Werkstatt für behinderte Menschen

Aus Online-Lexikon Betreuungsrecht
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Werkstatt für behinderte Menschen (WfbM)

§ 219 SGB IX Begriff und Aufgaben der Werkstatt für behinderte Menschen Die Werkstatt ist eine Einrichtung zur Teilhabe und Integration von Menschen mit Behinderungen, die aufgrund der Art oder Schwere ihrer Behinderung keine Beschäftigung auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt ausüben können und fördert den Übergang geeigneter Personen auf den allgemeinen Arbeitsmarkt. Um ihre Leistungs- oder Arbeitsfähigkeit zu entwickeln oder wiederherstellen erhalten Sie eine angemessene berufliche Bildung und arbeiten mit einem ihrer Tätigkeit angemessenen Entgelt, sofern absehbar ist, dass sie spätestens nach der Teilnahme an berufsbildenden Maßnahmen eine wirtschaftlich vertretbare Mindestarbeit leisten werden. Menschen mit Behinderungen, die die Voraussetzungen für eine Mitarbeit in einer Werkstatt nicht erfüllen, sollen in Gruppen, die der Werkstatt angeschlossen sind, betreut und gefördert werden und weiterhin Angebote zur Orientierung auf Beschäftigung enthalten.

§ 221 Absatz 2 SGB IX Arbeitsentgelt behinderter Menschen Das Werkstatt-Entgelt besteht aus einem Grundbetrag und einem Steigerungsbetrag. So steht es in § 221 Abs. 2 SGB IX. Außerdem bekommen viele Beschäftigte im Arbeitsbereich zusätzlich ein Arbeitsförderungsgeld.


Jede Person im Arbeitsbereich einer Werkstatt bekommt den gleichen Grundbetrag. Ab 01. Januar 2023 ist der Betrag von 126 Euro pro Monat zu zahlen. Der Grundbetrag ist nach § 221 Absatz 2 Satz 1 SGB IX an die Höhe des Ausbildungsgeldes nach § 125 SGB III gekoppelt und steigt entsprechend, wenn sich das Ausbildungsgeld erhöht. Im Unterschied zum Ausbildungsgeld muss der Grundbetrag aus dem Arbeitsergebnis gezahlt werden, das eine Werkstatt erwirtschaftet. Der Steigerungsbetrag für Werkstattbeschäftigte bemisst sich nach der individuellen Arbeitsleistung und ist unterschiedlich hoch. Das Arbeitsförderungsgeld ist in § 59 SGB IX geregelt. Viele Beschäftigte bekommen im Arbeitsbereich ein zusätzliches Arbeitsförderungsgeld von 52 Euro pro Monat.

Aufgaben der rechtlichen Betreuung im Zusammenhang mit der Werkstatt für behinderte Menschen Es gibt verschiedene Aufgabenkreise, die nach Bedarf und gerichtlich festgelegt von der rechtlichen Betreuung abgedeckt werden müssen. Die Aufgabe von Betreuer:innen nach § 1821 BGB liegt darin die betreue Person so zu unterstützen, dass diese Angelegenheiten selbst rechtlich besorgen kann. Hierzu müssen die Wünsche der betreuten Person festgestellt werden, um die Unterstützung im Rahmen der Möglichkeiten anzupassen. Betreuer:innen machen nur Gebrauch von der Vertretungsmacht § 1823 BGB, wenn dies erforderlich ist. Mit Blick auf die Aufgaben der rechtlichen Betreuung im Zusammenhang mit der Werkstatt für behinderte Menschen geht es darum die Wünsche zu erfassen, ob die betreute Person zufrieden mit dem Werkstattplatz ist, wechseln möchte oder diesen dabei zu unterstützen eine andere Beschäftigung zu finden.


Für den Vertrag eines behinderten Menschen mit einer WfbM ist vor allem § 221 SGB IX von Bedeutung. Bei Einschränkungen der Geschäftsfähigkeit gelten abweichend von §§ 104, 105 BGB folgende Sonderregelungen:

§ 221 SGB IX:

(5) Ist ein volljähriger behinderter Mensch in den Arbeitsbereich einer anerkannten Werkstatt für behinderte Menschen im Sinne des § 219 aufgenommen worden und war er zu diesem Zeitpunkt geschäftsunfähig, so gilt der von ihm geschlossene Werkstattvertrag in Ansehung einer bereits bewirkten Leistung und deren Gegenleistung, soweit diese in einem angemessenen Verhältnis zueinander stehen, als wirksam.

(6) War der volljährige behinderte Mensch bei Abschluss eines Werkstattvertrages geschäftsunfähig, so kann der Träger einer Werkstatt das Werkstattverhältnis nur unter den Voraussetzungen für gelöst erklären, unter denen ein wirksamer Vertrag seitens des Trägers einer Werkstatt gekündigt werden kann.

Wichtig ist außerdem § 222 Abs. 4 SGB IX, was die Beteiligung von Betreuern betrifft:

(4) Die Werkstätten für behinderte Menschen unterrichten die Personen, die behinderte Menschen gesetzlich vertreten oder mit ihrer Betreuung beauftragt sind, einmal im Kalenderjahr in einer Eltern- und Betreuerversammlung in angemessener Weise über die Angelegenheiten der Werkstatt, auf die sich die Mitwirkung erstreckt, und hören sie dazu an. In den Werkstätten kann im Einvernehmen mit dem Träger der Werkstatt ein Eltern- und Betreuerbeirat errichtet werden, der die Werkstatt und den Werkstattrat bei ihrer Arbeit berät und durch Vorschläge und Stellungnahmen unterstützt.

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Rechtsprechung

LAG Düsseldorf · Urteil vom 11. November 2013 · Az. 9 Sa 469/13

  1. Zwischen den Parteien besteht ein Werkstattvertrag, wenn der behinderte Mensch in der Werkstatt produktive Arbeiten erbringt. Dem steht nicht entgegen, dass der behinderte Mensch auch betreut und gepflegt wird, solange diese nicht das Maß der Betreuung in einem Förderbereich nach § 136 Abs. 3 SGB IX erreicht.
  2. Auf das Werkstattverhältnis findet § 85 SGB IX keine Anwendung. Denn § 85 SB IX setzt eine Tätigkeit in einem Arbeitsverhältnis voraus. Arbeitnehmerähnliche Personen werden nicht erfasst.
  3. Die Kündigung des Werkstattvertrages ist gerechtfertigt, wenn die sog. Werkstattfähigkeit nicht mehr vorhanden ist. Diese erfordert, dass der behinderte Mensch wenigstens ein Mindestmaß an wirtschaftlich verwertbarer Arbeitsleistung erbringen kann. Sie fehlt jedenfalls dann, wenn trotz einer angemessenen Betreuung eine erhebliche Fremd- oder Selbstgefährdung zu erwarten ist. Dies wiederum erfordert die konkrete oder zumindest begründbar erwartete Gefährdung von Menschen.

Rechtsprechung mit Betreuerbezug

LAG Schleswig-Holstein, Urteil vom 13.12.2017, 6 Sa 325/17

  1. Ein Betreuer hat Anspruch auf Einsicht in die Personalakte/Betreuungsdokumentation (hier: Entwicklungsbericht und Förderplan) eines von ihm betreuten Beschäftigten einer Werkstatt für behinderte Menschen, sofern dies von seinem Aufgabenkreis umfasst ist (hier: Vermögenssorge), ohne dass es hierfür der Zustimmung des Betreuten bedarf.
  2. Aus dem Werkstattvertrag ergibt sich jedoch kein Anspruch auf Herausgabe eines kopierten Berichts.

Weitere Urteile