Anhörung: Unterschied zwischen den Versionen

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Die Anhörung im Gerichtsverfahren
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'''Diese Seite ist an die Rechtslage ab 1.1.2023 angepasst, Links überprüft'''
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==Die Anhörung im [[Betreuungsverfahren|Gerichtsverfahren]]==
 
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==Betroffener ist persönlich vom Vormundschaftsrichter anzuhören==
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==Betroffener ist persönlich vom [[Betreuungsrichter]] anzuhören==
  
Der Vormundschaftsrichter muss vor einer Entscheidung über die [[Betreuerbestellung|Bestellung eines Betreuers]] den Betroffenen – von wenigen Ausnahmefällen abgesehen – persönlich anhören und sich einen unmittelbaren Eindruck von ihm verschaffen. Dadurch soll sichergestellt werden, dass sich das Gericht hinreichend über die Persönlichkeit des Betroffenen informiert. Die Regelung findet sich in {{Zitat de §|68|fgg}} FGG.
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Der [[Betreuungsrichter]] muss vor einer Entscheidung über die [[Betreuerbestellung|Bestellung eines Betreuers]] den Betroffenen – von wenigen Ausnahmefällen abgesehen – persönlich anhören und sich einen unmittelbaren Eindruck von ihm verschaffen. Dadurch soll sichergestellt werden, dass sich das Gericht hinreichend über die Persönlichkeit des Betroffenen informiert. Die Regelung findet sich in § 278 FamFG iVm § 34 FamFG.
  
Die Anhörung soll in der üblichen Umgebung des Betroffenen stattfinden Den unmittelbaren Eindruck soll sich das Gericht in der üblichen Umgebung des Betroffenen verschaffen, wenn dieser es verlangt oder wenn es der Sachaufklärung dient. Gegen seinen Willen soll der Betroffene jedoch in seiner Privatsphäre nicht gestört werden. Widerspricht er daher einem Besuch des Vormundschaftsrichters, so findet die Anhörung im Gericht statt.
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Die Anhörung soll in der üblichen Umgebung des Betroffenen stattfinden Den unmittelbaren Eindruck soll sich das Gericht in der üblichen Umgebung des Betroffenen verschaffen, wenn dieser es verlangt oder wenn es der Sachaufklärung dient. Gegen seinen Willen soll der Betroffene jedoch in seiner Privatsphäre nicht gestört werden. Widerspricht er daher einem Besuch des Betreuungsrichters, so findet die Anhörung im Gericht statt.
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GGf. kann die Anhörung als Videokonferenz stattfinden (§ 32 Abs. 3 FamFG iVm § 128a ZPO). Das ist derzeit allerdings noch umstritten, weil eine BVerfG-Entscheidung dem entgegensteht (BVerfG NJW 2006).
  
 
==Weitere Anwesende==
 
==Weitere Anwesende==
Soweit ein [[Verfahrenspfleger]] ({{Zitat de §|678|fgg}} FGG) bestellt ist, soll die Anhörung in dessen Gegenwart durchgeführt werden. Das Gericht kann auch bereits in dieser Phase des Verfahrens einen Sachverständigen hinzuziehen. Auf Wunsch des Betroffenen kann eine Person seines Vertrauens an der Anhörung teilnehmen. Weiteren Personen kann das Gericht die Anwesenheit gestatten, jedoch nicht gegen den Willen des Betroffenen. Häufig handelt es sich bei diesen Personen um Mitarbeiter der [[Betreuungsbehörde]] oder den möglichen Betreuer, damit der Betroffene die Gelegenheit erhält, von diesem einen ersten Eindruck zu erhalten.
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Soweit ein [[Verfahrenspfleger]], § 276 FamFG, bestellt ist, soll die Anhörung in dessen Gegenwart durchgeführt werden. Das Gericht kann auch bereits in dieser Phase des Verfahrens einen [[Sachverständigengutachten|Sachverständigen]]  hinzuziehen. Auf Wunsch des Betroffenen kann eine [[Vertrauensperson|Person seines Vertrauens]] an der Anhörung teilnehmen.  
  
==Betroffener kann zur Anhörung vorgeführt werden==
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Weiteren Personen kann das Gericht die Anwesenheit gestatten, jedoch nicht gegen den Willen des Betroffenen. Häufig handelt es sich bei diesen Personen um Mitarbeiter der [[Betreuungsbehörde]] oder den möglichen Betreuer, damit der Betroffene die Gelegenheit erhält, von diesem einen ersten Eindruck zu erhalten. Rechtsgrundlage: § 170 GVG. Ein Dolmetscher kann ebenfalls zugegen sein 185 GVG).
Sofern der Betroffene sich weigert, an der Anhörung teilzunehmen, hat die [[Betreuungsbehörde]] ihn auf Anweisung des Gerichtes zur persönlichen Anhörung ({{Zitat de §|68|fgg}} Abs. 3 FGG) und zur Untersuchung durch den [[Sachverständigengutachten|Sachverständigen]] ({{Zitat de §|68b|fgg}} Abs. 3 FGG) [[Vorführung|vorzuführen]].
 
