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==Siehe auch== | ==Siehe auch== |
Version vom 17. Oktober 2012, 12:53 Uhr
Betreuungszahlen 2005 - 2011
Gesamtübersichten:
- Betreuungsstatistik 2009 (PDF und Excel-Tabellen)
- Betreuungsstatistik 2008 incl. Förderung von Vereinen (PDF)
- Betreuungsstatistik für 2006 und 2007 incl. Förderung von Betreuungsvereinen 2003-07 (PDF)
- Betreuungsstatistik 2005 (PDF)
- Originalzahlen des BfJ von 1992 - 2011), PDF
- Statistik des zentralen Vorsorgeregisters
Gesamtzahlen (2011)
Die Zahl der Betreuungsverfahren ist zum Ende des Jahres 2011 auf 1.319.361 und somit um 0,40 % (= 5.310 Personen) angestiegen. Damit ist der Anstieg der Verfahren weit geringer als in den Vorjahren (2009: 1,43 %, 2010: 1,75 %). Da auch die zum Jahresende noch nicht rechtskräftig beendeten Verfahren gezählt werden, können sich kleinere Diskrepanzen zur Zahl der tatsächlich am Jahresende angeordneten Betreuungen ergeben . Ebenfalls nicht erfasst sind Betreuungsverfahren, die während eines laufenden Kalenderjahres neu begonnen wurden und am Ende des gleichen Jahres nicht mehr fortbestehen.
Zugleich sind sowohl die Registrierungen von Vorsorgevollmachten als auch die von Bevollmächtigten gestellten Genehmigungsanträge weiter angestiegen. Die Zahl der beim zentralen Vorsorgeregister der Bundesnotarkammer registrierten Vorsorgevollmachten stieg im Jahr 2011 von 1.230.059 auf 1.520.848 und somit um 23,6 % an, weit stärker als im Jahr zuvor. Bis zum 30.6.2012 erhöhte sich die Zahl der Registrierungen auf 1.606.889. In rund Dreiviertel der 2011 erfolgten Neueintragungen (bei 219.119 von 290.789 Fällen) waren auch Hinweise auf Patientenverfügungen (§ 1901a BGB) enthalten.
Erstbestellungen zum Betreuer
Bei den Erstbestellungen von Betreuern ist 2011 ein Rückgang von ca. 3 % gegenüber dem Vorjahr zu verzeichnen (2011: 243.644; 2010: 251.030). Auch hat sich der Rückgang des Anteils der ehrenamtlichen Betreuungen weiter fortgesetzt. Der Gesamtanteil für ehrenamtliche Betreuer lag bei 62,17 % (2010: 63,72 %, 2009: 64,9 %), wobei der Anteil der nicht familienangehörigen Ehrenamtler weiter minimal anstieg (Anteil an der Gesamtzahl 2011: 5,58 %, 2010: 5,53 %; 2009: 5,49 %).
Bei den beruflichen Betreuungen (2011 insgesamt 37,83 %, 2010 36,28 %; 2009 35,1 %) sank der Anteil der Vereinsbetreuungen nach kleinem Anstieg in den Vorjahren (2011: 5,85 % 2010: 6,18 %; Vorjahr 5,79 %. Der Behördenbetreueranteil sank wiederum (2011: 0,32 %, 2010: 0,38 %; 2009: 0,46 %) . Selbstständige Berufsbetreuer wurden 2011 zu 31,67 % (2010: 29,71 %, 2009: 28,81 %) bestellt. Der Anteil der nichtanwaltlichen Berufsbetreuer betrug dabei 25,31 % (2010: 23,89 %, 2009: 23,4 %). Anwälte als Berufsbetreuer wurden zu 6,36 % (2010: 5,82 %, 2009: 5,4 %) bestellt.
Im Jahre 2005 waren nach dem Zwischenbericht 2007 des Kölner ISG:
- 26,5 % der von Berufsbetreuern betreuten Personen im Alter von 18 – 39 Jahren,
- 47,0 % im Alter von 40 – 69 Jahren sowie
- 26,5 % 70 Jahre und älter.
