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'''Artikel wird noch an die Rechtslage ab 2023 angepasst.'''
 
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=Datenschutz in der Betreuung=
 
=Datenschutz in der Betreuung=
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Zum 25.5.2018 ist EU-weit eine einheitliche Datenschutzregelung in Kraft getreten, die [[wikipedia:de:Datenschutz-Grundverordnung|EU-Datenschutzgrundverordnung]] (EU DSGVO). Ergänzt wird sie weiterhin durch (geänderte) Bestimmungen des [[wikipedia:de:Bundesdatenschutzgeetz|Bundesdatenschutzgesetzes]] bzw. der Datenschutzgesetze der Länder (sowie der Kirchen).
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Zum 25.5.2018 ist EU-weit eine einheitliche Datenschutzregelung in Kraft getreten, die [[wikipedia:de:Datenschutz-Grundverordnung|EU-Datenschutzgrundverordnung]] (EU DSGVO). Für das deutsche Recht ist seit 1.1.23 in mehreren §§ des BtOG eine Datenschutzregelung erfolgt.
    
==Anwendbarkeit im Betreuungswesen==
 
==Anwendbarkeit im Betreuungswesen==
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===Ehrenamtliche Betreuer===
 
===Ehrenamtliche Betreuer===
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Der Anwendungsbereich  (Art. 2 Abs. 2 c DSGVO) nimmt Tätigkeiten, die ausschließlich familiär oder privat sind, ausdrücklich aus. Deshalb ist die Auffassung vertretbar, dass [[Betreuer (Ehrenamt)|ehrenamtlich geführte Betreuungen]] nicht unter den Geltungsbereich fallen. Dies ist derzeit allerdings nicht unumstritten. In Berlin gilt [http://gesetze.berlin.de/jportal/portal/t/n6k/page/bsbeprod.psml;jsessionid=7AFADB53A71A3573475E97F029686B2E.jp17?pid=Dokumentanzeige&showdoccase=1&js_peid=Trefferliste&documentnumber=2&numberofresults=4&fromdoctodoc=yes&doc.id=jlr-BtGAGBEpP5#focuspoint § 5 des Ausführungsgesetzes zum BtR] auch für ehrenamtliche Betreuer. Ab 1.1.2023 enthält § 20 des künftigen [[Betreuungsorganisationsgesetz]]es die Gestaltung der Datenverarbeitung für (alle) Betreuer.
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Seit 1.1.2023 enthält {{Zitat de §|20|btog}} des [[Betreuungsorganisationsgesetz]]es die Gestaltung der Datenverarbeitung für (alle) Betreuer. Dies gilt auch für solche, die als Familienangehörige zum [[Betreuer (Ehrenamt)|ehrenamtlichen Betreuer]] bestellt wurden.
    
===Berufsbetreuer===
 
===Berufsbetreuer===
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[[Berufsbetreuer|Berufliche Betreuer]] fallen unter die EU-DSGVO (nach Auffassung des [[wikipedia:de:Bundesdatenschutzbeauftragter|Bundesdatenschutzbeauftragten]] fielen sie bereits zuvor unter das BDSG). Ergänzende Regeln können im (geänderten) [[wikipedia:de:Bundesdatenschutzgesetz|BDSG]] stehen. Landesrechtlich trifft in Berlin [http://gesetze.berlin.de/jportal/portal/t/n6k/page/bsbeprod.psml;jsessionid=7AFADB53A71A3573475E97F029686B2E.jp17?pid=Dokumentanzeige&showdoccase=1&js_peid=Trefferliste&documentnumber=2&numberofresults=4&fromdoctodoc=yes&doc.id=jlr-BtGAGBEpP5#focuspoint § 5 des Ausführungsgesetzes zum BtR]  eine ergänzende Regelung.
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Auch [[Berufsbetreuer|Berufliche Betreuer]] fallen unter die EU-DSGVO, die durch {{Zitat de §|20|btog}} BtOG konkretisiert wird.
    
Siehe dazu auch die [https://btdirekt.de/thema/datenschutz/datenschutz-im-betreuerbüro-aktuelle-informationen-teil-2.html Anwendungshinweise des BVfB].
 
Siehe dazu auch die [https://btdirekt.de/thema/datenschutz/datenschutz-im-betreuerbüro-aktuelle-informationen-teil-2.html Anwendungshinweise des BVfB].
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===Betreuungsvereine===
 
===Betreuungsvereine===
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Für [[Betreuungsverein]]e gilt die EU-DSGVO ebenfalls, ergänzende Regeln finden sich im [[wikipedia:de:Bundesdatenschutzgesetz|BDSG]] , in Berlin [http://gesetze.berlin.de/jportal/portal/t/n6k/page/bsbeprod.psml;jsessionid=7AFADB53A71A3573475E97F029686B2E.jp17?pid=Dokumentanzeige&showdoccase=1&js_peid=Trefferliste&documentnumber=2&numberofresults=4&fromdoctodoc=yes&doc.id=jlr-BtGAGBEpP5#focuspoint § 5 des Ausführungsgesetzes zum BtR]  – und soweit die Betreuungsvereine dem Kirchenrecht zuzuordnen sind, in den [https://www.datenschutz.de/category/grundlagen-datenschutz/gesetze-und-verordnungen/ kirchlichen Datenschutzbestimmungen].
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Für [[Betreuungsverein]]e gilt die EU-DSGVO ebenfalls, ergänzend {{Zitat de §|18|btog}} BtOG, soweit die Betreuungsvereine dem Kirchenrecht zuzuordnen sind, in den [https://www.datenschutz.de/category/grundlagen-datenschutz/gesetze-und-verordnungen/ kirchlichen Datenschutzbestimmungen].
    
