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=== Testierunfähigkeit wegen geistiger Beeinträchtigung ===
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=== Testierunfähigkeit wegen geistiger Beeinträchtigung ===
Ob ein letzter Wille unwirksam ist, hängt im Wesentlichen von drei Gruppen von Voraussetzungen ab, den materiell-rechtlichen, den medizinischen und den verfahrensrechtlichen.
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Ob ein letzter Wille unwirksam ist, hängt im Wesentlichen von drei Varianten von Voraussetzungen ab, den materiell-rechtlichen, den medizinischen und den verfahrensrechtlichen.
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'''Gesetzliche Voraussetzungen'''
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Gesetzliche Voraussetzungen
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Bei der Beurteilung der Frage, ob Testierunfähigkeit gem. § 2249 Abs. 4 BGB vorliegt, ist die Frage entscheidend, ob der Testator auf Grund einer psychischen Störung außer Stande ist, einen [[freier Wille|freien Willen]] zu bilden und danach zu handeln. Drei Voraussetzungen müssen zugleich erfüllt sein, damit Testierunfähigkeit vorliegt:
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*Krankhafte Störung der Geistestätigkeit bzw. Geistesschwäche oder Bewusstseinsstörung,
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*Unfähigkeit, die Bedeutung der Willenserklärung einzusehen (kognitives Element) und nach dieser Einsicht zu handeln (voluntatives Element),
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*Kausalität, d.h. die fehlende Einsichtsfähigkeit und die fehlende Freiheit der Willensbestimmung müssen auf der geistigen Störung beruhen.
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Bei der Beurteilung der Frage, ob Testierunfähigkeit gemäß § 2249 Abs. 4 BGB vorliegt, ist die Frage entscheidend, ob der Testator auf Grund einer psychischen Störung außer Stande ist, einen freien Willen zu bilden und danach zu handeln. Drei Voraussetzungen müssen zugleich erfüllt sein, damit Testierunfähigkeit vorliegt:
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Ob die Kriterien erfüllt sind, ist eine Rechtsfrage, für die Erkenntnisse der Medizin zwar von großer Bedeutung, letztlich aber nicht ausschlaggebend sind (Dittmann-Bengel-Reimann, § 2229 BGB Rz 11). Eine Bindung des Gerichts an die Einschätzung eines Sachverständigen besteht daher nicht (BayObLG vom 27.03.1986, FamRZ 1985, 742, 743).
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'''Medizinische Voraussetzungen'''
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- Krankhafte Störung der Geistestätigkeit bzw. Geistesschwäche oder Bewusstseinsstörung,
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Die krankhafte Störung der Geistestätigkeit und die Geistesschwäche unterscheiden sich nur graduell, d.h., die Geistesschwäche ist eine minderschwere Störung der Geistestätigkeit (Staudinger-Baumann, § 2229 Rz. 17). Die Geistesschwäche ist ihrer Natur nach aber in der Regel dauerhaft, während die krankhafte Störung der Geistestätigkeit vorübergehend sein kann.  
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- Unfähigkeit, die Bedeutung der Willenserklärung einzusehen (kognitives Element) und nach dieser Einsicht zu handeln (voluntatives Element),
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'''Verfahrensrechtliche Voraussetzungen'''
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- Kausalität, d.h. die fehlende Einsichtsfähigkeit und die fehlende Freiheit der Willensbestimmung müssen auf der geistigen Störung beruhen.
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Tauchen Zweifel an der Testierfähigkeit auf, sind nachfolgende Verfahrenspunkte zu beachten.
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'''Abwehr von Zweifeln an der Testierfähigkeit'''
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Ob die Kriterien erfüllt sind, ist eine Rechtsfrage, für die Erkenntnisse der Medizin zwar von großer Bedeutung, letztlich aber nicht ausschlaggebend sind (Dittmann-Bengel-Reimann § 2229 BGB Rz 11). Eine Bindung des Gerichts an die Einschätzung eines Sachverständigen besteht daher nicht (BayObLG 27.3.86, FamRZ 85, 742, 743).
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Wird die Gültigkeit des Testaments wegen angeblicher Testierunfähigkeit bezweifelt, so kann der eingesetzte Erbe auf Feststellung seines Erbrechts klagen (§ 256 ZPO). Dem erforderlichen Feststellungsinteresse steht nicht entgegen, dass gegenüber Banken und Grundbuchamt das Erbrecht normalerweise durch Vorlage des Erbscheins nachgewiesen wird. Unzulässig ist aber die Feststellungsklage von Dritten, die noch zu Lebzeiten des Erblassers dessen Testierfähigkeit bzw. Testierunfähigkeit feststellen lassen wollen. Ebenso unzulässig ist ein selbstständiges Beweisverfahren mit diesem Inhalt. Denn die bloß tatsächliche Aussicht, Erbe zu werden, ist noch keine schutzwürdige Rechtsposition, außerdem ist das Interesse des zukünftigen Erblassers, vor solchen Prozessen verschont zu werden, vorrangig (OLG Frankfurt 30.01.1997, NJW-RR 1997, 581).
