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| ==Kindschaftsrechtsreform und Betreuertätigkeit== | | ==Kindschaftsrechtsreform und Betreuertätigkeit== |
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− | Die Gesetzespakete zur Kindschaftsrechtsreform sind am 1.7.1998 in Kraft getreten (das Erbrechtsgleichstellungsgesetz bereits am 1.4.1998). | + | Die Gesetzespakete zur Kindschaftsrechtsreform sind am 01.07.1998 in Kraft getreten (das Erbrechtsgleichstellungsgesetz bereits am 01.04.1998). |
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| Schwerpunkte der Reform sind die Beendigung der Unterscheidung in die eheliche und nichteheliche Kindschaft, die Abschaffung der obligatorischen Amtspflegschaft des Jugendamtes zugunsten einer freiwilligen Beistandschaft sowie Änderungen im Abstammungs-, Unterhaltsrecht und im Recht der elterlichen Sorge. Die Betreuertätigkeit wird nicht unmittelbar durch die kindschaftsrechtlichen Neuregelungen betroffen, jedoch kann es vorkommen, daß ein unter Betreuung stehender Elternteil rechtsgeschäftliche Erklärungen für das Kind abzugeben verpflichtet oder berechtigt ist. Inwieweit hierbei ein Betreuer tangiert sein kann, und inwieweit sich dabei Änderungen durch das neue Kindschaftsrecht ergeben, soll im Nachfolgenden dargestellt werden. Der Vollständigkeit halber wird auch der Bereich mit dargestellt, der zwar keine inhaltlichen Veränderungen erfährt, aber durch die Gesetzesneufassung an anderer Stelle im BGB wiederzufinden ist. | | Schwerpunkte der Reform sind die Beendigung der Unterscheidung in die eheliche und nichteheliche Kindschaft, die Abschaffung der obligatorischen Amtspflegschaft des Jugendamtes zugunsten einer freiwilligen Beistandschaft sowie Änderungen im Abstammungs-, Unterhaltsrecht und im Recht der elterlichen Sorge. Die Betreuertätigkeit wird nicht unmittelbar durch die kindschaftsrechtlichen Neuregelungen betroffen, jedoch kann es vorkommen, daß ein unter Betreuung stehender Elternteil rechtsgeschäftliche Erklärungen für das Kind abzugeben verpflichtet oder berechtigt ist. Inwieweit hierbei ein Betreuer tangiert sein kann, und inwieweit sich dabei Änderungen durch das neue Kindschaftsrecht ergeben, soll im Nachfolgenden dargestellt werden. Der Vollständigkeit halber wird auch der Bereich mit dargestellt, der zwar keine inhaltlichen Veränderungen erfährt, aber durch die Gesetzesneufassung an anderer Stelle im BGB wiederzufinden ist. |
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| Insbesondere wäre es wohl eine Entscheidungshilfe für das Gericht, zu wissen, ob die Kindesmutter in der gesetzlichen Empfängniszeit (jetzt gem. § 1600 d Abs. 3 BGB 181 - 300 Tage vor der Geburt des Kindes) auch mit anderen Männern als dem Betreuten geschlechtlich verkehrt hat. In einem solchen Falle sollte es einer Vaterschaftsanerkennung durch den Betreuer nicht zustimmen, sondern einer gerichtlichen Vaterschaftsfeststellung (gem. § 1600 d Abs. 1 BGB), der ein wissenschaftlicher Beweis, ein Blutgruppengutachten, vorausgeht, den Vorzug geben. | | Insbesondere wäre es wohl eine Entscheidungshilfe für das Gericht, zu wissen, ob die Kindesmutter in der gesetzlichen Empfängniszeit (jetzt gem. § 1600 d Abs. 3 BGB 181 - 300 Tage vor der Geburt des Kindes) auch mit anderen Männern als dem Betreuten geschlechtlich verkehrt hat. In einem solchen Falle sollte es einer Vaterschaftsanerkennung durch den Betreuer nicht zustimmen, sondern einer gerichtlichen Vaterschaftsfeststellung (gem. § 1600 d Abs. 1 BGB), der ein wissenschaftlicher Beweis, ein Blutgruppengutachten, vorausgeht, den Vorzug geben. |