===Betreuungsbehörden===
 
===Betreuungsbehörden===
 
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{{Zitat de §|4|btog}} BtOG enthält die Gestattung der Datenverarbeitung für die Betreuungsbehörde. Die jeweiligen Landesdatenschutzgesetze können ergänzende Regelungen treffen.
Für [[Betreuungsbehörde]]n gilt die DSGVO ebenso, ergänzende Regeln finden sich im jeweiligen (geänderten) [https://www.datenschutz.de/category/grundlagen-datenschutz/gesetze-und-verordnungen/ Landesdatenschutzgesetz], in [http://www.landesrecht-hamburg.de/jportal/portal/page/bshaprod.psml?showdoccase=1&doc.id=jlr-BetrGAGHArahmen&doc.part=X&doc.origin=bs&st=lr Hamburg treffen § 4 des Ausführungsgesetzes zum BtR] und in Berlin  [http://gesetze.berlin.de/jportal/portal/t/n6k/page/bsbeprod.psml;jsessionid=7AFADB53A71A3573475E97F029686B2E.jp17?pid=Dokumentanzeige&showdoccase=1&js_peid=Trefferliste&documentnumber=2&numberofresults=4&fromdoctodoc=yes&doc.id=jlr-BtGAGBEpP5#focuspoint § 5 des Ausführungsgesetzes zum BtR] ergänzende Regelungen. Ab 1.1.2023 enthält § 4 des künftigen [[Betreuungsorganisationsgesetz]]es die Gestaltung der Datenverarbeitung für die Betreuungsbehörde.
      
===Betreuungsgerichte===
 
===Betreuungsgerichte===
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===Bevollmächtigte===
 
===Bevollmächtigte===
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Auch hier wird für ehrenamtliche [[Vorsorgevollmacht|Bevollmächtigte]] aus dem nahen sozialen Umfeld im Sinne des § 6 Abs. 2 RDG ([[wikipedia:de:Rechtsdienstleistungsgesetz|Rechtsdienstleistungsgesetzes]]) anzunehmen sein, dass die Ausnahme für ehrenamtliche Betreuer ebenfalls gilt. Vollmachtnehmer, die beruflich tätig sind (in der Regel Anwälte oder Notare), fallen unter die EU DSGVO.
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Für ehrenamtliche [[Vorsorgevollmacht|Bevollmächtigte]] aus dem nahen sozialen Umfeld im Sinne des § 6 Abs. 2 RDG ([[wikipedia:de:Rechtsdienstleistungsgesetz|Rechtsdienstleistungsgesetzes]]) anzunehmen sein, dass die sog. Familienausnahme (Art. 2 DSGVO) gilt. Vollmachtnehmer, die beruflich tätig sind (in der Regel Anwälte oder Notare), fallen unter die EU DSGVO.
    
==Personenbezogene Daten==
 
==Personenbezogene Daten==
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Es wird unterschieden in „normale“ personenbezogene Daten (Art. 4 DSGVO), also z.B. Namen, Adressen, Geburtsdaten, Nummern von Ausweisen, Versicherungen, Konten, Steuerdaten, Zahlungsansprüche und -verpflichtungen usw.  und '''besonders schutzbedürftige Kategorien''' von Daten, Art. 9 Abs. 1 EU DSGVO. Letztere sind:
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Es wird unterschieden in „normale“ personenbezogene Daten (Art. 4, 6 DSGVO), also z.B. Namen, Adressen, Geburtsdaten, Nummern von Ausweisen, Versicherungen, Konten, Steuerdaten, Zahlungsansprüche und -verpflichtungen usw.  und '''besonders schutzbedürftige Kategorien''' von Daten, Art. 9 Abs. 1 EU DSGVO. Letztere sind:
 
„(...) personenbezogene Daten, aus denen die rassische und ethnische Herkunft, politische Meinungen, religiöse oder weltanschauliche Überzeugungen oder die Gewerkschaftszugehörigkeit hervorgehen, sowie die Verarbeitung von genetischen Daten, biometrischen Daten zur eindeutigen Identizierung einer natürlichen Person, Gesundheitsdaten oder Daten zum Sexualleben oder der sexuellen Orientierung einer natürlichen Person...“ hervorgehen.
 
„(...) personenbezogene Daten, aus denen die rassische und ethnische Herkunft, politische Meinungen, religiöse oder weltanschauliche Überzeugungen oder die Gewerkschaftszugehörigkeit hervorgehen, sowie die Verarbeitung von genetischen Daten, biometrischen Daten zur eindeutigen Identizierung einer natürlichen Person, Gesundheitsdaten oder Daten zum Sexualleben oder der sexuellen Orientierung einer natürlichen Person...“ hervorgehen.
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Bei Betreuungen dürften bei den besonders schutzwürdigen Kategorien angesichts des § 1896 Abs. 1 BGB vor allem Gesundheitsdaten eine Rolle spielen.
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Bei Betreuungen dürften bei den besonders schutzwürdigen Kategorien angesichts des § 1814 Abs. 1 BGB vor allem Gesundheitsdaten eine Rolle spielen.
    
==Berechtigung zur Datenverarbeitung==
 
==Berechtigung zur Datenverarbeitung==
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Nach Art. 6 Abs. 1 Nr. c DSGVO ist die Verarbeitung rechtmäßig, wenn sie zur Erfüllung einer rechtlichen Verpflichtung erforderlich ist, der der Verantwortliche unterliegt.  
 