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'''Zweifel des Nachlassgerichtes'''
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Medizinische Voraussetzungen
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Über die Erteilung des Erbscheins entscheidet das örtlich zuständige Nachlassgericht im Verfahren der Freiwilligen Gerichtsbarkeit (§ 2353 BGB, §§ 72 ff. FGG). Die Entscheidung des Gericht kann vom LG als Beschwerdegericht und vom OLG als Gericht der weiteren Beschwerde überprüft werden §§ 19, 27, 28 FGG). Gemäß § 2358 BGB, § 12 FGG, § 15 FGG hat das Nachlassgericht von Amts wegen die erforderlichen Ermittlungen anzustellen und die geeignet erscheinenden Beweise zu erheben. Art und Umfang der Ermittlungen richten sich nach den Anforderungen des Einzelfalles, wobei der Richter an den Vortrag und die Beweisangebote der Parteien nicht gebunden ist. Da die Testierfähigkeit die Regel und die Testierunfähigkeit die Ausnahme ist, muss nur konkreten Hinweisen auf die Testierunfähigkeit nachgegangen werden:
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In einem vom OLG Hamm (12.11.1996, FamRZ 1997, 1026) entschiedenen Fall genügte die allg. Behauptung, die Erblasserin habe starke Medikamente eingenommen nicht, um konkrete Zweifel an der Testierfähigkeit hervorzurufen. Das Gericht musste auf Grund dieser Behauptungen keine weiteren Ermittlungen einleiten.
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Die krankhafte Störung der Geistestätigkeit und die Geistesschwäche unterscheiden sich nur graduell, d.h., die Geistesschwäche ist eine minderschwere Störung der Geistestätigkeit (Staudinger-Baumann § 2229 Rz. 17). Die Geistesschwäche ist ihrer Natur nach aber in der Regel dauerhaft, während die krankhafte Störung der Geistestätigkeit vorübergehend sein kann. Im Anhang sind die wichtigsten Erscheinungsbilder von psychischen Erkrankungen wie Demenzen, schizophrene Psychosen und manisch-depressive Zustände aufgeführt, die die Testierfähigkeit beeinträchtigen. Zu beachten ist, dass die Diagnose einer solchen Erkrankung nicht automatisch zur Testierunfähigikeit führt.
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'''Grundsätze für die Behandlung von Gutachten'''
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Solange die Testierunfähigkeit nicht zur vollen Überzeugung des Gerichts feststeht, muss von der Testierfähigkeit als Regelfall ausgegangen werden. Kommt das Gericht auf Grund seiner Beweiserhebung zu der Ansicht, dass nicht genügend konkret für eine Testierunfähigkeit sprechende Tatsachen nachgewiesen sind, muss es keinen Sachverständigen beauftragen. Es kann auf Grund eigener Sachkunde von der Testierfähigkeit ausgehen (Bay0bLG vom 05.07.1990, NJW-RR 1990, 1419, 1420).
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Verfahrensrechtliche Voraussetzungen
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Umgekehrt kann die Testierunfähigkeit nur auf Grund eines [[Sachverständigengutachten]]s festgestellt werden. Der vom Gericht zu bestellende Sachverständige muss Neurologe oder Psychiater sein (BayObLG vom 05.07.1990, NJW-RR 1990, 1419). Das Gericht kann von der Beurteilung des Sachverständigen abweichen, muss sich aber mit dem Gutachten sorgfältig auseinander setzen. Widersprechende Gutachten zwingen nicht automatisch zur Beauftragung eines Obergutachtens. Ein solches ist nach pflichtgemäßen Ermessen des Gerichts nur bei besonders schwierigen Fällen, gravierenden Mängeln des Gutachtens oder überlegenen Forschungsmitteln des Obergutachters einzuholen.
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Wenn in einem Privatgutachten Einwände gegen das Gutachten des gerichtlich bestellten Sachverständigen erhoben werden, muss das Gericht diesen nachgehen und ggf. den Sachverhalt weiter aufklären. Es kann den Sachverständigen zur schriftlichen Ergänzung seines Gutachtens auffordern, ihn zur weiteren mündlichen Befragung laden oder ein zusätzliches Gutachten einholen. Das Gericht entscheidet nach pflichtgemäßem Ermessen (OLG Frankfurt/Main vom 22.12.1997, NJW-RR 1998, 870).
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Tauchen Zweifel an der Testierfähigkeit auf, so sind die nachfolgenden Verfahrenspunkte zu beachten.
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Ein Sonderfall ist das undatierte Testament. Steht die Testierunfähigkeit des Erblassers zu irgendeinem Zeitpunkt fest, nicht aber wann er das Testament errichtet hat, so ist dieses nach § 2247 Abs. 5 BGB als unwirksam anzusehen (BayObLG vom 11.04.1996, NJW-RR 1996, 1160, 1161).