  
Die zwangsweise Vorführung von Betroffenen zu Anhörungen und Untersuchungen stellt einen schweren Eingriff in die Persönlichkeitsrechte der Betroffenen dar (Artikel 2 Grundgesetz). Daher muss der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit hier besonders streng beachtet werden.
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Rechtsprechung dazu:
  
Da die Maßnahmen dem Wohl des Betroffenen dienen sollen, muss Schaden, der erst durch die Vorführung entstehen kann, unbedingt vermieden werden. Durch die zwangsweise Vorführung können beim Betroffenen Verhaltensweisen entstehen oder sich derart verstärken, dass diese erst die Betreuung erforderlich erscheinen lassen. Der Vormundschaftsrichter sollte Vorführungen daher nur im Ausnahmefall anordnen.
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'''BGH, Beschluss vom 24. April 2024 - XII ZB 531/23'''
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Einem nicht anwaltlichen Verfahrensbevollmächtigten, der nicht durch Beschluss nach § 10 Abs. 3 Satz 1 FamFG zurückgewiesen worden ist, ist Gelegenheit zu geben, an der Anhörung des Betroffenen teilzunehmen.
  
==Anhörung kann ausnahmsweise unterbleiben==
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==Betroffener kann zur Anhörung vorgeführt werden==
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Sofern der Betroffene sich weigert, an der Anhörung teilzunehmen, hat die [[Betreuungsbehörde]] ihn auf Anweisung des Gerichtes zur persönlichen Anhörung (§ 278 Abs. 5 FamFG) und zur Untersuchung durch den [[Sachverständigengutachten|Sachverständigen]] (§§ 283, 284 FamFG) [[Vorführung|vorzuführen]].
  
Dies ist möglich, wenn durch sie eine Gesundheitsgefahr beim Betroffenen droht oder der Betroffene zu einer Willensäußerung nicht im Stande ist. Beispielsfälle wären mit Verfolgungswahn einhergehende Erkrankungen oder komatöse Zustände. In solchen Fällen ist nach {{Zitat de §|67|fgg}} Abs. 1 FGG regelmäßig die Bestellung eines Verfahrenspflegers notwendig.
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Die zwangsweise Vorführung von Betroffenen zu Anhörungen und Untersuchungen stellt einen schweren Eingriff in die Persönlichkeitsrechte der Betroffenen dar (Art. 2 GG). Daher muss der [[Verhältnismäßigkeitsprinzip|Grundsatz der Verhältnismäßigkeit]] hier besonders streng beachtet werden.
  
==Ergebnis der Anhörung==
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Da die Maßnahmen dem Wohl des Betroffenen dienen sollen, muss Schaden, der erst durch die Vorführung entstehen kann, unbedingt vermieden werden. Durch die zwangsweise Vorführung können beim Betroffenen Verhaltensweisen entstehen oder sich derart verstärken, dass diese erst die Betreuung erforderlich erscheinen lassen. Der Betreuungsrichter sollte Vorführungen daher nur im Ausnahmefall anordnen.
Das Ergebnis der Anhörungen, das [[Sachverständigengutachten]] oder das ärztliche Zeugnis sowie die Person des Betreuers und dessen mögliche Aufgabenbereiche werden mit dem Betroffenen erörtert, soweit dies zur Gewährung des rechtlichen Gehörs oder zur Sachaufklärung notwendig ist (sog. Schlussgespräch). Das Schlussgespräch kann mit der persönlichen Anhörung des betroffenen Menschen verbunden werden.
 
  
Nach der [[Betreuerbestellung]] führt der [[Rechtspfleger]] mit dem Betreuer ein [[Einführungsgespräch]], in dem er auf seine Rechte und [[Betreuerpflichten|Pflichten]] hingewiesen wird ({{Zitat de §|69b|fgg}} FGG), ggf. gemeinsam mit dem Betreuten. Der Betreuer erhält bei dieser Gelegenheit auch einen [[Betreuerausweis]], mit dem er sich gegenüber Dritten ausweisen kann.
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==Anhörung kann ausnahmsweise unterbleiben==
  
Im Regelfall soll auch die [[Betreuungsbehörde]] beteiligt werden. Des weiteren soll auch Familienangehörigen Gelegenheit zur Äußerung gegeben werden ({{Zitat de §|68a|fgg}} FGG ), es sei denn, der Betroffene widerspricht dieser Anhörung.  
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Dies ist möglich, wenn durch sie eine Gesundheitsgefahr beim Betroffenen droht oder der Betroffene zu einer Willensäußerung nicht im Stande ist. Beispielsfälle wären mit Verfolgungswahn einhergehende Erkrankungen oder komatöse Zustände. In solchen Fällen ist nach § 276 Abs. 1 FamFG regelmäßig die Bestellung eines Verfahrenspflegers notwendig.
  
==Rechtsprechung==
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'''LG Mainz, Beschluss vom 10.05.2016, 8 T 43/16''':
 
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'''OLG Düsseldorf 25. ZS, Beschluss v. 12.6.1996 - 25 Wx 8/96; FamRZ 1996, 897''':
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Gemäß § 34 Abs. 3 FamFG kann über die Beschwerde des Betroffenen ohne dessen persönliche Anhörung entschieden werden, wenn dieser ordnungsgemäß sowie unter Hinweis auf die Folgen seines Ausbleibens geladen wurde und dennoch nicht erschienen ist, wenn das Gericht darüber hinaus vergeblich einen Versuch der Anhörung des Betroffenen ohne Zwang in dessen persönlicher Umgebung unternommen hat, und wenn eine Vorführung des Betroffenen nach § 278 Abs. 5 FamFG unverhältnismäßig ist.
  