Nach Art. 6 Abs. 1 Nr. c DSGVO ist die Verarbeitung rechtmäßig, wenn sie zur Erfüllung einer rechtlichen Verpflichtung erforderlich ist, der der Verantwortliche unterliegt.  
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Bei Betreuern sind dies die in § 1901 BGB beschriebenen Pflichten, die u.a. in der gesetzlichen Vertretung nach außen nach § 1902 BGB bestehen, ergänzt durch spezialgesetzliche Pflichten, wie die [[Finanzamt|Steuererklärungspflicht]] (§ 34 AO), die sozialrechtliche Mitwirkungspflicht (§ 60 SGB I) oder die Pflicht zur Einwilligung in [[Heilbehandlung|medizinische Maßnahmen]] bei [[Einwilligungsunfähigkeit]] des Betreuten nach § 630d, § 1901b BGB.
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Bei Betreuern sind dies die in § 1821 BGB beschriebenen Pflichten, die u.a. in der gesetzlichen Vertretung nach außen nach § 1823 BGB bestehen, ergänzt durch spezialgesetzliche Pflichten, wie die [[Finanzamt|Steuererklärungspflicht]] (§ 34 AO), die sozialrechtliche Mitwirkungspflicht (§ 60 SGB I) oder die Pflicht zur Einwilligung in [[Heilbehandlung|medizinische Maßnahmen]] bei [[Einwilligungsunfähigkeit]] des Betreuten nach § 630d, § 1828 BGB.
    
Diese Auffassung wird auch von den Landesdatenschutzbeauftragten Bremen und Hessen geteilt. Siehe dazu auch das [https://btdirekt.de/thema/datenschutz/datenschutz-im-betreuerbüro-–-aktuelle-informationen-teil-7.html Datenschutzinfo des BVfB.]
 
Diese Auffassung wird auch von den Landesdatenschutzbeauftragten Bremen und Hessen geteilt. Siehe dazu auch das [https://btdirekt.de/thema/datenschutz/datenschutz-im-betreuerbüro-–-aktuelle-informationen-teil-7.html Datenschutzinfo des BVfB.]
    
===Aufgabenkreis des Betreuers===
 
===Aufgabenkreis des Betreuers===
Bei der Art der Daten wird man grundsätzlich darauf abzustellen haben, welche [[Aufgabenkreis]]e dem Betreuer übertragen sind, denn nur darauf beziehen sich seine Aufgaben (§ 1901 BGB) und Vertretungsbefugnisse. Allerdings hat der Betreuer auch die Pflicht, dem Betreuungsgericht Mitteilung von (aus seiner Sicht) notwendigen Aufgabenkreiserweiterungen zu machen (§ 1901 Abs. 5 BGB). Insoweit wird das Verbot, "Vorratsdaten" zu sammeln, jedenfalls soweit nicht zu gelten haben, bis das Betreuungsgericht über eine solche Aufgabenkreiserweiterung entschieden hat.
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Bei der Art der Daten wird man grundsätzlich darauf abzustellen haben, welche [[Aufgabenkreis]]e dem Betreuer übertragen sind, denn nur darauf beziehen sich seine Aufgaben (§ 1815 BGB) und Vertretungsbefugnisse. Allerdings hat der Betreuer auch die Pflicht, dem Betreuungsgericht Mitteilung von (aus seiner Sicht) notwendigen Aufgabenkreiserweiterungen zu machen. Insoweit wird das Verbot, "Vorratsdaten" zu sammeln, jedenfalls soweit nicht zu gelten haben, bis das Betreuungsgericht über eine solche Aufgabenkreiserweiterung entschieden hat.
    
===Daten über dritte Personen===
 
===Daten über dritte Personen===
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===Dauer der Datenverarbeitung===
 
===Dauer der Datenverarbeitung===
Die Daten sind im Übrigen bis zum [[Ende der Betreuung]] verwendbar. Danach ist zu prüfen, ob der Betreuer seinen [[Schlusspflichten|Rechenschaftspflichten]] (§ 1890 BGB) nachgekommen ist. Soweit die korrekte Schlussrechenschaft seitens des früheren Betreuten, des Erben oder des Nachfolgebetreuers bestätigt sind, sind die Daten des früheren Betreuten zu löschen bzw. zu sperren.  
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Die Daten sind im Übrigen bis zum [[Ende der Betreuung]] verwendbar. Danach ist zu prüfen, ob der Betreuer seinen [[Schlusspflichten|Rechenschaftspflichten]] (§ 1872 BGB) nachgekommen ist. Soweit die korrekte Schlussrechenschaft seitens des früheren Betreuten, des Erben oder des Nachfolgebetreuers bestätigt sind, sind die Daten des früheren Betreuten zu löschen bzw. zu sperren.  
    
Üblicherweise liegt die Beweislast für Pflichtwidrigkeiten des früheren Betreuers beim Ex-Betreuten (bzw. dessen Erbe). Das gilt insbesondere dann, wenn dieser die Betreuungsakte (gesetzliche Vertretung) vom Betreuer ausgehändigt erhielt. In so einem Falle gibt es für den Betreuer keinen Anlass, Daten zurückzuhalten, weil die von einem Anspruchsteller gegenüber der Haftpflichtversicherung bzw. im Haftpflichtprozess vorgelegt werden müsste:
 
Üblicherweise liegt die Beweislast für Pflichtwidrigkeiten des früheren Betreuers beim Ex-Betreuten (bzw. dessen Erbe). Das gilt insbesondere dann, wenn dieser die Betreuungsakte (gesetzliche Vertretung) vom Betreuer ausgehändigt erhielt. In so einem Falle gibt es für den Betreuer keinen Anlass, Daten zurückzuhalten, weil die von einem Anspruchsteller gegenüber der Haftpflichtversicherung bzw. im Haftpflichtprozess vorgelegt werden müsste:
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'''BGH Beschl v 04.05.2011, XII ZR 86/10, BeckRS 2011, 14273 = BtPrax 2011, 171 = FamRZ 2011, 1144  = NJW-RR 2011, 1009'''
 
'''BGH Beschl v 04.05.2011, XII ZR 86/10, BeckRS 2011, 14273 = BtPrax 2011, 171 = FamRZ 2011, 1144  = NJW-RR 2011, 1009'''
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Nach allgemeinen Grundsätzen ist der Kläger auch bei einem Schadensersatzanspruch nach §§ 1908 i I Satz 1, 1833 I Satz 1 BGB für die Pflichtverletzung, den Schaden und die Ursächlichkeit der Pflichtverletzung für den geltend gemachten Schaden darlegungs- und beweispflichtig.
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Nach allgemeinen Grundsätzen ist der Kläger auch bei einem Schadensersatzanspruch nach § 1826 BGB für den Schaden und die Ursächlichkeit der Pflichtverletzung für den geltend gemachten Schaden darlegungs- und beweispflichtig.
    
