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Grundsätzlich ist in einem gegen den Betreuten durchgeführten Straf- oder Sicherungsverfahren der Betreuer nicht zu beteiligen. Die funktionsbedingte Wahrnehmung der Interessen eines Beschuldigten, für den ein Betreuer bestellt ist, legt das Strafverfahrensrecht allein in die Hände des Verteidigers.
 
Grundsätzlich ist in einem gegen den Betreuten durchgeführten Straf- oder Sicherungsverfahren der Betreuer nicht zu beteiligen. Die funktionsbedingte Wahrnehmung der Interessen eines Beschuldigten, für den ein Betreuer bestellt ist, legt das Strafverfahrensrecht allein in die Hände des Verteidigers.
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===Pflichtverteidiger wegen Betreuung===
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Eine erfolgte Betreuerbestellung ersetzt nicht eine etwaige Pflichtverteidigerbestellung (vgl. OLG Frankfurt StV 1984, 370; OLG Hamm NJW 2003, 3286; LG Limburg NStZ-RR 2013, 87 = StV 2013, 625, OLG Nürnberg vom 25. Juli 2007, 2 Ws 452/07, StraFo 2007, 418, LG Dessau-Roßlau,
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Beschl. V. 26.6.2015 - 2 Qs 118/15 sowie LG Berlin, Beschl. V. 28.02.2018, 505 Qs 1/18. Die Anordnung einer Betreuung ist geeignet, Zweifel an der Selbstverteidingungsfähigkeit zu erzeugen.
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Die nach § 141 III StPO gebotene Prüfung obliegt in erster Linie der Staatsanwaltschaft. Dies entbindet den für das Hauptverfahren zuständigen Vorsitzenden aber nicht von der Verantwortung, für ein den Anforderungen der EMRK genügendes Verfahren Sorge zu tragen. Unter dem Gesichtspunkt des fairen Verfahrens kann für die Verteidigerbestellung eine Ermessensreduzierung auf Null in Betracht komme (LG Limburg NStZ-RR 2013, 87 = StV 2013, 625).
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Weitere Rechtsprechung dazu:
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'''LG Braunschweig, Beschl v 12.12.2011 - 5 Qs 301/11''', StRR 2012, 42
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Die Kumulation eines drohenden mittelbaren Nachteils sowie die Besorgnis der Unfähigkeit der Selbstverteidigung des Angeklagten können dazu führen, dass die Verteidigung des Ange klagten notwendig i.S.d. § 140 Abs. 2 Satz 1 StPO ist. Der Aufgabenkreis der Betreuung umfasste insbesondere Rechtsantrags- und Behördenangelegenheiten einschl. eines Einwilligungsvorbehaltes.
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''' OLG Naumburg, Beschl. v. 16.10.2013 - 2 Ws 66/13'''
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Einem unter Betreuung stehendem Angeklagten, dem aus diesem Grund ein Pflichtverteidiger beigeordnet worden ist, kann von Amts wegen Wiedereinsetzung in die Frist zur Begründung des Wiedereinsetzungsantrages gewährt werden, wenn sein Verteidiger schuldhaft die Rechtsmittelfrist versäumt hat und der vom Verteidiger daraufhin gestellte Wiedereinsetzungsantrag mangels Begründung unzulässig war.
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'''LG Berlin, Beschl. v. 14.12.2015 - 534 Qs 142/15''', StV 2016, 487 = StRR 2016, 16:
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# Steht der Beschuldigte unter Betreuung mit dem "Aufgabenkreis Vertretung gegenüber Behörden“ ist seine Verteidigungsfähigkeit eingeschränkt und ihm nach § 140 Abs. 2 StPO ein Pflichtverteidiger zu bestellen.
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# Ist der Beschuldigte aufgrund eines Morbus Parkinson, der zu einer motorischen Sprachstörung geführt hat, in seiner sprachlichen Kommunikationsfähigkeit erheblich beeinträchtigt, ist er als sprachbehindert im Sinne von § 140 Abs. 2 Satz 2 StPO anzusehen.