1. Als Sollvorschrift gibt § 68 I S. 2 FGG dem Gericht einen gewissen Spielraum, u. U. von der Anhörung in der üblichen Umgebung des Betreuten abzusehen.
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'''AG Dresden, Beschluss vom 23.03.2020, 404 XVII 80/20'''
  
2. Auch der Vorschlag eines nicht geschäftsmäßigen Betroffenen, eine bestimmte Person zum Betreuer zu bestellen, ist wirksam. Die vorgeschlagene Person muss zum Betreuer bestellt werden, sofern dies dem Wohl des Betroffenen nicht zuwider läuft.
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Zu den Anforderungen an das durch das Coronavirus ausgelöste Absehen von der persönlichen Anhörung des Betroffenen und des Verfahrenspflegers im Rahmen der Bestellung eines Betreuers.
  
3. Der Umstand, dass eine vom Betroffenen vorgeschlagene Person erbberechtigt ist, steht ihrer Bestellung zum Betreuer zunächst nicht entgegen. Erst konkrete Gefahren rechtfertigen es, einen Betreuervorschlag zu übergehen.
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'''AG Brandenburg, Beschluss vom 06.04.2020, 85 XVII 69/20'''
  
4. Das [[Betreuungsverfahren]] hat nicht die Aufgabe, die Interessen künftiger Erben zu sichern.
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Zu den Anforderungen unter denen von der persönlichen Anhörung eines Betroffenen im Rahmen der Bestellung eines Betreuers bei der derzeitigen Coronavirus SARS-CoV-2 und COVID-19 – Pandemie durch das Gericht abgesehen werden kann.
  
'''BayObLG, Beschluss vom 30. 7. 1996 - 3Z BR 149/96, FamRZ 1997, 900''': Persönliche Anhörung durch den beauftragten Richter der Beschwerdekammer.
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'''LG Wuppertal, Beschluss vom 05.05.2020, 9 T 71/20'''
 
Die persönliche Anhörung des Betroffenen allein durch den beauftragten Richter der Kammer ist jedenfalls dann unzulässig, wenn sie dazu dienen soll, den übrigen Kammermitgliedern den persönlichen Eindruck vom Betroffenen zu vermitteln.
 
  
'''BayObLG, Beschluss vom 9. 10. 1996 - 3Z BR 241/96, FamRZ 1997, 1358 = FuR 1997 61''':erforderliches rechtliches Gehör und ggf. Verfahrenspflegerbestellung vor Entlassung eines Betreuers
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Persönliche Anhörung des Betroffenen in Unterbringungssachen kann trotz [[Corona]]-Krise nicht (mehr) durch eine telefonische ersetzt werden.
 
 
1. Ist der Betroffene nicht in der Lage, seinen Willen kundzutun, so ist ihm im Verfahren zur Entscheidung über die Entlassung des Betreuers ein Verfahrenspfleger zu bestellen.  
 
  
2. Der Anspruch des Betroffenen und des Betreuers auf Gewährung des rechtlichen Gehörs ist verletzt, wenn ihnen nicht Gelegenheit gegeben wird, zur Anregung der Betreuungsstelle, den Betreuer (teilweise) zu entlassen, Stellung zu nehmen.
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==Ergebnis der Anhörung==
 
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Das Ergebnis der Anhörungen, das [[Sachverständigengutachten]] oder das [[Arztzeugnis|ärztliche Zeugnis]] sowie die Person des Betreuers und dessen mögliche Aufgabenbereiche werden mit dem Betroffenen erörtert, soweit dies zur [[Grundrechte|Gewährung des rechtlichen Gehörs]] oder zur Sachaufklärung notwendig ist (sog. Schlussgespräch). Das Schlussgespräch kann mit der persönlichen Anhörung des betroffenen Menschen verbunden werden.
'''BayObLG, Beschluss vom 11. 6. 1997 - 3Z BR 54/97; FamRZ 1997, 1360 = BtPrax 1997, 200 ''':  die persönliche Anhörung des Betroffenen und des Betreuers nach § 69i VII FGG ist grundsätzlich auch in der Beschwerdeinstanz erforderlich
 
 
1. Die nach § 69i VII FGG zwingend vorgeschriebene persönliche Anhörung des Betroffenen und des Betreuers, wenn ein Betreuer gegen den Willen des Betroffenen entlassen werden soll, ist grundsätzlich auch in der Beschwerdeinstanz geboten. Sie darf einem beauftragten Richter nur dann übertragen werden, wenn für das Gericht der persönliche Eindruck von den anzuhörenden Personen nicht entscheidungserheblich ist.
 
 
 
2. Die Entlassung des Betreuers gegen den Willen des Betroffenen ist gerechtfertigt, wenn der Betreuer unfähig ist, die Angelegenheiten des Betroffenen in den einzelnen Aufgabenkreisen ordnungsgemäß zu besorgen und deshalb ein Verbleiben im amt dem Wohl des Betroffenen zuwiderlaufen würde. Eine solche Entscheidung erfordert eine sorgfältige Abwägung sämtlicher Umstände durch die Tatsachengerichte.
 