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− | Die Urkundsperson des Jugendamtes (bzw. der beurkundende Notar) hat sich anläßlich des Beurkundungsvorgangs nach § 11 des Beurkundungsgesetzes Gewißheit über die Geschäftsfähigkeit des Beteiligten zu verschaffen. Bestehen Zweifel, soll die Beurkundung abgelehnt werden. Die Prüfungspflichten werden jedoch nicht über eine überschlägige Prüfung hinausgehen, die im Zweifelsfall darauf hinausläuft, die zeitliche und räumliche Orientierung des Beurkundungswilligen abzuschätzen. Stellt die Urkundsperson fest, daß eine Betreuung besteht, sollte sie zumindest beim Betreuer dessen Einschätzung zur Geschäftsfähigkeit des Betreffenden erfragen. Wird von dem Beteiligten die Frage, ob eine Betreuung für ihn besteht, verneint, hat die Urkundsperson jedenfalls keine Pflicht, beim Vormundschaftsgericht nachzufragen. | + | Die Urkundsperson des Jugendamtes (bzw. der beurkundende Notar) hat sich anläßlich des Beurkundungsvorgangs nach § 11 BeurkG Gewißheit über die [[Geschäftsfähigkeit]] des Beteiligten zu verschaffen. Bestehen Zweifel, soll die Beurkundung abgelehnt werden. Die Prüfungspflichten werden jedoch nicht über eine überschlägige Prüfung hinausgehen, die im Zweifelsfall darauf hinausläuft, die zeitliche und räumliche Orientierung des Beurkundungswilligen abzuschätzen. Stellt die Urkundsperson fest, daß eine Betreuung besteht, sollte sie zumindest beim Betreuer dessen Einschätzung zur [[Geschäftsfähigkeit]] des Betreffenden erfragen. Wird von dem Beteiligten die Frage, ob eine Betreuung für ihn besteht, verneint, hat die Urkundsperson jedenfalls keine Pflicht, beim Vormundschaftsgericht nachzufragen. |
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| Bleibt der Standesbeamte übrig, der in jedem Beurkundungsfall die Prüfungspflicht hat, ob die abgegebenen Willenserklärungen rechtswirksam sind und bei Zweifeln eine Entscheidung des Amtsgerichtes (Zweifelsvorlage gem. § 45 PersStG) einholen kann. Selbiges geschieht in der Praxis ja bereits des öfteren anläßlich einer beabsichtigten Eheschließung betreuter Personen. | | Bleibt der Standesbeamte übrig, der in jedem Beurkundungsfall die Prüfungspflicht hat, ob die abgegebenen Willenserklärungen rechtswirksam sind und bei Zweifeln eine Entscheidung des Amtsgerichtes (Zweifelsvorlage gem. § 45 PersStG) einholen kann. Selbiges geschieht in der Praxis ja bereits des öfteren anläßlich einer beabsichtigten Eheschließung betreuter Personen. |
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| Ist die betreute Person [[Unterbringung|freiheitsentziehend untergebracht]] (§ 1906 BGB), sollte der Betreuer beim Familiengericht einen Antrag stellen, daß das Ruhen der elterlichen Sorge aus tatsächlichen Gründen (§ 1674 BGB) festgestellt wird (oder das Jugendamt dahingehend informieren, damit es selbst diese Schritte einleitet). | | Ist die betreute Person [[Unterbringung|freiheitsentziehend untergebracht]] (§ 1906 BGB), sollte der Betreuer beim Familiengericht einen Antrag stellen, daß das Ruhen der elterlichen Sorge aus tatsächlichen Gründen (§ 1674 BGB) festgestellt wird (oder das Jugendamt dahingehend informieren, damit es selbst diese Schritte einleitet). |
