Änderungen

Zur Navigation springen Zur Suche springen
Zeile 21: Zeile 21:     
Die örtliche zuständige Behörde hat den Betreuer gem. § 326 Abs. 1 FamFG auch bei der Verlegung  von einer genehmigten und bereits vollzogenen geschlossenen Unterbringungseinrichtung zu einer anderen Unterbringungseinrichtung zu unterstützen und erforderlichenfalls Gewalt anwenden, wenn das Gericht dies nach § 326 Abs. 2 FamFG anordnet.
 
Die örtliche zuständige Behörde hat den Betreuer gem. § 326 Abs. 1 FamFG auch bei der Verlegung  von einer genehmigten und bereits vollzogenen geschlossenen Unterbringungseinrichtung zu einer anderen Unterbringungseinrichtung zu unterstützen und erforderlichenfalls Gewalt anwenden, wenn das Gericht dies nach § 326 Abs. 2 FamFG anordnet.
 +
 +
'''LG Hannover, Beschluss vom 9.9.2019, 4 T 70/19''':
 +
 +
Für die betreuungsgerichtliche Genehmigung der zwangsweisen Verbringung des Betreuten in ein offenes Heim besteht keine gesetzliche Grundlage. § 326 Abs. 2 FamFG kann nicht entsprechend angewendet, da die Vorschrift eine Unterbringungsmaßnahme voraussetzt (Anschluss an BGH, Beschl. v. 11.10.2000 – XII ZB 69/00, BGHZ 145, 297).
    
==Anwendung unmittelbaren Zwangs==
 
==Anwendung unmittelbaren Zwangs==
Zeile 64: Zeile 68:     
Es kommt immer wieder vor, dass Demenzkranke Weglauftendenzen aufweisen und orientierungslos herumirren. Das nachfolgend dargestellte Rechtsproblem dürfte daher von großem Interesse für Angehörige und Betreuer sein:  Das Verwaltungsgericht Hannover hat entschieden, dass die Polizei ein Absehen von der Erhebung einer Gebühr für die Beförderung zu prüfen hat, wenn hinreichende Anhaltspunkte vorliegen, dass ein von ihnen Beförderter dauerhaft geschäftsunfähig ist. Hintergrund des Urteils war, dass sich Polizeibeamte eines 87-jährigen, an Demenz erkrankten Bewohners eines Wohnstifts annahmen, der in der Stadt herumirrte, und ihn zu seiner Einrichtung zurückgeführten. Für dieses Zurückbringen in das häusliche Umfeld wurde daraufhin mittels eines Bescheids eine Gebühr in Höhe von 65,- € für den Einsatz von zwei Beamten für je eine halbe Stunde sowie Nutzung des Fahrzeugs berechnet. Der Sohn als Betreuer des Demenzkranken wandte sich gegen diesen Bescheid. Der Klage wurde stattgegeben. Der Kläger argumentierte, ein Geschäftsunfähiger könne kein Kostenschuldner im Verwaltungsverfahren sein. Aus diesem Grund sei er auch kein Störer im verwaltungsrechtlichen Sinne und damit auch kein Kostenschuldner. Die Gegenseite führte aus, der Demenzkranke habe sich orientierungslos im öffentlichen Verkehrsraum bewegt und damit für die Allgemeinheit eine Gefahr dargestellt. Es habe somit im Ermessen der Beamten gelegen, wie dieser Gefahr am besten entgegenzuwirken sei. Durch die Beförderung sei der Demenzkranke am wenigsten belastet worden, auf die Geschäftsunfähigkeit käme es dabei nicht an. Der Klage des Demenzkranken durch seinen Betreuer wurde stattgegeben, mit der Begründung, die Polizeibeamten hätten zwar rechtmäßig und ermessensfehlerfrei entschieden, jedoch habe man bei korrekter Ermessensausübung auf eine Kostenerhebung verzichten müssen. Die von der Polizei gewählte Beförderung zurück in die Einrichtung sei auf jeden Fall die richtige und effektivste Entscheidung gewesen, da die von dem Kläger ausgehende Gefahr schneller beendet worden sei als durch Alternativmaßnahmen wie ein Abholen durch Mitarbeiter der Einrichtung oder eine Taxifahrt. Bei der Erhebung des Bescheids habe die Polizei ihr Ermessen jedoch gar nicht ausgeübt. Nach dem Niedersächsischen Verwaltungskostengesetz kann von der Erhebung einer Gebühr ganz oder teilweise abgesehen werden, wenn daran ein öffentliches Interesse besteht. Ein solches kann nach Überzeugung des Gerichts dann vorliegen, wenn der Veranlasser geschäftsunfähig ist, die Geschäftsunfähigkeit für die Behörde auch erkennbar war und er keinen Antrag auf die Amtshandlung gestellt hat. Der Schutz von Geschäftsunfähigen stehe unzweifelhaft im öffentlichen Interesse. Diesem Schutz räume die Rechtsordnung absoluten Vorrang vor dem Schutzbedürfnis des Rechtsverkehrs ein. Dies ergebe sich aus dem Schutzauftrag des Staats, der sich aus der Pflicht zum Schutz der Menschenwürde gemäß Art. 1 Grundgesetz und dem Sozialstaatsprinzip ableite. Durch die Nichtausübung ihres Ermessens habe die Behörde subjektive Rechte des Klägers verletzt. Der Heranziehungsbescheid war aus diesem Grund als rechtswidrig zu betrachten.
 