 
 
'''BayObLG, Beschluss v. 11. 2. 1998 - 3Z AR 6/98; BayObLGZ 1998, 38''': zur Anhörung des Betroffenen vor Abgabe des Betreuungsverfahrens
 
 
 
1. Vor der Abgabe eines Betreuungsverfahrens darf die Anhörung des Betroffenen unterbleiben, wenn dieser aufgrund seiner psychischen Erkrankung oder seiner geistigen oder seelischen Behinderung außerstande ist zu begreifen, daß in Zukunft ein anderes Gericht für ihn tätig werden soll.
 
 
 
2. Im Abgabeverfahren ist die Bestellung eines Verfahrenspflegers nicht erforderlich.
 
  
'''OLG München, Beschluss vom 02.06.2005, 33 Wx 47/05'''
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Nach der [[Betreuerbestellung]] führt der [[Rechtspfleger]] mit dem ehrenamtlichen Betreuer ein [[Einführungsgespräch]], in dem er auf seine Rechte und [[Betreuerpflichten|Pflichten]] hingewiesen wird (§ 1861 Abs. 2 BGB). Der Betreuer erhält bei dieser Gelegenheit auch einen [[Betreuerausweis]], mit dem er sich gegenüber Dritten ausweisen kann.  Mit Übernahme der Betreuung hat der Betreuer einen Bericht über die persönlichen Verhältnisse ([[Anfangsbericht]]) zu erstellen. Das Betreuungsgericht kann den Anfangsbericht mit dem Betreuten und dem Betreuer [[Erörterungsgespräch|in einem persönlichen Gespräch erörtern]] (§ 1863 BGB).
  
1. Hat der Betroffene während einer erstinstanzlichen richterlichen Anhörung in Gegenwart eines Sachverständigen und eines Mitarbeiters der [[Betreuungsstelle]] beharrlich geschwiegen und alle Gesprächsversuche über den Fortbestand der Betreuung verweigert, ist es nicht zu beanstanden, wenn das Beschwerdegericht nach ausbleibender Reaktion auf die schriftliche Anfrage, ob der Betroffene sich nunmehr bei einer erneuten richterlichen Anhörung äußern werde, von einer entsprechenden Ladung absieht. Das gilt jedenfalls dann, wenn dem Betroffenen ein Verfahrenspfleger bestellt wird.
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Nach § 274 Abs. 3 FamFG kann die [[Betreuungsbehörde]] ihre Verfahrensbeteiligung verlangen. In diesem Fall ist eine Anhörung der Betreuungsbehörde zwingend erforderlich, § 279 Abs. 1 FamFG.
  
2. Verweigert der Betroffene jede mündliche oder schriftliche Äußerung ggü. dem Sachverständigen, ist das daraufhin mit dem Ergebnis einer „wahnhaften Störung im Sinne eines Querulantenwahns“ erstellte Gutachten trotz ausschließlich fremdanamnestischer Erkenntnisse jedenfalls dann verwertbar, wenn es sich auf mehrere frühere Begutachtungen durch andere Sachverständige, einen umfangreichen Akteninhalt sowie die Beobachtung des Betroffenen während der von ihm schweigend verbrachten richterlichen Anhörung stützen kann.
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Des weiteren soll auch einer nahe stehenden Person Gelegenheit zur Äußerung gegeben werden (§ 279 FamFG). Sonstige Angehörige sind nach neuem Recht nur anzuhören, wenn das Gericht ihrer Beteiligung im Interesse des Betroffenen zuvor zugestimmt hat (§ 274 Abs. 4 FamFG).
  
'''OLG Rostock, Beschluss vom 24.04.2006, 3 W 20/06''':
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==Anhörungsrüge (auch: Gehörsrüge)==
  
1. Die Anhörung des Betroffenen im Beschwerdeverfahren durch den beauftragten Berichterstatter kann zulässig sein, wenn dieser erfahren ist, das Ergebnis der Anhörung umfassend protokolliert und seine Eindrücke dem Richterkollegium so übermitteln kann, dass dieses hierin eine ausreichende Entscheidungsgrundlage findet.
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Die sogenannte Anhörungsrüge ist ein neues [[Rechtsmittel]] (seit 2005) gegen eine Entscheidung des Gerichts, wenn man sich in seinem Anspruch auf rechtliches Gehör verletzt sieht. Die Anhörungsrüge ist zum Beispiel in § 44 FamFG, § 321a ZPO oder § 152a VwGO gesetzlich normiert.
  
2. Es ist nicht verfahrensfehlerhaft, wenn der Betroffene und der Betreuer im Beschwerdeverfahren nicht gemeinsam in einem Termin gehört werden.
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'''BVerfG, Beschluss vom 26.10.2010, 1 BvR 2538/10''':
  
3. Im Falle der Aufhebung der Betreuung durch das Gericht ist eine Anhörung der [[Betreuungsbehörde]] nicht zwingend.
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Für das Gericht erwächst aus Art. 103 Abs. 1 GG die Pflicht, vor dem Erlass einer Entscheidung zu prüfen, ob den Verfahrensbeteiligten rechtliches Gehör gewährt wurde. Maßgebend für diese Pflicht des Gerichts ist der Gedanke, dass die Verfahrensbeteiligten Gelegenheit haben müssen, die Willensbildung des Gerichts zu beeinflussen. Der Anspruch auf rechtliches Gehör (= [[Grundrechte|Grundrecht]]) fordert, dass das erkennende Gericht die Ausführungen der Verfahrensbeteiligten zur Kenntnis nimmt und in Erwägung zieht.
  