==Verarbeitung besonders schutzwürdiger Daten==
 
==Verarbeitung besonders schutzwürdiger Daten==
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===Anwendung bei Betreuern===
 
===Anwendung bei Betreuern===
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Was die Verarbeitung solcher Daten betrifft, so geht der derzeitige Diskussionsstand davon aus, dass das Betreuungsrecht in den §§ 1896 ff BGB als Recht des Sozialschutzes nach Art. 9 Abs. 2 Nr. b DSGVO einzuordnen ist und daher die Verwendung zulässig ist ohne dass es dafür der Einwilligung des Betreuten bedarf. Dies betrifft z.B. die Beantragung von Sozialleistungen und die sozialrechtliche Mitwirkungspflicht (§ 60 SGB I), ebenso die persönliche Arbeitslosmeldung für den erkrankten Betreuten (§ 145 SGB III).
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Was die Verarbeitung solcher Daten betrifft, so geht der derzeitige Diskussionsstand davon aus, dass das Betreuungsrecht in den §§ 1814 ff BGB als Recht des Sozialschutzes nach Art. 9 Abs. 2 Nr. b DSGVO einzuordnen ist und daher die Verwendung zulässig ist ohne dass es dafür der Einwilligung des Betreuten bedarf. Dies betrifft z.B. die Beantragung von Sozialleistungen und die sozialrechtliche Mitwirkungspflicht (§ 60 SGB I), ebenso die persönliche Arbeitslosmeldung für den erkrankten Betreuten (§ 145 SGB III).
    
Bei der Einwilligung in medizinische Behandlungen ist (alternativ) davon auszugehen, dass diese stets lebenswichtigen Interessen des (einwilligungsunfähigen) Betreuten dienen und somit die Voraussetzung des Art. 9 Abs. 2 Nr. c DSGVO erfüllt sind.
 
Bei der Einwilligung in medizinische Behandlungen ist (alternativ) davon auszugehen, dass diese stets lebenswichtigen Interessen des (einwilligungsunfähigen) Betreuten dienen und somit die Voraussetzung des Art. 9 Abs. 2 Nr. c DSGVO erfüllt sind.
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Für [[Betreuungsbehörde]]n ist davon auszugehen, dass bei (normalen) personenbezogenen Daten die Voraussetzungen des Art. 6 Nr. c, d und e vorliegen:
 
Für [[Betreuungsbehörde]]n ist davon auszugehen, dass bei (normalen) personenbezogenen Daten die Voraussetzungen des Art. 6 Nr. c, d und e vorliegen:
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Ziffer c: die rechtliche Verpflichtung, der Betreuungsbehörden unterliegen, ist zum einen die Beratungs- und Unterstützungspflicht nach § 4 BtBG gegenüber Vollmachtgebern, Betreuern und Vollmachtnehmern, zum anderen die [[Betreuungsgerichtshilfe|Unterstützungspflicht]] ggü. dem [[Betreuungsgericht]] nach § 8 BtBG.
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Ziffer c: die rechtliche Verpflichtung, der Betreuungsbehörden unterliegen, ist zum einen die Beratungs- und Unterstützungspflicht nach § 5 BtOG gegenüber Vollmachtgebern, Betreuern und Vollmachtnehmern, zum anderen die [[Betreuungsgerichtshilfe|Unterstützungspflicht]] ggü. dem [[Betreuungsgericht]] nach §§ 11, 12 BtOG.
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Ziffer d: die Wahrung lebenswichtiger Interessen des Betroffenen erfolgt im Rahmen der Übermittlungsbefugnis der Behörde an das Gericht nach § 7 BtBG.
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Ziffer d: die Wahrung lebenswichtiger Interessen des Betroffenen erfolgt im Rahmen der Übermittlungsbefugnis der Behörde an das Gericht nach § 9!BtOG.
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Ziffer e: die Wahrnehmung von Aufgaben im öffentlichen Interesse ist ebenfalls in der Unterstützungspflicht der Betreuungsbehörde nach den in den §§ 4 und 8 BtBG genannten Bestimmungen zu sehen. Insbesondere geht es um die Wahrung von Rechten von Personen, die im Sinne des § 1896 Abs. 2 BGB ihre Angelegenheiten nicht selbst erledigen können.
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Ziffer e: die Wahrnehmung von Aufgaben im öffentlichen Interesse ist ebenfalls in der Unterstützungspflicht der Betreuungsbehörde nach den in den §§ 11, 12 BtOG genannten Bestimmungen zu sehen. Insbesondere geht es um die Wahrung von Rechten von Personen, die im Sinne des § 1814 Abs. 3 BGB ihre Angelegenheiten nicht selbst erledigen können.
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Für besondere Daten im Sinne des Art. 9 EU DSGVO ist jeweils im Einzelfall zu prüfen, ob eine Einwilligung des Betroffenen einzuholen möglich ist oder ob die anderen in Art. 9 EU DSGVO genannten Voraussetzungen erfüllt sind. Eine (noch zu schaffende) spezialgesetzliche Regelung im BtBG würde helfen, diese Unsicherheit zu beheben.
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Für besondere Daten im Sinne des Art. 9 EU DSGVO ist jeweils im Einzelfall zu prüfen, ob eine Einwilligung des Betroffenen einzuholen möglich ist oder ob die anderen in Art. 9 EU DSGVO genannten Voraussetzungen erfüllt sind.
    