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'''OLG Naumburg, Beschluss v 21.10.2016 - 2 Ws (s) 16/16'''
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Eine Pflichtverteidigerbestellung kommt in Betracht, wenn der Angeklagte unter Betreuung steht (OLG Hamm NJW 2003, 3286). § 140 Abs. 2 ist dabei schon anwendbar, wenn an der Fähigkeit zur Selbstverteidigung erhebliche Zweifel bestehen (vgl. Schmitt in Meyer-Goßner/ Schmitt, StPO, 59. Auf. 2016, § 140 RdNr. 30 m. w. N.).Das in dem Betreuungsverfahren erstattete Gutachten diagnostiziert bei dem Angeklagten eine alkoholbedingte Hirnleistungsminderung und Persönlichkeitsveränderung aufgrund derer er seine Angelegenheiten nicht mehr selbständig adäquat regeln kann. Es empfiehlt eine Betreuung u. a. im Bereich der Rechts-, Antrags- und Behördenangelegenheiten. Eine solche wurde durch das Betreuungsgericht angeordnet. Hierdurch ist die Beschränkung der Fähigkeit des Angeklagten zur Selbstverteidigung hinreichend belegt.
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'''LG Magdeburg, Beschl. v. 23.08.2017 - 21 Qs 54/17''', BtPrax 2018, 164:
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Wenn der Beschuldigte unter Betreuung steht und sich die Betreuung auch auf sämtliche Amts- und Behördenangelegenheiten erstreckt, ist ihm wegen Unfähigkeit der Selbstverteidigung ein Pflichtverteidiger zu bestellen.
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'''LG Leipzig, Beschluss vom 18.09.2017, 15 Qs 119/17'''
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# Eine bloße Betreuerbestellung für sich genommen genügt nicht, um allein deswegen eine Verteidigerbestellung auszusprechen. Auch spielt es keine Rolle, ob der Angeklagte die vorgeworfene Tat im Zustand der Schuldunfähigkeit oder zumindest der verminderten Schuldfähigkeit begangen hat.
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#Es liegt aber dann ein Fall der notwendigen Verteidigung i.S.d. § 140 Abs. 2 StPO vor, wenn der Angeklagte aufgrund seiner geistigen Fähigkeiten oder seines Gesundheitszustands in seiner Verteidigungsfähigkeit eingeschränkt ist. Davon ist auszugehen, wenn das im Betreuungsverfahren erstattete Gutachten bei dem Angeklagten ein niedriges intellektuelles Niveau bei deutlich eingeschränkter Kritik- und Urteilsfähigkeit sowie eine bei Alkoholeinwirkung ganz besonders herabgesetzte Frustrationstoleranz und Persönlichkeitsveränderung (Verhaltens- und Anpassungsstörung) aufgrund derer er seine Angelegenheiten nicht mehr selbständig adäquat regeln könne, feststellt
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'''LG Berlin, Beschluss v 19.09.2018 - 502 Qs 102/18'''
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Der Angeklagte steht unter Betreuung. Der Aufgabekreis umfasst die Aufenthaltsbestimmung, die Vermögenssorge, die Vertretung vor Behörden und Institutionen, Wohnungsangelegenheiten sowie die Geltendmachung von Ansprüchen nach SGB I-XII. Damit ist belegt, dass der Angeklagte besonders umfassend unter Betreuung steht, was erhebliche Zweifel an seiner Fähigkeit zur Selbstverteidigung begründet (vgl. OLG Hamm, NJW 2003, S. 3286, 3287; Meyer-Goßner, StPO, 61. Aufl. 2018, § 140, Rn. 30; Thomas/Kämpfer, MüKo-StPO, 1. Aufl. 2014, § 140, Rn. 49; LaufhütteNVillnow, KK-StPO, 7. Aufl. 2013, § 140, Rn. 24; Lüderssen-Jahn, LR-StPO, 26. Aufl. 2007, § 140, Rn. 97 ff.).