'''[http://lrbw.juris.de/cgi-bin/laender_rechtsprechung/document.py?Gericht=bw&GerichtAuswahl=Oberlandesgerichte&Art=en&sid=3b1a7d8c8a50e2fa603608610488ac82&nr=7397&pos=3&anz=10 OLG Stuttgart, Beschluss vom 30.06.2006 - 8 W 140/06]''':
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==Siehe auch==
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[[Bild:Gericht2.jpg|right]]
  
In einem Verfahren zur Bestellung eines Betreuers, das von der Rechtsanwaltskammer
+
* [[Rechtsprechung zur Anhörung]]
nach §§ 16 Abs. 3, 224a BRAO (i.V.m. § 1 VO JMBW v. 30.11.1998) beantragt wurde, um
+
* [[Verhältnismäßigkeitsprinzip]]
einem betroffenen Rechtsanwalt im anwaltsgerichtlichen Verfahren eine ausreichende
+
* [[Grundrechte]]
Wahrnehmung seiner Rechte zu gewährleisten, kann der Betroffene zur Anhörung weder
+
* [[Amtsermittlungspflicht]]
vorgeführt, noch kann zur Begutachtung seines psychischen Zustands eine Vorführung
+
* [[Rechtsweg in Deutschland]]
oder seine Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus angeordnet werden. Denn nach § 117 BRAO darf ein Rechtsanwalt zur Durchführung eines solchen Verfahrens weder vorläufig festgenommen noch verhaftet oder vorgeführt werden. Er kann auch nicht zur Vorbereitung eines Gutachtens über seinen psychischen Zustand in ein psychiatrisches Krankenhaus verbracht werden.
+
* [[Einstweilige Anordnung]]
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* [[Gewaltschutzanordnung]]
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* [[Rechtsmittel]]
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* [[Sachverständigengutachten]]
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* [[Arztzeugnis]]
  
'''OLG Hamm, Beschluss vom 10. September 2007, 15 W 235/07 , BtPrax 1/2008''':
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==Bücher==
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[[Bild:Buecher.jpg|right]]
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*[https://shop.reguvis.de/betreuung-und-pflege/praxiskommentar-betreuungs-und-unterbringungsverf/ Fröschle: Praxiskommentar Betreuungs- und Unterbringungsverfahren]
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*[https://shop.reguvis.de/betreuung-und-pflege/verfahrenspflegschaft-in-betreuungs-und-unterbrin/ Harm: Verfahrenspflegschaft in Betreuungs- und Unterbringungssachen]
  
Das verfahrensrechtliche Gebot der vorherigen persönlichen Anhörung des Betroffenen wird verletzt, wenn das Amtsgericht des Wohnsitzes des Betroffenen im schriftlichen Verfahren im Wege der einstweiligen
+
==Zeitschriftenbeiträge==
Anordnung seine geschlossene Unterbringung genehmigt und sich darauf beschränkt, das Amtsgericht, in dessen Bezirk die Unterbringung vollzogen werden soll, um die nachträgliche Anhörung des Betroffenen zu ersuchen, die dann erst nach 9 Tagen durchgeführt wird.
+
[[Bild:Zeitschrift.jpg|right]]
 
+
*Abramenko: Die Anhörungsrüge nach dem neuen FamFG; FGPrax 2009, 198
==Literatur==
+
*Berger: Das rechtliche Gehör; BWNotZ 1996, 137
*Coeppicus: Durchführung und Inhalt der Anhörung in Betreuungs- und Unterbringungssachen; FamRZ 91, 892
+
*Bienwald: Grundsätze eines fairen Verfahrens - Sicherung der Rechte der Betroffenen; RechtspflegerStudienhafte 2009, 161
*ders.: Verschaffung des unmittelbaren Eindrucks vom Betroffenen; FamRZ 92, 16
+
*ders.: Persönliche Anhörung als interessengeleitete Befragung oder Vernehmung; BtPrax 2013, 102
 +
*ders.: Die Verfahrenspflegschaft – Mädchen für alles? Hier: Ersatz für die persönliche Anhörung des Betroffenen durch Richter oder Rechtspfleger in Verfahren in Betreuungssachen? Rpfleger 2016, 177
 +
*Coeppicus: Durchführung und Inhalt der Anhörung in Betreuungs- und Unterbringungssachen; FamRZ 1991, 892
 +
*ders.: Verschaffung des unmittelbaren Eindrucks vom Betroffenen; FamRZ 1992, 16
 
*ders.:  Protokollierungen in Anhörungen durch Protokollführer oder Diktiergerät? [[BtPrax]] 1995, 201
 