===Dauer der Verarbeitung bei Betreuungsbehörden===
 
===Dauer der Verarbeitung bei Betreuungsbehörden===
Für die Dauer der Datenspeicherung bei der Betreuungsbehörde (insbesondere bei Daten im  Zusammenhang mit gerichtlichen Betreuungsverfahren, also bei Fällen des § 8 BtBG):
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Für die Dauer der Datenspeicherung bei der Betreuungsbehörde (insbesondere bei Daten im  Zusammenhang mit gerichtlichen Betreuungsverfahren, also bei Fällen des § 11 BtOG):
    
Ein gerichtliches Betreuungsverfahren „endet“ nicht mit der Betreuerbestellung, sondern nur durch folgende Umstände:
 
Ein gerichtliches Betreuungsverfahren „endet“ nicht mit der Betreuerbestellung, sondern nur durch folgende Umstände:
 
* „Auslaufen“ bei einstweiliger Anordnung (nach 6/12 Monaten, § 302 FamFG)
 
* „Auslaufen“ bei einstweiliger Anordnung (nach 6/12 Monaten, § 302 FamFG)
 
* Ablehnung einer Betreuerbestellung (wegen fehlender Notwendigkeit, fehlender Einwilligung des  Betroffenen oder Unbetreubarkeit)
 
* Ablehnung einer Betreuerbestellung (wegen fehlender Notwendigkeit, fehlender Einwilligung des  Betroffenen oder Unbetreubarkeit)
* Aufhebung einer Betreuung, § 1908d BGB (auch bei Wegfall der dt. Zuständigkeit, z.B Wegzug ins Ausland)
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* Aufhebung einer Betreuung, § 1871 BGB (auch bei Wegfall der dt. Zuständigkeit, z.B Wegzug ins Ausland)
 
* Tod des Betreuten
 
* Tod des Betreuten
 
* sowie aus Sicht der konkret zuständigen Behörde die Abgabe an eine andere Betreuungsbehörde im Sinne des § 3 BtBG.
 
* sowie aus Sicht der konkret zuständigen Behörde die Abgabe an eine andere Betreuungsbehörde im Sinne des § 3 BtBG.
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Da während einer Betreuung ständig mit Beteiligungen der Betreuungsbehörde zu rechnen ist, ist die Auffassung vertretbar, dass die Daten während der Gesamtdauer von [[Betreuungsverfahren]] gespeichert bleiben dürfen. Es handelt sich danach nicht um unzulässige "Vorratsdatenspeicherung", da währenddessen:
 
Da während einer Betreuung ständig mit Beteiligungen der Betreuungsbehörde zu rechnen ist, ist die Auffassung vertretbar, dass die Daten während der Gesamtdauer von [[Betreuungsverfahren]] gespeichert bleiben dürfen. Es handelt sich danach nicht um unzulässige "Vorratsdatenspeicherung", da währenddessen:
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*die Behörde dem Betreuer zur [[Beratung]] und Unterstützung verpflichtet ist (§ 4 Abs. 3 BtBG, siehe auch § 1802 Abs. 2 BGB, § 326 FamFG)
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*die Behörde dem Betreuer zur [[Beratung]] und Unterstützung verpflichtet ist (§ 5 BtOG, siehe auch § 1835 Abs. 3 BGB, § 326 FamFG)
 
*die Behörde in weiteren Verfahren innerhalb der Betreuung (und Unterbringung) zu beteiligen ist, z.B. [[Aufgabenkreis]]erweiterungen und -einschränkungen, [[Betreuerwechsel]], [[Sterilisation]]en, Freiheitsentziehungen, vgl. §§ 293 ff FamFG, § 315 FamFG
 
*die Behörde in weiteren Verfahren innerhalb der Betreuung (und Unterbringung) zu beteiligen ist, z.B. [[Aufgabenkreis]]erweiterungen und -einschränkungen, [[Betreuerwechsel]], [[Sterilisation]]en, Freiheitsentziehungen, vgl. §§ 293 ff FamFG, § 315 FamFG
 
*die Behörde vom Gericht anzuhören ist (§§ 274, 279, 320 FamFG)
 
*die Behörde vom Gericht anzuhören ist (§§ 274, 279, 320 FamFG)
 
*die Behörde [[Beschwerde]]rechte hat (§§ 303, 335 FamFG)
 
*die Behörde [[Beschwerde]]rechte hat (§§ 303, 335 FamFG)
*und eigenmächtig Sachverhalte in Betreuungssachen mitzuteilen hat (§ 7 BtBG).
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*und eigenmächtig Sachverhalte in Betreuungssachen mitzuteilen hat (§ 9 BtOG).
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Dazu gehört auch, dass Daten über die Betreuer im örtlichen Zuständigkeitsbereich so lange gespeichert bleiben dürfen, solange diese Betreuungen im Bereich der Behörde führen oder zusätzliche Betreuungen übernehmen wollen, siehe §§ 1897 Abs. 7, 8 BGB, § 8 BtBG, § 10 VBVG.
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Dazu gehört auch, dass Daten über die Betreuer im örtlichen Zuständigkeitsbereich so lange gespeichert bleiben dürfen, solange diese Betreuungen im Bereich der Behörde führen oder zusätzliche Betreuungen übernehmen wollen. Bei registrierten Berufsbetreuern solange die Registrierung im örtlichen Register geführt wird.
    