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− | Der Betreuer jedenfalls übt grundsätzlich keine elterliche Sorge stellvertretend für den unter Betreuung stehenden Elternteil aus. Stattdessen ist, wenn die Voraussetzungen der §§ 1666 oder 1673 bejaht werden, ein Vormund für das Kind zu bestellen (§ 1773 BGB), sofern nicht ein anderer Sorgerechtsinhaber vorhanden ist (z.B. der andere Elternteil). | + | Der Betreuer jedenfalls übt grundsätzlich keine elterliche Sorge stellvertretend für den unter Betreuung stehenden Elternteil aus. Stattdessen ist, wenn die Voraussetzungen der §§ 1666 oder 1673 BGB bejaht werden, ein Vormund für das Kind zu bestellen (§ 1773 BGB), sofern nicht ein anderer Sorgerechtsinhaber vorhanden ist (z.B. der andere Elternteil). |
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| Denkbar ist lediglich, dass ein Betreuer mit einem passenden Aufgabenkreis (z.B. Vertretung in familiengerichtlichen Verfahren) die Rechte des betreuten Elternteils in Bezug auf sein Sorgerecht geltend macht. Beispiel: es geht darum, dem Elternteil die elterliche Sorge zu entziehen oder deren Ruhen festzustellen oder Regelungen in Bezug um das Umgangsrecht zu treffen. Dieses sind Verfahren nach dem FGG. Hier ist eine Vertretung durch einen Betreuer zulässig, nicht bei der eigentlichen Ausübung der elterlichen Sorge. | | Denkbar ist lediglich, dass ein Betreuer mit einem passenden Aufgabenkreis (z.B. Vertretung in familiengerichtlichen Verfahren) die Rechte des betreuten Elternteils in Bezug auf sein Sorgerecht geltend macht. Beispiel: es geht darum, dem Elternteil die elterliche Sorge zu entziehen oder deren Ruhen festzustellen oder Regelungen in Bezug um das Umgangsrecht zu treffen. Dieses sind Verfahren nach dem FGG. Hier ist eine Vertretung durch einen Betreuer zulässig, nicht bei der eigentlichen Ausübung der elterlichen Sorge. |
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| ==Erbrecht gegenüber dem nichtehelichen Vater== | | ==Erbrecht gegenüber dem nichtehelichen Vater== |
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− | Zum Erbrecht des nichtehelichen Kindes, das vor dem 1.7.1949 geboren war, war in § 10 Abs. 2 des Gesetzes über die rechtliche Stellung der nichtehelichen Kinder geregelt worden, daß in diesem Fall kein Erbanspruch besteht. Durch das Erbrechtsgleichstellungsgesetz ist ein neuer § 10a eingefügt worden, wonach eine Vereinbarung zwischen Kind und Vater getroffen werden kann, wonach doch ein Erbanspruch besteht. Auch hier gilt: eine Stellvertretung durch einen Betreuer ist nicht zulässig; der Vertragsschluss, der notariell zu beglaubigen ist, ist ein höchstpersönlicher. Besteht ein [[Einwilligungsvorbehalt]] zur Vermögenssorge auf Seiten des Vaters oder des Kindes, so bedarf die Vereinbarung der Einwilligung eines Betreuers. Es ist dabei auch die [[Genehmigungspflichten|Genehmigung des Vormundschaftsgerichtes]] erforderlich. | + | Zum Erbrecht des nichtehelichen Kindes, das vor dem 01.07.1949 geboren war, war in § 10 Abs. 2 des Gesetzes über die rechtliche Stellung der nichtehelichen Kinder geregelt worden, daß in diesem Fall kein Erbanspruch besteht. Durch das Erbrechtsgleichstellungsgesetz ist ein neuer § 10a eingefügt worden, wonach eine Vereinbarung zwischen Kind und Vater getroffen werden kann, wonach doch ein Erbanspruch besteht. Auch hier gilt: eine Stellvertretung durch einen Betreuer ist nicht zulässig; der Vertragsschluss, der notariell zu beglaubigen ist, ist ein höchstpersönlicher. Besteht ein [[Einwilligungsvorbehalt]] zur Vermögenssorge auf Seiten des Vaters oder des Kindes, so bedarf die Vereinbarung der Einwilligung eines Betreuers. Es ist dabei auch die [[Genehmigungspflichten|Genehmigung des Vormundschaftsgerichtes]] erforderlich. |