*ders.:  Protokollierungen in Anhörungen durch Protokollführer oder Diktiergerät? [[BtPrax]] 1995, 201
*Linnhoff: Anhörungen in Verfahren bez. freiheitsentziehender Maßnahmen; [[BtPrax]] 95, 167
+
*ders.: Übliche Umgebung, Geographie und Geschäftsverteilungsplan, ZRP 1996, 330
+
*Dümig: Anhörungspflicht bei nachlassgerichtlicher Genehmigung; Rpfleger 2000, 248
 +
*Eickmann: Das rechtliche Gehör in Verfahren vor dem Rechtspfleger; Rpfleger 1982, 449
 +
*ders.: Anhörungspflicht bei nachlassgerichtlicher Genehmigung; Rpfleger 2000, 245
 +
* Gietl: Die persönliche Anhörung des Betroffenen nach § 278 FamFG im Zuge der Reform des Betreuungsrechts, NZFam 2022, 1059
 +
*Habscheid: Verfahren vor dem Rechtspfleger - rechtliches Gehör und faires Verfahren; Rpfleger 2001, 209
 +
*Harm: Die persönliche Anhörung - ein Kommunikationsproblem; BtPrax 2021, 13
 +
*Hoffmann: Pflicht von Arzt und Betreuer; BtPrax 2007, 143
 +
*Linnhoff: Anhörungen in Verfahren bez. freiheitsentziehender Maßnahmen; [[BtPrax]] 1995, 167
 +
*Marschner: Anmerkung zu BVerfG, Beschluss vom 02.12.2009 - 1 BvR 2797/09 (R&P 2010/2, 88 f. "Rechtliches Gehör im Betreuungsverfahren") R&P 2010/2, 89
 +
*Pentz: Verfahrensfehler bei der Freiheitsentziehung, NJW 1990, 2777
 +
*Schröder/Millat: Richterliche Anhörung auf der psychiatrischen Akutstation; BtPrax 2022, 46
 +
*Sonnenfeld: Anhörungspflicht bei nachlassgerichtlicher Genehmigung; Rpfleger 2000, 246
 +
*Waldner: Anmerkung zu OLG Schleswig (zur Anhörung im gerichtl. Genehmigungsverfahren), DNotZ 2001, 650
  
 +
==Zu Anhörungen in der [[Corona]]-Situation==
 +
*[https://www.famrz.de/files/Media/dokumente/pdfs/famrz-beitrag-grotkopp-corona.pdf Grotkopp: Corona-Krise und persönliche Anhörungen, FamRZ 2020, 659 (PDF)]
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*[https://www.famrz.de/files/Media/dokumente/pdfs/newsletter/famrz-newsletter7-Braun.pdf Beckmann: Anm. zu Grotkopp, FamRZ 2020, 735 (PDF)]
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*[https://www.famrz.de/files/Media/dokumente/pdfs/newsletter/famrz-newsletter7-Braun.pdf Braun: Anmerkung zu Grotkopp, FamRZ 2020, 737 (PDF)]
 +
*Dodegge: persönliche. Anhörung und pers. Eindruck in Betreuungs- und Unterbringungssachen in Zeiten der Covid-19-Pandemie; BtPrax 2020, 79
 +
*Windau: Familienverfahren in Zeiten der Corona-Krise; NZFam 2020, 269
 +
*[https://www.famrz.de/redaktionsmeldungen/corona-krise-und-persönliche-anhörungen.html Weitere Beiträge zum Thema, zusammengestellt von der FamRZ]
  
 +
==Bundesratsinitiative zur Anhörung in Corona-Zeiten==
  
 
+
*[http://dipbt.bundestag.de/extrakt/ba/WP19/2619/261988.html Dokumente zum Gesetzesantrag des Bundesrates]
+
*[https://amtsrichterverband.net/files/theme/downloads/news/PressemitteilungMärz20.pdf Stellungnahme des Amtsrichterverbandes (PDF)]
  
  
  
[[Kategorie:Betreuungsverfahren]]<div id="wikia-credits"><br /><br /><small>From [http://betreuungsrecht.wikia.com Betreuungsrecht-Lexikon], a [http://www.wikia.com Wikia] wiki.</small></div>
+
[[Kategorie:Betreuungsverfahren]]

Aktuelle Version vom 9. Mai 2025, 12:27 Uhr

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Die Anhörung im Gerichtsverfahren

Justiz.jpg

Betroffener ist persönlich vom Betreuungsrichter anzuhören

Der Betreuungsrichter muss vor einer Entscheidung über die Bestellung eines Betreuers den Betroffenen – von wenigen Ausnahmefällen abgesehen – persönlich anhören und sich einen unmittelbaren Eindruck von ihm verschaffen. Dadurch soll sichergestellt werden, dass sich das Gericht hinreichend über die Persönlichkeit des Betroffenen informiert. Die Regelung findet sich in § 278 FamFG iVm § 34 FamFG.

Die Anhörung soll in der üblichen Umgebung des Betroffenen stattfinden Den unmittelbaren Eindruck soll sich das Gericht in der üblichen Umgebung des Betroffenen verschaffen, wenn dieser es verlangt oder wenn es der Sachaufklärung dient. Gegen seinen Willen soll der Betroffene jedoch in seiner Privatsphäre nicht gestört werden. Widerspricht er daher einem Besuch des Betreuungsrichters, so findet die Anhörung im Gericht statt.

GGf. kann die Anhörung als Videokonferenz stattfinden (§ 32 Abs. 3 FamFG iVm § 128a ZPO). Das ist derzeit allerdings noch umstritten, weil eine BVerfG-Entscheidung dem entgegensteht (BVerfG NJW 2006).