==Anwendung bei Betreuungsvereinen==
 
==Anwendung bei Betreuungsvereinen==
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Der Verein (also dessen gesetzlicher Vertreter: Vorstand bzw. Geschäftsführung) haben eigene Rechte und Pflichten und daher das Recht, Daten über die von ihren Mitarbeitern geführte Betreuungen zu speichern:
 
Der Verein (also dessen gesetzlicher Vertreter: Vorstand bzw. Geschäftsführung) haben eigene Rechte und Pflichten und daher das Recht, Daten über die von ihren Mitarbeitern geführte Betreuungen zu speichern:
   −
*Zustimmung zur Betreuungsübernahme durch Mitarbeiter, § 1897 Abs. 2 BGB
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*Zustimmung zur Betreuungsübernahme durch Mitarbeiter, § 1819 Abs. 3 BGB
*Antrag auf Entlassung von Vereinsmitarbeitern als Betreuer, § 1908b Abs. 4 BGB
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*Antrag auf Entlassung von Vereinsmitarbeitern als Betreuer, § 1868 Abs. 6 BGB
 
*Anspruch auf Betreuervergütung für die von den Mitarbeitern geführten Betreuungen, § 7 VBVG
 
*Anspruch auf Betreuervergütung für die von den Mitarbeitern geführten Betreuungen, § 7 VBVG
*Pflicht zur Beaufsichtigung der Vereinsmitarbeiter, § 1908f BGB
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*Pflicht zur Beaufsichtigung der Vereinsmitarbeiter, § 14 BtOG.
    
==Anwendung bei Bevollmächtigten==
 
==Anwendung bei Bevollmächtigten==
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Ein beruflich tätiger [[Verfahrenspfleger]] wird ebenfalls unter den Anwendungsbereich der EU-DSGVO fallen, ergänzend unter die Bestimmungen des BDSG. Der Verfahrenspfleger ist Verfahrensbeteiligter in [[Betreuungsverfahren]] (§ 274 Abs. 2 FamFG) und in [[Unterbringungsverfahren]] (§ 315 Abs. 2 FamFG) und hat daher auch Akteneinsichtsrechte nach § 13 Abs. 1 FamFG. Er ist nach der Rechtsprechung des BGH zu Anhörungen mit dem Betreuten hinzu zu ziehen.  
 
Ein beruflich tätiger [[Verfahrenspfleger]] wird ebenfalls unter den Anwendungsbereich der EU-DSGVO fallen, ergänzend unter die Bestimmungen des BDSG. Der Verfahrenspfleger ist Verfahrensbeteiligter in [[Betreuungsverfahren]] (§ 274 Abs. 2 FamFG) und in [[Unterbringungsverfahren]] (§ 315 Abs. 2 FamFG) und hat daher auch Akteneinsichtsrechte nach § 13 Abs. 1 FamFG. Er ist nach der Rechtsprechung des BGH zu Anhörungen mit dem Betreuten hinzu zu ziehen.  
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Die Datenverarbeitung dürfte sich auf die Zwecke zu beschränken haben, die Gegenstand der Verfahrenspflegerbestellung sind. Handelt es sich um die Betreuung insgesamt (deren Einrichtung oder Aufhebung) oder nur um einzelne Fragen (z.B. eine [[Genehmigungen|betreuungsgerichtliche Genehmigung]] eines bestimmten Rechtsgeschäftes oder einer Einwilligung). Mit seinen Stellungnahmen dürfte der Verfahrenspfleger stets gesetzliche Pflichten (Art. 6 Ziffer. c und e DSGVO) erfüllen und bei besonderen Kategorien (z.B. Einwilligung in Behandlungen nach § 1904 BGB) stets lebenswichtige Interessen des Betreuten wahrnehmen (Art 6 Ziffer. d, Art 9 Abs. 2 Ziffer. c DSGVO).  
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Die Datenverarbeitung dürfte sich auf die Zwecke zu beschränken haben, die Gegenstand der Verfahrenspflegerbestellung sind. Handelt es sich um die Betreuung insgesamt (deren Einrichtung oder Aufhebung) oder nur um einzelne Fragen (z.B. eine [[Genehmigungen|betreuungsgerichtliche Genehmigung]] eines bestimmten Rechtsgeschäftes oder einer Einwilligung). Mit seinen Stellungnahmen dürfte der Verfahrenspfleger stets gesetzliche Pflichten (Art. 6 Ziffer. c und e DSGVO) erfüllen und bei besonderen Kategorien (z.B. Einwilligung in Behandlungen nach § 1829 BGB) stets lebenswichtige Interessen des Betreuten wahrnehmen (Art 6 Ziffer. d, Art 9 Abs. 2 Ziffer. c DSGVO).  
    
Eine Einwilligung des Betroffenen gegenüber dem Verfahrenspfleger ist daher nicht nötig. Die Daten sind so lange vorzuhalten, bis das jeweilige Verfahren beendet ist (§ 276 Abs. 5 FamFG).
 
Eine Einwilligung des Betroffenen gegenüber dem Verfahrenspfleger ist daher nicht nötig. Die Daten sind so lange vorzuhalten, bis das jeweilige Verfahren beendet ist (§ 276 Abs. 5 FamFG).
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Nur mit dem Aufga­ben­kreis [[Gesund­heitssorge]] darf einem Betreuer ein medi­zi­ni­sches Gutachten übermit­telt werden. Die Übermitt­lung eines Pfle­ge­gut­ach­tens des MDK an einen Betreuer ohne diesen Aufga­ben­kreis stellt eine Sozi­al­da­ten­schutz­ver­let­zung dar. Weder das MDK-Gutachten noch die Namen der Pfle­ge­per­sonen stünden im direkten Zusam­men­hang mit Wohnungs- oder Vermögens­an­ge­le­gen­heiten. Soweit diese Daten Auswir­kungen auf die Höhe des Pfle­ge­geldes hätten, wirkten sie sich zwar mittelbar in Vermögens­be­reich aus, würden aber dadurch nicht selbst zu Daten aus diesem Bereich, so das LSG auf die Klage des betreuten Menschen, den Daten­schutz­verstoß festzustellen. Betreuer mit einer unzu­rei­chenden Aufga­ben­kreis­aus­stat­tung kommen also nicht umhin, Aufga­ben­krei­ser­wei­te­rungen anzu­regen (Meldung von bt-direkt).
 