Nach dem Zwischenbericht 2007 des Kölner ISG waren folgende medizinische Diagnosen Grundlagen die Bestellung beruflicher Betreuer im Jahre 2005:
- 6,9 % Körperliche Behinderung
- 19,9 % Demenz
- 16,7 % Sucht
- 33,4 % sonstige psychische Krankheit
- 15,9 % geistige Behinderung
- 19,7 % Mischbild Krankheit und Behinderung
Betreuerwechsel
Bei Betreuerwechseln ergab sich gegenüber dem Vorjahr ein Anstieg um rund 8 % (2011 insgesamt 43.217; 2010: 40.026; 2009: 38.796). Auch waren die Betreueranteile erneut höchst unterschiedlich gegenüber den Erstbestellungen. Familienangehörige wurden zu 21,6 % (2010: 24,27 %, 2009: 24,71 %) bestellt, sonstige Ehrenamtler zu 13,58 % (2010: 13,65 %, 2009: 13,88 %).
Die Bestellung selbstständiger Berufsbetreuer (inkl. Anwälte) erfolgte zu 46,43 % (2010: 45,01 %, 2009: 43,15 %), Vereinsmitarbeiter wurden zu 17,85 % (2010: 16,60 %, 2009: 16,65 %), Behördenmitarbeiter zu 0,54 % (2010: 0,46 %, 2009: 1,61 %) bestellt . In 5.812 Fällen (2010: 5.509, 2009: 4.936) Fällen erfolgte ein Wechsel von beruflicher zu ehrenamtlicher Betreuung (entspricht 13,45 %, 2010: 13,76 %, 2009: 12,72 %) . Gegenüber dem Vorjahr stieg die Zahl beim Wechsel vom Berufsbetreuer zum Ehrenamtler um 5,5 %.
Verfahrenspfleger
Die Bestellung von Verfahrenspflegern sank nach der erheblichen Seigerung im Jahre 2010 wieder um 3,76 % (Gesamtzahl 2011: 124.623, 2010: 129.491; 2009: 113.104), erreichte aber dennoch den zweithöchsten Wert seit Einführung des Betreuungsrechtes. 2011 wurden in 61,49 % (2010: 61,12 % 2009: 67,25 %) der Fälle Anwälte als Verfahrenspfleger bestellt, in 38,51 % (2010: 38,88 % , 2009: 32,75 %) andere beruflich tätige Personen . Ehrenamtliche Verfahrenspflegerbestellungen wurden statistisch nicht erfasst.
Einwilligungsvorbehalte
Einwilligungsvorbehalte (§ 1903 BGB) wurden 14.207 mal angeordnet (2010: 14.860, 2009: 14.132). Gegenüber dem Vorjahr war dies ein Rückgang um 4,39 %. Die Quote von Einwilligungsvorbehalten in Relation zu Erstbestellungen lag im regionalen Vergleich 2011 zwischen 1,2 % [Bremen] und 10,35 % [Brandenburg] (Vorjahr 3,4 % [Bayern] und 9,48 [Brandenburg]. Der Mittelwert lag 2010 bei 5,83 % (2010: 5,92 %, 2009: 5,64 %).
Heilbehandlungen
Die Zahl der genehmigten Maßnahmen nach § 1904 BGB (gefährliche Heilmaßnahmen) im Bereich der Gesundheitssorge sank 2011 erheblich gegenüber den Vorjahren. Sie betrug 2011 2.137 (2010: 3.374, 2009 3.383) und lag damit um rund 36,7 % unter dem Vorjahr. Statistisch wird auch weiterhin nicht erfasst, ob es sich um Genehmigungen nach § 1904 Abs. 1 BGB (gefährliche Behandlungen) oder nach Abs. 2 (Beendigung bzw. Nichteinleitung lebenserhaltender Maßnahmen) handelt. Im Jahre 2011 waren von den Genehmigungsverfahren nach § 1904 BGB 465 = 19,96 % (Vorjahr 513 = 14,24 % nicht von Betreuern, sondern von Bevollmächtigten initiiert worden.
Quelle: Bundesamt für Justiz; Sondererhebung Verfahren nach dem Betreuungsgesetz 1992 - 2009 (Zahlen 2000 - 2007 ohne Hamburg), Grafik: Deinert
Einige weitere Zahlen:
Sterilisationsgenehmigungen (§ 1905 BGB) erfolgten 41 mal (2010: 38).