Weitere Anwesende

Soweit ein Verfahrenspfleger, § 276 FamFG, bestellt ist, soll die Anhörung in dessen Gegenwart durchgeführt werden. Das Gericht kann auch bereits in dieser Phase des Verfahrens einen Sachverständigen hinzuziehen. Auf Wunsch des Betroffenen kann eine Person seines Vertrauens an der Anhörung teilnehmen.

Weiteren Personen kann das Gericht die Anwesenheit gestatten, jedoch nicht gegen den Willen des Betroffenen. Häufig handelt es sich bei diesen Personen um Mitarbeiter der Betreuungsbehörde oder den möglichen Betreuer, damit der Betroffene die Gelegenheit erhält, von diesem einen ersten Eindruck zu erhalten. Rechtsgrundlage: § 170 GVG. Ein Dolmetscher kann ebenfalls zugegen sein (§ 185 GVG).

Rechtsprechung dazu:

BGH, Beschluss vom 24. April 2024 - XII ZB 531/23

Einem nicht anwaltlichen Verfahrensbevollmächtigten, der nicht durch Beschluss nach § 10 Abs. 3 Satz 1 FamFG zurückgewiesen worden ist, ist Gelegenheit zu geben, an der Anhörung des Betroffenen teilzunehmen.

Betroffener kann zur Anhörung vorgeführt werden

Sofern der Betroffene sich weigert, an der Anhörung teilzunehmen, hat die Betreuungsbehörde ihn auf Anweisung des Gerichtes zur persönlichen Anhörung (§ 278 Abs. 5 FamFG) und zur Untersuchung durch den Sachverständigen (§§ 283, 284 FamFG) vorzuführen.

Die zwangsweise Vorführung von Betroffenen zu Anhörungen und Untersuchungen stellt einen schweren Eingriff in die Persönlichkeitsrechte der Betroffenen dar (Art. 2 GG). Daher muss der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit hier besonders streng beachtet werden.

Da die Maßnahmen dem Wohl des Betroffenen dienen sollen, muss Schaden, der erst durch die Vorführung entstehen kann, unbedingt vermieden werden. Durch die zwangsweise Vorführung können beim Betroffenen Verhaltensweisen entstehen oder sich derart verstärken, dass diese erst die Betreuung erforderlich erscheinen lassen. Der Betreuungsrichter sollte Vorführungen daher nur im Ausnahmefall anordnen.

Anhörung kann ausnahmsweise unterbleiben

Dies ist möglich, wenn durch sie eine Gesundheitsgefahr beim Betroffenen droht oder der Betroffene zu einer Willensäußerung nicht im Stande ist. Beispielsfälle wären mit Verfolgungswahn einhergehende Erkrankungen oder komatöse Zustände. In solchen Fällen ist nach § 276 Abs. 1 FamFG regelmäßig die Bestellung eines Verfahrenspflegers notwendig.

LG Mainz, Beschluss vom 10.05.2016, 8 T 43/16:

Gemäß § 34 Abs. 3 FamFG kann über die Beschwerde des Betroffenen ohne dessen persönliche Anhörung entschieden werden, wenn dieser ordnungsgemäß sowie unter Hinweis auf die Folgen seines Ausbleibens geladen wurde und dennoch nicht erschienen ist, wenn das Gericht darüber hinaus vergeblich einen Versuch der Anhörung des Betroffenen ohne Zwang in dessen persönlicher Umgebung unternommen hat, und wenn eine Vorführung des Betroffenen nach § 278 Abs. 5 FamFG unverhältnismäßig ist.

AG Dresden, Beschluss vom 23.03.2020, 404 XVII 80/20

Zu den Anforderungen an das durch das Coronavirus ausgelöste Absehen von der persönlichen Anhörung des Betroffenen und des Verfahrenspflegers im Rahmen der Bestellung eines Betreuers.

AG Brandenburg, Beschluss vom 06.04.2020, 85 XVII 69/20

Zu den Anforderungen unter denen von der persönlichen Anhörung eines Betroffenen im Rahmen der Bestellung eines Betreuers bei der derzeitigen Coronavirus SARS-CoV-2 und COVID-19 – Pandemie durch das Gericht abgesehen werden kann.

LG Wuppertal, Beschluss vom 05.05.2020, 9 T 71/20

Persönliche Anhörung des Betroffenen in Unterbringungssachen kann trotz Corona-Krise nicht (mehr) durch eine telefonische ersetzt werden.

Ergebnis der Anhörung

Das Ergebnis der Anhörungen, das Sachverständigengutachten oder das ärztliche Zeugnis sowie die Person des Betreuers und dessen mögliche Aufgabenbereiche werden mit dem Betroffenen erörtert, soweit dies zur Gewährung des rechtlichen Gehörs oder zur Sachaufklärung notwendig ist (sog. Schlussgespräch). Das Schlussgespräch kann mit der persönlichen Anhörung des betroffenen Menschen verbunden werden.

Nach der Betreuerbestellung führt der Rechtspfleger mit dem ehrenamtlichen Betreuer ein Einführungsgespräch, in dem er auf seine Rechte und Pflichten hingewiesen wird (§ 1861 Abs. 2 BGB). Der Betreuer erhält bei dieser Gelegenheit auch einen Betreuerausweis, mit dem er sich gegenüber Dritten ausweisen kann. Mit Übernahme der Betreuung hat der Betreuer einen Bericht über die persönlichen Verhältnisse (Anfangsbericht) zu erstellen. Das Betreuungsgericht kann den Anfangsbericht mit dem Betreuten und dem Betreuer in einem persönlichen Gespräch erörtern1863 BGB).