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'''LG Konstanz, Beschl. v. 27.05.2019 - 3 Qs 39/19'''
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Zur Bestellung eines Pflichtverteidigers, wenn der Beschuldigte unter Betreuung steht. Gemäß § 140 Abs. 2 StPO ist eine Pflichtverteidigerbestellung unter anderen dann notwendig wenn ersichtlich ist, dass sich der Beschuldigte, nicht selbst verteidigen kann. Die Bestellung ist aber auch schon dann notwendig, wenn an der Fähigkeit zur Selbstverteidigung zumindest erhebliche Zweifel bestehen (OLG Hamm NJW 2003, 3286, 3287; OLG Frankfurt a.M. StV 1984, 370; Meyer-Goßner/Schmitt, 61. Auflage 2018, § 140 StPO Rn. 30).
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'''LG Koblenz, Beschl. v. 18.03.2020 - 12 Qs 15/20'''
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Zwar genügt die bloße Betreuerbestellung nicht, um allein deswegen eine Verteidigerbestellung auszusprechen. Gemäß § 140 Abs. 2 StPO liegt aber dann ein Fall der notwendigen Verteidigung vor, wenn der Angeklagte aufgrund seiner geistigen Fähigkeiten oder seines Gesundheitszustandes in seiner Verteidigungsfähigkeit eingeschränkt ist. Eine Pflichtverteidigerbestellung ist mithin schon dann notwendig, wenn an der Fähigkeit der Selbstverteidigung erhebliche Zweifel bestehen.
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====Aufgabenkreis des Betreuers====
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Auch hier muss die Angelegenheit, um die es geht, vom [[Aufgabenkreis]] umfasst sein. Das ist immer dann der Fall, wenn dem Betreuer pauschal alle Angelegenheiten oder alle persönlichen Angelegenheiten übertragen sind. Ansonsten dürfte ein separater Aufgabenkreis „Beteiligung am / oder Vertretung im Strafverfahren“ notwendig sein.
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Daher haben mehrere Oberlandesgerichte den Fall, dass ein Betreuer für seinen Betreuten als Strafverteidiger tätig wird, nicht mehr von dem allgemeinen Aufgabenkreis der Vertretung gegenüber Behörden als gedeckt angesehen (vgl. OLG Schleswig, NJW RR 2008, 91 = MDR 2007, 1263 = FGPrax 2007, 231= FamRZ 2008, 187 (Ls.); OLG Frankfurt, NJW RR 2005, 1166; OLG Hamm, NJW 2006, 1144 = FamRZ 2006, 576 (Ls.); OLG Hamburg, Beschl. vom 17.6.2013, 2 Ws 23-25/13; a.A.: KG Berlin, Beschl. v. 21.03.2001 – 1 AR 239/01 – juris; OLG Düsseldorf, Beschl. v. 30.06.1995 – 1 Ws 516/95, Rpfleger 1996, 81).
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Der Aufgabenkreis der Vermögenssorge berechtigt ihn nicht zur Strafantragsstellung gegen Angehörige des Betreuten (so auch OLG Hamm NJW 1960, 834; LG Hamburg, NStZ 2002, 39; [http://www.koelner.anwaltverein.de/dokumente/7bcd45fbf703da20c2a4855ded1cd08b.pdf#page=16 OLG Köln, wistra 2005, 392]; OLG Hamm NStZ 2008, 119; a.A.: LG Ravensburg FamRZ 2001, 937 und neuerdings BGH, Urteil vom 29.7.2014 - 5 StR 46/14; siehe dazu weiter unten).