Bei Freiheitsentziehenden Maßnahmen ist ein unterschiedlicher Trend festzustellen. Sie wurden wie folgt genehmigt
- Genehmigungen nach § 1906 Abs. 1 BGB
Freiheitsentziehende Maßnahmen wurden 57.116 mal (2010: 55.366, 2009: 54.131) genehmigt. Gegenüber dem Vorjahr war das ein Anstieg um 3,16 %. 2011 gingen die Unterbringungsverfahren in 9.064 Fällen (2010: 8.051 Fälle =14,07 %, 2009: 6.952 = 12,81 %) auf Anträge von Bevollmächtigten zurück Die Unterbringungsquote je 10.000 Einwohner lag 2011 wie 2010 zwischen 1,66 (2009 1,59, jeweils Thüringen) und 13,38 (2010: 13,42, 2009: 13,59; jeweils Bayern). Mittelwert war 6,98 (2010: 6,77, 2009: 6,62).
- Genehmigungen nach § 1906 Abs. 4 BGB
Unterbringungsähnliche Maßnahmen , wie Fixierungen und Bettgitter wurden im Jahre 2011 89.074 mal genehmigt (2010: 98.119, 2009: 96.062). Dies ist ein Rückgang von 9,2 % ggü. dem Vorjahr. Möglicherweise machen sich Projekte zur Reduzierung von Fixierungsmaßnahmen damit erstmalig statistisch bemerkbar.
Im Jahr 2011 gingen die unterbringungsähnlichen Maßnahmen in 29.694 Fällen = 30,68 (2010: 29.416 Fälle = 27,75 %, 2009: 23.676 = 24,65 %) auf Anträge von Bevollmächtigten zurück. Der Rückgang der Gesamtmaßnahmen ist daher ausschließlich auf geringere Anträge von Betreuern zurück zu führen.
Betreuungsvereine
Die Zahl der anerkannten Betreuungsvereine stieg auf 826 (gegenüber 814 im Jahre 2010). Durch Landesmittel gefördert wurden 614 Vereine (2010: 641, 2009: 627) . Die Fördersumme betrug 2011 10,104 Mio. € (2010: 9,881, 2009: 9,909 Mio. €). Dies war bundesweit je 1000 Einwohner eine Summe von 123,46 (2010: 120,88, 2009: 121,14 €) . Es gibt erhebliche Unterschiede in den Bundesländern. Die kommunale Förderung konnte wegen der Unterschiedlichkeit der Modelle nicht verglichen werden.
Aufwendungsersatz und Vergütung
Die Ausgaben der Staatskasse für Aufwendungsersatz und Vergütungen der Betreuer und Verfahrenspfleger betrugen 2011 nach der Erhebung des BfJ 743,7 Mio. € (2010: 683,7 Mio. €, 2009: 688,4 Mio. €). Die Kosten stiegen damit nach einem kleinen Rückgang im Vorjahr erneut um 8,78 % . Innerhalb der Gesamtkosten sanken der Aufwendungsersatz (§ 1835 BGB) um 5,01 %; die Aufwandspauschalen für Ehrenamtler (§ 1835a BGB) stiegen um 4,08 %, die Pauschalvergütung für Berufsbetreuer (§ 5 VBVG) um 9,54 % und die Verfahrenspflegervergütungen um 6,56 %.
Siehe auch
Literatur
- Bienwald: Die betreute Republik. Zur übergroßen Zahl von Betreuungsfällen; BtPrax 2002,3
- Böhm: Warum bestellen die Gerichte so viele (oder so wenige) Betreuer; BtPrtax 1996, 86
- der Berufsbetreuer/innen: Situation und Perspektiven der Professionalisierung von Berufsbetreuern (bdb argumente Nr. 2), Hamburg 2004
- Coeppicus, Faszinierende Zahlen zum Betreuungsrecht, Rpfleger 2000,50 sowie
- ders.: Berichte aus der Praxis; in Einer trage des anderen Last, Tagungsdokumentation der Ev. Akademie Loccum; Rehburg-Loccum, 1999
- Crefeld: Von den wachsenden Bedürfnissen nach Betreuern in unserer Gesellschaft; in: Einer trage des anderen Last; Tagungsdokumentation der Ev. Akademie Loccum; Rehburg-Loccum, 1999
- Crefeld: Gesundheitsberichterstattung zur Anwendung des Unterbringungsrechts nach dem PsychKG NRW und dem Betreuungsrecht; FESA-Transfer-Beiträge, Band 12; Bochum 2005, ISSN 0948-2501
- Crefeld: Das durchschnittliche Risiko, betreut zu werden (PDF)
- Darsow-Schütte/Müller: Zahl der Einweisungen nach PsychKG in 10 Jahren verdoppelt. Nr. PsychPrax 28 / 2001 S. 226
- Deinert: Aktuelle Zahlen zur Praxis des Betreuungsrechtes, FamRZ 1998, 934.