 
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Abwehr von Zweifeln an der Testierfähigkeit
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Wird die Gültigkeit des Testaments wegen angeblicher Testierunfähigkeit bezweifelt, so kann der eingesetzte Erbe auf Feststellung seines Erbrechts klagen (§ 256 ZPO). Dem erforderlichen Feststellungsinteresse steht nicht entgegen, dass gegenüber Banken und Grundbuchamt das Erbrecht normalerweise durch Vorlage des Erbscheins nachgewiesen wird. Unzulässig ist aber die Feststellungsklage von Dritten, die noch zu Lebzeiten des Erblassers dessen Testierfähigkeit bzw. Testierunfähigkeit feststellen lassen wollen. Ebenso unzulässig ist ein selbstständiges Beweisverfahren mit diesem Inhalt. Denn die bloß tatsächliche Aussicht, Erbe zu werden, ist noch keine schutzwürdige Rechtsposition, außerdem ist das Interesse des zukünftigen Erblassers, vor solchen Prozessen verschont zu werden, vorrangig (OLG Frankfurt 30.1.97, NJW-RR 97, 581).
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Zweifel des Nachlassgerichtes
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Über die Erteilung des Erbscheins entscheidet das örtlich zuständige Nachlassgericht im Verfahren der Freiwilligen Gerichtsbarkeit (§§ 2353 BGB, 72 ff. FGG). Die Entscheidung des Gericht kann vom LG als Beschwerdegericht und vom OLG als Gericht der weiteren Beschwerde überprüft werden (§§ 19, 27, 28 FGG). Gemäß §§ 2358 BGB, 12, 15 FGG hat das Nachlassgericht von Amts wegen die erforderlichen Ermittlungen anzustellen und die geeignet erscheinenden Beweise zu erheben. Art und Umfang der Ermittlungen richten sich nach den Anforderungen des Einzelfalles, wobei der Richter an den Vortrag und die Beweisangebote der Parteien nicht gebunden ist. Da die Testierfähigkeit die Regel und die Testierunfähigkeit die Ausnahme ist, muss nur konkreten Hinweisen auf die Testierunfähigkeit nachgegangen werden:
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In einem vom OLG Hamm (12.11.96, FamRZ 97, 1026) entschiedenen Fall genügte die allg. Behauptung, die Erblasserin habe starke Medikamente eingenommen nicht, um konkrete Zweifel an der Testierfähigkeit hervorzurufen. Das Gericht musste auf Grund dieser Behauptungen keine weiteren Ermittlungen einleiten.
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Grundsätze für die Behandlung von Gutachten
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Solange die Testierunfähigkeit nicht zur vollen Überzeugung des Gerichts feststeht, muss es von der Testierfähigkeit als Regelfall ausgehen. Kommt das Gericht auf Grund seiner Beweiserhebung zu der Ansicht, dass nicht genügend konkret für eine Testierunfähigkeit sprechende Tatsachen nachgewiesen sind, muss es keinen Sachverständigen beauftragen. Es kann auf Grund eigener Sachkunde von der Testierfähigkeit ausgehen (Bay0bLG 5.7.90, NJW-RR 90, 1419, 1420).
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Umgekehrt kann die Testierunfähigkeit nur auf Grund eines Sachverständigengutachtens festgestellt werden. Der vom Gericht zu bestellende Sachverständige muss Neurologe oder Psychiater sein (BayObLG 5.7.90, NJW-RR 90, 1419). Das Gericht kann von der Beurteilung des Sachverständigen abweichen, muss sich aber mit dem Gutachten sorgfältig auseinander setzen. Widersprechende Gutachten zwingen nicht automatisch zur Beauftragung eines Obergutachtens. Ein solches ist nach pflichtgemäßen Ermessen des Gerichts nur bei besonders schwierigen Fällen, gravierenden Mängeln des Gutachtens oder überlegenen Forschungsmitteln des Obergutachters einzuholen.
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Wenn in einem Privatgutachten Einwände gegen das Gutachten des gerichtlich bestellten Sachverständigen erhoben werden, muss das Gericht diesen nachgehen und ggf. den Sachverhalt weiter aufklären. Es kann den Sachverständigen zur schriftlichen Ergänzung seines Gutachtens auffordern, ihn zur weiteren mündlichen Befragung laden oder ein zusätzliches Gutachten einholen. Das Gericht entscheidet nach pflichtgemäßem Ermessen (OLG Frankfurt 22.12.97, NJW-RR 98, 870).
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Ein Sonderfall ist das undatierte Testament. Steht die Testierunfähigkeit des Erblassers zu irgendeinem Zeitpunkt fest, nicht aber wann er das Testament errichtet hat, so ist dieses nach § 2247 V BGB als unwirksam anzusehen (BayObLG 11.4.96, NJW-RR 96, 1160, 1161).
      
==Erbvertrag==
 
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