Nur mit dem Aufga­ben­kreis [[Gesund­heitssorge]] darf einem Betreuer ein medi­zi­ni­sches Gutachten übermit­telt werden. Die Übermitt­lung eines Pfle­ge­gut­ach­tens des MDK an einen Betreuer ohne diesen Aufga­ben­kreis stellt eine Sozi­al­da­ten­schutz­ver­let­zung dar. Weder das MDK-Gutachten noch die Namen der Pfle­ge­per­sonen stünden im direkten Zusam­men­hang mit Wohnungs- oder Vermögens­an­ge­le­gen­heiten. Soweit diese Daten Auswir­kungen auf die Höhe des Pfle­ge­geldes hätten, wirkten sie sich zwar mittelbar in Vermögens­be­reich aus, würden aber dadurch nicht selbst zu Daten aus diesem Bereich, so das LSG auf die Klage des betreuten Menschen, den Daten­schutz­verstoß festzustellen. Betreuer mit einer unzu­rei­chenden Aufga­ben­kreis­aus­stat­tung kommen also nicht umhin, Aufga­ben­krei­ser­wei­te­rungen anzu­regen (Meldung von bt-direkt).
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'''SG Frankfurt/Main, 27.09.2013 - S 30 SO 138/11'''
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'''SG Frankfurt/Main, 27.09.2013 - S 30 SO 138/11''', BtPrax 2014, 34
    
Die Kenntnis der [[Betreuungsbehörde]] von einer Notlage ist dem Sozialhilfeträger im Sinne des § 18 SGB XII zuzurechnen. Der Datenschutz steht dem nicht entgegen.
 
Die Kenntnis der [[Betreuungsbehörde]] von einer Notlage ist dem Sozialhilfeträger im Sinne des § 18 SGB XII zuzurechnen. Der Datenschutz steht dem nicht entgegen.
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Gehören die ersuchende Staatsanwaltschaft und die ersuchte Justizbehörde (hier: Betreuungsgericht) zu demselben Hoheitsträger, kann die Staatsanwaltschaft eine gerichtliche Entscheidung nach § 23 EGGVG gegen die Versagung einer Akteneinsicht jedenfalls dann nicht herbeiführen, wenn beide Justizbehörden einer gemeinsamen Entscheidungsspitze unterstehen und sich die ersuchende Behörde nicht auf eigene Rechte berufen kann.
 
Gehören die ersuchende Staatsanwaltschaft und die ersuchte Justizbehörde (hier: Betreuungsgericht) zu demselben Hoheitsträger, kann die Staatsanwaltschaft eine gerichtliche Entscheidung nach § 23 EGGVG gegen die Versagung einer Akteneinsicht jedenfalls dann nicht herbeiführen, wenn beide Justizbehörden einer gemeinsamen Entscheidungsspitze unterstehen und sich die ersuchende Behörde nicht auf eigene Rechte berufen kann.
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'''OLG Dresden, Beschluss vom 04.12.2020, 22 WF 872/20
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'''OLG Dresden, Beschluss vom 04.12.2020, 22 WF 872/20''', FamRZ 2021, 772
 
   
 
   
 
# Eine Beschwerde ist unzulässig, wenn sie nicht in der Schriftform nach § 64 Abs. 2 Satz 1 FamFG erhoben wurde. Das E-Mail-to-Fax-Verfahren wahrt dabei nicht das Schriftformerfordernis.
 
# Eine Beschwerde ist unzulässig, wenn sie nicht in der Schriftform nach § 64 Abs. 2 Satz 1 FamFG erhoben wurde. Das E-Mail-to-Fax-Verfahren wahrt dabei nicht das Schriftformerfordernis.
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# Die ersuchte Justizbehörde ist jedoch gemäß Art. 5 Abs. 4 Satz 3 BayDSG verpflichtet, selbst in die Prüfung der materiellen Zulässigkeit der Übersendung des Jahresberichts einzutreten, wenn ein besonderer Prüfungsanlass gegeben ist.
 
# Die ersuchte Justizbehörde ist jedoch gemäß Art. 5 Abs. 4 Satz 3 BayDSG verpflichtet, selbst in die Prüfung der materiellen Zulässigkeit der Übersendung des Jahresberichts einzutreten, wenn ein besonderer Prüfungsanlass gegeben ist.
 
# Ein besonderer Prüfungsanlass in diesem Sinne besteht mit Blick auf die Sensibilität der im Jahresbericht üblicherweise enthaltenen Angaben, zu denen insbesondere Gesundheitsdaten zählen, regelmäßig bereits wegen des Gewichts eines mit der Übermittlung verbundenen Eingriffs in die Grundrechte der betroffenen Person auf Achtung des Privatlebens und auf Schutz personenbezogener Daten.
 