- ders. Dokumentation Betreuungszahlen 2000; BtPrax 2002, 25
- ders.: Zur steigenden Zahl von Menschen unter rechtlicher Betreuung; Verbandszeitung des BdB 39/2002, S. 21
- ders.: Betreuungszahlen 2001; BtPrax 2002, 204
- ders.: Betreuungszahlen 2002; BtPrax 2003, 257
- ders.: Betreuungszahlen 2003; BtPrax 2004, 227
- ders.: Betreuungszahlen 2004; BtPrax 2006, 65
- ders.: Betreuungszahlen 2005; BtPrax 2007, 3
- ders.: Betreuungszahlen 2006/2007; BtPrax 2008, 251
- ders.: Betreuungszahlen 2008; BtPrax 2009, 273
- ders.: Betreuungszahlen 2009; BtPrax 6/2010
- Deutscher Bundestag: Bundestagsdrucksache 13/7133 vom 5.3.1997
- Dodegge: Warum bestellen die Gerichte so viele Betreuer? BtPrax 1996, 8
- Funk/Oberlander: Berufsbild und Qualitätssicherung in der Berufsbetreuung; Hamburg 2003
- Goers: Sind Betreuungsvereine bald Vergangenheit? Ergebnisse einer bundesweiten Befragung; BdB Aspekte 42/2002, 15
- Hoffmann/Tamayo Korte: Betreuungsrechtliche Praxis in Einrichtungen der stat. Altenhilfe; Stuttgart 2002
- Lüdecke: Rechtliche Betreuer – die neuen Preistreiber ? BtPrax 2003, 217
- Marschner: Zivilrechtliche und öffentlich-rechtliche Unterbringung; BtPrax 2006, 125
- Müller: Zum Recht und zur Praxis der betreuungsrechtlichen Unterbringung; BtPrax 2006, 123
- Müller P: Zwangseinweisungen nehmen zu. Dtsch Ärztebl 101, A 2794 – 2798 (Heft 2004, 42)
- Oberloskamp u.a.: Hauptamtliche Betreuer und Sachverständige; Köln 1992
- Rosenow: Warum es jedes Jahr mehr Betreuungen gibt, BtPrax 2002, 111
- Schloemer: Warum regen Krankenhäuser, Altenheime und soziale Diensteso viele Betreuungen an? BtPrax 1996, 12
- Sellin/Engels: Qualität, Aufgabenverteilung und Verfahrensaufwand bei rechtlicher Betreuung, Köln 2003
- Spengler A et al.: Zwangseinweisungen – bundesweite Basisdaten und Trends. Nervenarzt 76: Jg. 2005, S. 363
- VGT e.V.: Stellungnahme des VGT vom 24.2.04 zum Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Betreuungsrechts, Anlage 1; *Betrifft: Betreuung Nr. 7, S. 58; Recklinghausen 2004
- Weinbörner: Zur Vergabe einer rechtstatsächlichen Untersuchung zum Betreuungsrecht; BtPrax 2002, 22
- Zenz u.a.: Vormundschaft und Pflegschaft für Volljährige, Köln 1987
Weblinks
- Große Anfrage der Bundestagsfraktion der Grünen vom 30.6.2010 zur Praxis des Betreuungsrechtes, Bt-Drs. 17/2376
- Aktuelle Antwort der Landesregierung zur Betreuungssituation in NRW (Sept. 2009, PDF)
- Bericht des Rechnungshofes Baden-Württemberg zu den Betreuungskosten, Stand Mai 2009 (PDF)
- Offener Brief des Bundesverbandes der Berufsbetreuer zu obigem Bericht (PDF)
- Ausführliche Statistik bis 2005 mit grafischen Auswertungen; PDF
- Faktenübersicht des BdB
- Forschungsergebnisse der Düsseldorfer Akademie für öff. Gesundheitswesen
- Crefeld: Kommunale Gesundheitsberichterstattung über psychiatrische Unterbringungen (PDF)
- Brill: Mehr Hilfebedürftige? (PDF)
- Statistiken zur Pflegeversicherung