage nicht genehmigungsfähig ist, kommt die Genehmigung einer entsprechenden Unterbringung nach § 1906 Abs. 1 Nr. 2 BGB nicht in Betracht, wenn die [[Heilbehandlung]] wegen der Weigerung des Betroffenen, sich behandeln zu lassen, nicht durchgeführt werden kann (im Anschluss an Senatsbeschlüsse vom 20. Juni 2012 - XII ZB 99/12 und XII ZB 130/12 - jeweils juris).
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# Die Genehmigung einer [[Unterbringung]] zur [[Heilbehandlung]] nach § 1906 Abs. 1 Nr. 2 BGB kommt allerdings noch in den Fällen in Betracht, in denen nicht von vornherein ausgeschlossen ist, dass sich der Betroffene in der Unterbringung behandeln lassen wird, sein natürlicher Wille also nicht bereits der medizinisch notwendigen Behandlung entgegensteht und er die Notwendigkeit der Unterbringung nicht einsieht (im Anschluss an Senatsbeschluss BGHZ 166, 141, 152 = FamRZ 2006, 615, 618).
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'''BGH, Beschluss vom 07. 08.2013, XII ZB 223/13''':
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Die Bestellung eines [[Verfahrenspfleger]]s für den Betroffenen ist nach § 276 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 FamFG regelmäßig schon dann geboten, wenn der Verfahrensgegenstand die Anordnung einer Betreuung in allen [[Aufgabenkreis|Angelegenheiten]] als möglich erscheinen lässt (im Anschluss an Senatsbeschlüsse vom 28. September 2011 XII ZB 16/11 FamRZ 2011, 1866 und vom 4. August 2010 XII ZB 167/10 FamRZ 2010, 1648). Das gilt grundsätzlich auch dann, wenn die beabsichtigte Entscheidung dem [[natürlicher Wille|natürlichen Willen]] des Betroffenen entspricht.
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'''LG Lübeck, Beschluss vom 09.07.2014, 7 T 398/14'''
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Auch vor jeder erneuten oder verlängerten ärztlichen Zwangsmaßnahme ist nochmals darauf hinzuwirken, dass der Betroffene seinen natürlichen Willen so ändert, dass dieser sich nicht (mehr) gegen die Maßnahme richtet.
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==Literatur==
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===Bücher===
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*[https://shop.reguvis.de/betreuung-und-pflege/wille-wohl-und-anerkennung/?WA=77001057 Krüger: Wille, Wohl und Anerkennung, Köln 2012, 68 Euro], ISBN 978-3-8462-0076-6
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===Zeitschriftenbeiträge===
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*[http://www.taz.de/Debatte-Unterbringung-in-der-Psychiatrie/!103406/ Bschor: Freiheit zum Darmtumor? TAZ vom 12.10.2012]
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*Steenbreker: Zivilrechtliche Unbeachtlichkeit eines "natürlichen Willens" für den Widerruf der [[Patientenverfügung]]; NJW 2012, 3207
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==Weblinks==
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*[http://www.betreuungen-krueger.de Michael Krüger: NATUR IM RECHT? Zum Umgang mit dem Widerspruch eines „natürlichen Willens" (PDF)]
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[[Kategorie:Auswirkungen]]
 
[[Kategorie:Auswirkungen]]
 
[[Kategorie:Betreuungsvoraussetzungen]]
 
[[Kategorie:Betreuungsvoraussetzungen]]

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