# Ein besonderer Prüfungsanlass in diesem Sinne besteht mit Blick auf die Sensibilität der im Jahresbericht üblicherweise enthaltenen Angaben, zu denen insbesondere Gesundheitsdaten zählen, regelmäßig bereits wegen des Gewichts eines mit der Übermittlung verbundenen Eingriffs in die Grundrechte der betroffenen Person auf Achtung des Privatlebens und auf Schutz personenbezogener Daten.
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'''AG Fulda, Gerichtsbescheid vom 27.01.2022, 1451 E'''
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Zur Ablehnung eines Amtshilfeersuchen der Staatsanwaltschaft betreffend der Übersendung eines psychiatrischen Sachverständigengutachtens aus einem geführten Betreuungsverfahren.
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'''BayObLG, Beschluss vom 02.06.2022, 102 VA 7/22'''
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Zur Befugnis der Justizverwaltung zur Übermittlung der Betreuungsakte oder einzelner Dokumente aus der Betreuungsakte an die Staatsanwaltschaft sowie an die zum Vollzug des Rechts der Heilberufe zuständige Behörde im Rahmen der Amtshilfe (Anschluss an Bayerisches Oberstes Landesgericht, Beschluss vom 27. Januar 2021 - 1 VA 37/20 und Bayerisches Oberstes Landgericht, Beschluss vom 6. August 2020 - 1 VA 33/20).
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'''OLG Zweibrücken, Beschluss vom 15.11.2022, 6 VA 6/22'''
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#Bei der Entscheidung über das Gesuch einer Staatsanwaltschaft auf Übersendung einer Betreuungsakte handelt es sich um einen im Verfahren nach §§ 23 ff. EGGVG überprüfbaren Justizverwaltungsakt.
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#Die Übermittlung der gerichtlichen Akten eines Betreuungsverfahrens auf Ersuchen einer Staatsanwaltschaft in einem bei ihr anhängigen strafrechtlichen Ermittlungsverfahren gegen die betreute Person im Wege der Amtshilfe setzt aufgrund des Gesetzesvorbehalts für Grundrechtseingriffe eine einfach-gesetzlichen Vorschrift für das Amtshilfeersuchen der Staatsanwaltschaft und für eine dem Ersuchen stattgebende Entscheidung des ersuchten Gerichts voraus.
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#Die Übermittlung einer Betreuungsakte im Rahmen der Amtshilfe an eine ersuchende Staatsanwaltschaft kommt mangels spezialgesetzlicher Bestimmungen nur im Rahmen der durch die maßgeblichen datenschutzrechtlichen Vorschriften gezogenen Grenzen in Betracht.
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#Die Verantwortung für die Zulässigkeit der Übermittlung trägt die ersuchende öffentliche Stelle, während der ersuchten Stelle regelmäßig die Prüfung zukommt, ob das Ersuchen im Rahmen der Aufgaben des Empfängers liegt, § 5 Abs. 1 S. 2, 3 LDSG-RLP.
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#Liegt ein besonderer Prüfungsanlass vor, ist die ersuchte Justizbehörde verpflichtet, eine eigene Prüfung der materiellen Zulässigkeit der Übersendung der angeforderten Akte vorzunehmen, § 5 Abs. 1 S. 4 LDSG-RLP.
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#Im Hinblick auf die Sensibilität der in Betreuungsakten in der Regel enthaltenen Daten ist ein derartiger besonderer Prüfungsanlass regelmäßig schon deshalb gegeben, weil mit der Aktenübermittlung ein gewichtiger Eingriff in die Grundrechte der betroffenen Person auf Achtung des Privatlebens und auf Schutz personenbezogener Daten einhergeht.
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'''LG Hannover, Beschluss vom 28.06.2022, 17 T 19/22''', ABl EU 2022, Nr. C 398, 11-12 (anhängig EuGH, Az: C-461/22)
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# Dem Gerichtshof der Europäischen Union wird gemäß Art. 267 Abs. 1, Abs. 2 AEUV folgende Frage vorgelegt:
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Ist der gesetzlich bestellte Betreuer, der diese Tätigkeit berufsmäßig ausübt, Verantwortlicher im Sinne von Art. 4 Nr. 7 der Verordnung (EU) 2016/679 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 27. April 2016 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten, zum freien Datenverkehr und zur Aufhebung der Richtlinie 95/46/EG (Datenschutz-Grundverordnung - DSGVO)?
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# Muss dieser Auskunft nach Art. 15 DSGVO erteilen?
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'''OLG Hamburg, Beschluss vom 08.08.2023, 2 VA 2/23'''
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Eine Datenübermittlung durch das nach § 8 Abs. 3 VBVG für die Vergütungseinstufung zuständige Amtsgericht an die Betreuungsbehörde wg. etwaigen Zweifeln an der Zuverlässigkeit des Betreuers erfolgt nicht nach Maßgabe des § 309a Abs. 2 FamFG sondern auf Grundlage des § 26 Abs. 4 BtOG.
    
==Siehe auch==
 
==Siehe auch==
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*ders.: Anmerkung zu AG Bochum, FamRZ 2019, 1183
 
*ders.: Anmerkung zu AG Bochum, FamRZ 2019, 1183
 
*Deinert: Rechtsfragen des Datenschutzes im Betreuungswesen; BtPrax 2019, 19
 
*Deinert: Rechtsfragen des Datenschutzes im Betreuungswesen; BtPrax 2019, 19
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*Engel: Angehörige und Vertrauenspersonen in der beruflich. Betreuungspraxis im Kontext von 3 1822nBGB nF; BtPrax 2022, 123
 
*Ernst: Anmerkung zu AG Gießen, Einwilligung eines Betreuten nach der DSGVO; jurisPR-ITR 18/2018 Anm. 2
 
*Ernst: Anmerkung zu AG Gießen, Einwilligung eines Betreuten nach der DSGVO; jurisPR-ITR 18/2018 Anm. 2
 
*Klie: Datenschutz in der Betreuungsbehörde; BtPrax 1998, 3
 
*Klie: Datenschutz in der Betreuungsbehörde; BtPrax 1998, 3
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*Walther: Praxisprobleme im Datenschutz; in: Brucker aaO. S. 83
 
*Walther: Praxisprobleme im Datenschutz; in: Brucker aaO. S. 83
 
*Walther: Betreuungsbehörde und Datenschutz; BtPrax 2016, 167
 
*Walther: Betreuungsbehörde und Datenschutz; BtPrax 2016, 167
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*Walther: Der elektronische Rechtsverkehr im Betreuungsrecht: BtPrax 2022, 81
 
*Weber: Auswirkungen der DS-GVO für Berufsbetreuer und Sachverständige in Kindschaftssachen; NZFam 2018, 865
 
*Weber: Auswirkungen der DS-GVO für Berufsbetreuer und Sachverständige in Kindschaftssachen; NZFam 2018, 865
    
[[Kategorie:Betreuerpflichten]]
 
[[Kategorie:Betreuerpflichten]]

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