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Ansonsten gibt es keine gesetzliche Vertretung des Beschuldigten im Ermittlungs- oder Strafverfahren. Ein Betreuer mit dem entsprechenden Aufgabenkreis ist daher NICHT der richtige Zustellungsempfänger. Alle Post ist vielmer ZWINGEND dem Beschuldigten selbst zuzuleiten, wenn er nicht SELBST einen Verteidiger mit Zustellvollmacht bestellt hat.
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Ein Betreuer ist allerdings seitens des Gerichtes als Beistand beizuordnen, wenn er dies beantragt (§ 149 StPO; vgl OLG Düsseldorf, NJW 1979, 938). In diesem Fall soll ihm der Termin zur Hauptverhandlung mitgeteilt werden. Er ist dann in der Verhandlung zu hören. Zu den Rechten eines Beistandes hat der BGH Einschränkungen bestimmt: BGH 3 StR 29/01 - Urteil v. 27. Juni 2001.
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Der Beschuldigte ist nicht verpflichtet, gegenüber der Polizei (oder dem Gericht) irgendwelche Angaben zu machen. Er kann die Aussage sowohl komplett verweigern, als auch erklären, dass er nur in Anwesenheit eines Beistandes Angaben machen werde. Macht er dagegen nach ordnungsgemäßer Belehrung i.S.v. § 136 Abs. 1 S. 2 StPO Angaben, sind diese grundsätzlich verwertbar. Bei einem Beschuldigten, der einen Betreuer hat, kann die Entscheidung des BGH vom 12.10.1993 - 1 StR 475/93 von Bedeutung sein: Hat der Betreute infolge eines geistigen Defektes die ihm erteilte Belehrung über sein Schweigerecht (§ 136 Abs. 1 S. 2 StPO) nicht verstehen können, ist die gemachte Aussage in der Hauptverhandlung nur mit seiner Zustimmung verwertbar (BGH BGHSt 39, 349 = NJW 1994, 333 = NStZ 1994, 95 = MDR 1994, 192 = StV 1994, 4).
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'''OLG Hamm, Urt vom 25.10.2005, 15 W 295/05''', FamRZ 2006, 576
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In der Regel ist eine Tätigkeit rechtlicher Betreuer in Strafverfahren nur erforderlich, wenn der Aufgabenkreis Vertretung in Strafverfahren übertragen worden ist.
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'''Beschluss des BGH vom 02.09.2013, 1 StR 369/13, StraFO 2013, 469:'''
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Die Befugnis des Tatrichters zur Verwerfung der Revision ist auf diejenigen Fälle beschränkt, in denen der Beschwerdeführer allein die für die Einlegung und Begründung des Rechtsmittels vorgeschriebenen Formen und Fristen nicht gewahrt hat. Kann sich die Unzulässigkeit der Revision aus einem anderen Grund ergeben, so hat allein das Revisionsgericht zu entscheiden, das sich nach der Strafprozessordnung umfassend mit dem Gesamtkomplex der Zulässigkeit befassen muss. Dies gilt auch dann, wenn ein solcher Grund mit Mängeln der Form- und Fristeinhaltung zusammentrifft. Eine Rechtsmittelrücknahme ist nicht wirksam, wenn der (Pflicht-)Verteidiger nicht zur Zurücknahme ausdrücklich ermächtigt war. Die Zustimmung des Betreuers zu einer Rechtsmittelrücknahme stellt keine ausdrückliche Ermächtigung dar, wenn sein Aufgabenbereich nicht auch die Vertretung in Strafsachen umfasst.
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'''OLG Hamburg, Beschluss vom 17.6.2013, 2 Ws 25/13, 2 Ws 23 - 25/13, 2 Ws 23/13, 2 Ws 24/13, 2 Ws 23 - 25/13 - 605 StVK 13 - 15/13''':
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Das OLG Hamburg hat erneut bestätigt, dass der Aufgabenkreis "Vertretung gegenüber Behörden" o.ä. zu unspezifisch ist. Die Rechtsfolge ist bereits in § 1902 BGB genannt.  Um z.B. eine Rechtsmittelbefugnis aus § 298 StPO zu haben, benötigt der Betreuer den Aufgabenkreis "Wahrnehmung der Rechte des Betreuten im Strafverfahren" oder alle Angelegenheiten.