Nach § 274 Abs. 3 FamFG kann die Betreuungsbehörde ihre Verfahrensbeteiligung verlangen. In diesem Fall ist eine Anhörung der Betreuungsbehörde zwingend erforderlich, § 279 Abs. 1 FamFG.

Des weiteren soll auch einer nahe stehenden Person Gelegenheit zur Äußerung gegeben werden (§ 279 FamFG). Sonstige Angehörige sind nach neuem Recht nur anzuhören, wenn das Gericht ihrer Beteiligung im Interesse des Betroffenen zuvor zugestimmt hat (§ 274 Abs. 4 FamFG).

Anhörungsrüge (auch: Gehörsrüge)

Die sogenannte Anhörungsrüge ist ein neues Rechtsmittel (seit 2005) gegen eine Entscheidung des Gerichts, wenn man sich in seinem Anspruch auf rechtliches Gehör verletzt sieht. Die Anhörungsrüge ist zum Beispiel in § 44 FamFG, § 321a ZPO oder § 152a VwGO gesetzlich normiert.

BVerfG, Beschluss vom 26.10.2010, 1 BvR 2538/10:

Für das Gericht erwächst aus Art. 103 Abs. 1 GG die Pflicht, vor dem Erlass einer Entscheidung zu prüfen, ob den Verfahrensbeteiligten rechtliches Gehör gewährt wurde. Maßgebend für diese Pflicht des Gerichts ist der Gedanke, dass die Verfahrensbeteiligten Gelegenheit haben müssen, die Willensbildung des Gerichts zu beeinflussen. Der Anspruch auf rechtliches Gehör (= Grundrecht) fordert, dass das erkennende Gericht die Ausführungen der Verfahrensbeteiligten zur Kenntnis nimmt und in Erwägung zieht.

Siehe auch

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Bücher

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Zeitschriftenbeiträge

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  • Abramenko: Die Anhörungsrüge nach dem neuen FamFG; FGPrax 2009, 198
  • Berger: Das rechtliche Gehör; BWNotZ 1996, 137
  • Bienwald: Grundsätze eines fairen Verfahrens - Sicherung der Rechte der Betroffenen; RechtspflegerStudienhafte 2009, 161
  • ders.: Persönliche Anhörung als interessengeleitete Befragung oder Vernehmung; BtPrax 2013, 102
  • ders.: Die Verfahrenspflegschaft – Mädchen für alles? Hier: Ersatz für die persönliche Anhörung des Betroffenen durch Richter oder Rechtspfleger in Verfahren in Betreuungssachen? Rpfleger 2016, 177
  • Coeppicus: Durchführung und Inhalt der Anhörung in Betreuungs- und Unterbringungssachen; FamRZ 1991, 892
  • ders.: Verschaffung des unmittelbaren Eindrucks vom Betroffenen; FamRZ 1992, 16
  • ders.: Protokollierungen in Anhörungen durch Protokollführer oder Diktiergerät? BtPrax 1995, 201
  • ders.: Übliche Umgebung, Geographie und Geschäftsverteilungsplan, ZRP 1996, 330
  • Dümig: Anhörungspflicht bei nachlassgerichtlicher Genehmigung; Rpfleger 2000, 248
  • Eickmann: Das rechtliche Gehör in Verfahren vor dem Rechtspfleger; Rpfleger 1982, 449
  • ders.: Anhörungspflicht bei nachlassgerichtlicher Genehmigung; Rpfleger 2000, 245
  • Gietl: Die persönliche Anhörung des Betroffenen nach § 278 FamFG im Zuge der Reform des Betreuungsrechts, NZFam 2022, 1059
  • Habscheid: Verfahren vor dem Rechtspfleger - rechtliches Gehör und faires Verfahren; Rpfleger 2001, 209
  • Harm: Die persönliche Anhörung - ein Kommunikationsproblem; BtPrax 2021, 13
  • Hoffmann: Pflicht von Arzt und Betreuer; BtPrax 2007, 143
  • Linnhoff: Anhörungen in Verfahren bez. freiheitsentziehender Maßnahmen; BtPrax 1995, 167
  • Marschner: Anmerkung zu BVerfG, Beschluss vom 02.12.2009 - 1 BvR 2797/09 (R&P 2010/2, 88 f. "Rechtliches Gehör im Betreuungsverfahren") R&P 2010/2, 89
  • Pentz: Verfahrensfehler bei der Freiheitsentziehung, NJW 1990, 2777
  • Schröder/Millat: Richterliche Anhörung auf der psychiatrischen Akutstation; BtPrax 2022, 46
  • Sonnenfeld: Anhörungspflicht bei nachlassgerichtlicher Genehmigung; Rpfleger 2000, 246
  • Waldner: Anmerkung zu OLG Schleswig (zur Anhörung im gerichtl. Genehmigungsverfahren), DNotZ 2001, 650

Zu Anhörungen in der Corona-Situation

Bundesratsinitiative zur Anhörung in Corona-Zeiten