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| ==Verfahrenspflegschaften "Anwalt des Kindes"== | | ==Verfahrenspflegschaften "Anwalt des Kindes"== |
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− | In gerichtlichen Verfahren soll das Kind künftig in bestimmten Fällen einen sogenannten "Anwalt des Kindes" zur Seite gestellt bekommen. Rechtlich handelt es sich hierbei um einen [[Verfahrenspfleger]], wie er schon in Betreuungs- und Unterbringungsverfahren (§§ 67, 70 b FGG, ab 1.9.209 §§ 276, 317 FamFG) bekannt ist. Die landläufiger Bezeichnung "Anwalt des Kindes" ist auch deshalb falsch, weil es durchaus kein Rechtsanwalt sein muß. | + | In gerichtlichen Verfahren soll das Kind künftig in bestimmten Fällen einen sogenannten "Anwalt des Kindes" zur Seite gestellt bekommen. Rechtlich handelt es sich hierbei um einen [[Verfahrenspfleger]], wie er schon in Betreuungs- und Unterbringungsverfahren (§§ 67, 70 b FGG, ab 1.9.2009 §§ 276, 317 FamFG) bekannt ist. Die landläufiger Bezeichnung "Anwalt des Kindes" ist auch deshalb falsch, weil es durchaus kein Rechtsanwalt sein muß. |
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− | Die Verfahrenspflegerbestellung in kindschaftsrechtlichen Verfahren soll nach § 50 FGG in der Regel erfolgen, wenn ein Interessensgegensatz zwischen dem Kind und seinen Sorgerechtigten (Eltern oder Vormund) besteht, ein Entzug der gesamten Personensorge droht (§ 1666 BGB) oder eine Wegnahme des Kindes aus dem Haushalt der Eltern oder eines Elternteils (§3 1666a, 1682 BGB) oder der Pflegefamilie (§ 1632 Abs. 4 BGB) zur Entscheidung ansteht. Ab 1.9.2009 heißt der Verfahrenspfleger in kindschaftlichen Verfahren "Verfahrensbeistand", § 158 FamFG. | + | Die Verfahrenspflegerbestellung in kindschaftsrechtlichen Verfahren soll nach § 50 FGG in der Regel erfolgen, wenn ein Interessensgegensatz zwischen dem Kind und seinen Sorgerechtigten (Eltern oder Vormund) besteht, ein Entzug der gesamten Personensorge droht (§ 1666 BGB) oder eine Wegnahme des Kindes aus dem Haushalt der Eltern oder eines Elternteils (§3 1666a, 1682 BGB) oder der Pflegefamilie (§ 1632 Abs. 4 BGB) zur Entscheidung ansteht. Ab 01.09.2009 heißt der Verfahrenspfleger in kindschaftlichen Verfahren "Verfahrensbeistand", § 158 FamFG. |
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| Für die Vergütung des Verfahrenspflegers sollen die Bestimmungen der §§ 1835 ff. BGB gelten, die Zahlung soll stets aus der Staatskasse erfolgen. Möglicherweise ist in diesem Bereich ein weiteres Betätigungsfeld für als [[Berufsbetreuer]] tätige Personen mit sozialpädagogischem Berufshintergrund zu sehen. Der Verfahrensbeistand eines Minderjährigen erhält ab 1.9.2009 eine Pauschalvergütung von 350 Euro bzw. 550 Euro (§ 158 Abs. 7 FamFG). | | Für die Vergütung des Verfahrenspflegers sollen die Bestimmungen der §§ 1835 ff. BGB gelten, die Zahlung soll stets aus der Staatskasse erfolgen. Möglicherweise ist in diesem Bereich ein weiteres Betätigungsfeld für als [[Berufsbetreuer]] tätige Personen mit sozialpädagogischem Berufshintergrund zu sehen. Der Verfahrensbeistand eines Minderjährigen erhält ab 1.9.2009 eine Pauschalvergütung von 350 Euro bzw. 550 Euro (§ 158 Abs. 7 FamFG). |