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'''BGH, Urteil vom 29.7.2014, 5 StR 46/14''', NJW 2014, 2968 = NStZ 2014, 637:
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Zur Wirksamkeit des Strafantrags eines vom Amtsgericht bestellten Betreuers ohne ausdrückliche Erstreckung des Aufgaben-kreises auf eine Strafantragstellung. Dem BGH reichten umfassende andere Aufgabenkreise des Betreuers, die sich z.T. auf die Aufklärung von Pflichtwidrigkeiten des vorherigen Bevollmächtigten bezogen, aus, um ersteren für strafantragsberechtigt zu halten.
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'''OLG Dresden, Beschluss vom 5.2.2015, 2 OLG 21 Ss 734/14''':
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Erklärt der intelligenzgeminderte Angeklagte (hier bei einem IQ von 66), er beschränke seinen Einspruch gegen den Strafbefehl auf die Höhe des Tagessatzes und ist seine geistige Einschränkung dabei nicht durch die Inanspruchnahme verfahrensrechtlicher Hilfe ausgeglichen worden, erweist sich die Beschränkung des Einspruchs als unwirksam. Der nach § 1902 BGB bestellte Betreuer, dessen Bestellung sich nicht speziell auf das Strafverfahren bezieht, ist nicht verfahrensbeteiligt und hat deshalb nicht die Stellung eines verfahrensrechtlichen Beistandes.
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'''OLG Hamm, Beschluss vom 28.4.2016, 4 Ws 108/16''':
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Der Senat kann dahinstehen lassen, ob die Betreuerin in ihrer Funktion als Betreuerin für den Verurteilten wirksam die Beschwerde einlegen konnte. Ausweislich der Bestellungsurkunde erfolgte die Bestellung (u.a.) zur „Vertretung gegenüber Behörden und sonstigen Institutionen“. Weiter heißt es: „Die Betreuerin vertritt den Betroffenen im Rahmen ihres Aufgabenkreises gerichtlich und außergerichtlich.“ In der Rechtsprechung wird teilweise eine Befugnis des Betreuers zur Einlegung strafprozessualer Rechtsmittel bejaht, wenn es zu den Aufgaben des Betreuten gehört, Behördenangelegenheiten des Betreuten zu erledigen. Dafür, dass auch die Rechtsmitteleinlegung in (strafrechtlichen) gerichtlichen Verfahren zum o.g.  Aufgabenkreis gehört, könnte sprechen, dass nach § 11 Abs. 1 Nr. 7 StGB in der strafrechtlichen Terminologie Gerichte zu den Behörden gezählt werden. Ein anderer Teil der Rechtsprechung verlangt hingegen, dass die Betreuerbestellung den Aufgabenkreis der Vertretung in Strafsachen umfassen müsse. Der Senat braucht diese Frage aber nicht zu entscheiden, da –worauf die Generalstaatsanwaltschaft zutreffend hinweist - der Verurteilte die Betreuerin mit schriftlicher Vollmacht vom 30.07.2013 auch rechtsgeschäftlich zur Interessenwahrnehmung (u.a.) gegenüber Gerichten bevollmächtigt hat und das „Beschwerdeführen“ darin ausdrücklich benannt wird. Die Rechtsmitteleinlegung durch einen Vertreter ist möglich.
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'''BGH, Beschluss vom 6. Juli 2016 - 4 StR 149/16''':
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Nach der den Vorschriften der §§ 296 ff. StPO zugrunde liegenden Regelungssystematik kann der gesetzliche Vertreter des Beschuldigten die gemäß § 302 Abs. 2 StPO erforderliche Ermächtigung zur Rücknahme eines vom Verteidiger für den Beschuldigten eingelegten Rechtsmittels nicht wirksam für den Beschuldigten erteilen.
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'''BVerfG, Beschl. v. 05.10.2020 – 2 BvR 554/20'''
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# Der Anspruch auf effektiven Rechtsschutz sowie auf rechtliches Gehör ist verletzt, wenn das Gericht einen Einspruch (des Betreuers) gegen einen Strafbefehl ohne hinreichende Prüfung als verfristet behandelt, obschon sich Zweifel an der Verhandlungsfähigkeit des Angeschuldigten im Zeitpunkt der Zustellung des Strafbefehls und damit an der Wirksamkeit der Zustellung aufdrängen.
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# Zudem ist der Anspruch auf ein faires Verfahren verletzt, wenn die Fachgerichte trotz sich aufdrängender Zweifel an der Verhandlungsfähigkeit des Angeschuldigten von der Bestellung eines Pflichtverteidigers (§§ 140 ff StPO) absehen.
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'''OLG Brandenburg, Beschluss vom 25. Mai 2021 – 2 Ws 48/21 (S)'''
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# Ein gemäß § 1896ff. BGB bestellter Betreuer ist nur dann aus eigenem Recht im Strafverfahren vertretungsbefugt und gem. § 298 Abs. 1 StPO rechtsmittelbefugt, wenn sein Aufgabenbereich sich speziell oder nach dem allgemeinen Umfang der Bestellung auf eine Betreuung in dem betreffenden Strafverfahren bezieht (vgl. BGH, Beschluss vom 2. September 2013 – 1 StR 369/13).
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# Die Bestellung des Betreuers für die Aufgabenkreise „Vertretung in Rechtsangelegenheiten“ und „Vertretung gegenüber Behörden“, hinsichtlich derer auch ein Einwilligungsvorbehalt nicht angeordnet ist, genügt insoweit nicht.
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'''KG Berlin, Beschluss vom 20.12.2021, 2 Ss 35/21'''
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Wurde einem Angeklagten ein Betreuer mit dem „Aufgabenkreis Vertretung gegenüber Behörden“ bestellt, liegen in der Regel zugleich die Voraussetzungen des § 140 Abs. 2 StPO (Pflichtverteidigerbestellung) vor.
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'''LG Magdeburg, Beschluss vom 21.07.2022, 25 Qs 53/22, 25 Qs 262 Js 24395/22 (53/22)'''
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# Ist für den Beschuldigten ein Betreuer mit dem Aufgabenkreis „Vertretung vor Behörden“ bestellt, ist von einer Unfähigkeit des Beschuldigten zur Selbstverteidigung und somit von einer notwendigen Verteidigung im Sinne des § 140 Abs. 2 StPO auszugehen.
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# Dem Beschuldigten ist insoweit ein Pflichtverteidiger beizuordnen.
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'''BGH, Beschl. v. 04.08.2022 - 5 StR 272/22''', StV 2023, 209
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Der Aufgabenkreis des Betreuung hinsichtich der vertretung gegenuber Behorden, Sozialleistungsträgern und Gerichten umfasst nicht die befugnis der einlegung von Rechtsmitteln im Strafverfahren; die Wahrnehmung der Interessen Angeklagter liegt insoweit allein in den Händen der Verteidigung.
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'''Geldstrafe vom Betreuer aus Barbetrag zu zahlen?'''
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Das AG Gießen vertrat in einem Strafverfahren gegen einen Betreuer wegen Strafvereitelung kürzlich die Auffassung, dass der Betreuer dafür hätte sorgen müssen, dass die Geldstrafe des Betreuten aus dessen Sozialhilfe-Taschengeld gezahlt werde: [http://www.giessener-anzeiger.de/lokales/stadt-giessen/nachrichten-giessen/richter-zieht-schlussstrich_13679548.htm Pressemeldung dazu]
      
===Strafbefehl===
 
===Strafbefehl===

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