Es kommt immer wieder vor, dass Demenzkranke Weglauftendenzen aufweisen und orientierungslos herumirren. Das nachfolgend dargestellte Rechtsproblem dürfte daher von großem Interesse für Angehörige und Betreuer sein:  Das Verwaltungsgericht Hannover hat entschieden, dass die Polizei ein Absehen von der Erhebung einer Gebühr für die Beförderung zu prüfen hat, wenn hinreichende Anhaltspunkte vorliegen, dass ein von ihnen Beförderter dauerhaft geschäftsunfähig ist. Hintergrund des Urteils war, dass sich Polizeibeamte eines 87-jährigen, an Demenz erkrankten Bewohners eines Wohnstifts annahmen, der in der Stadt herumirrte, und ihn zu seiner Einrichtung zurückgeführten. Für dieses Zurückbringen in das häusliche Umfeld wurde daraufhin mittels eines Bescheids eine Gebühr in Höhe von 65,- € für den Einsatz von zwei Beamten für je eine halbe Stunde sowie Nutzung des Fahrzeugs berechnet. Der Sohn als Betreuer des Demenzkranken wandte sich gegen diesen Bescheid. Der Klage wurde stattgegeben. Der Kläger argumentierte, ein Geschäftsunfähiger könne kein Kostenschuldner im Verwaltungsverfahren sein. Aus diesem Grund sei er auch kein Störer im verwaltungsrechtlichen Sinne und damit auch kein Kostenschuldner. Die Gegenseite führte aus, der Demenzkranke habe sich orientierungslos im öffentlichen Verkehrsraum bewegt und damit für die Allgemeinheit eine Gefahr dargestellt. Es habe somit im Ermessen der Beamten gelegen, wie dieser Gefahr am besten entgegenzuwirken sei. Durch die Beförderung sei der Demenzkranke am wenigsten belastet worden, auf die Geschäftsunfähigkeit käme es dabei nicht an. Der Klage des Demenzkranken durch seinen Betreuer wurde stattgegeben, mit der Begründung, die Polizeibeamten hätten zwar rechtmäßig und ermessensfehlerfrei entschieden, jedoch habe man bei korrekter Ermessensausübung auf eine Kostenerhebung verzichten müssen. Die von der Polizei gewählte Beförderung zurück in die Einrichtung sei auf jeden Fall die richtige und effektivste Entscheidung gewesen, da die von dem Kläger ausgehende Gefahr schneller beendet worden sei als durch Alternativmaßnahmen wie ein Abholen durch Mitarbeiter der Einrichtung oder eine Taxifahrt. Bei der Erhebung des Bescheids habe die Polizei ihr Ermessen jedoch gar nicht ausgeübt. Nach dem Niedersächsischen Verwaltungskostengesetz kann von der Erhebung einer Gebühr ganz oder teilweise abgesehen werden, wenn daran ein öffentliches Interesse besteht. Ein solches kann nach Überzeugung des Gerichts dann vorliegen, wenn der Veranlasser geschäftsunfähig ist, die Geschäftsunfähigkeit für die Behörde auch erkennbar war und er keinen Antrag auf die Amtshandlung gestellt hat. Der Schutz von Geschäftsunfähigen stehe unzweifelhaft im öffentlichen Interesse. Diesem Schutz räume die Rechtsordnung absoluten Vorrang vor dem Schutzbedürfnis des Rechtsverkehrs ein. Dies ergebe sich aus dem Schutzauftrag des Staats, der sich aus der Pflicht zum Schutz der Menschenwürde gemäß Art. 1 Grundgesetz und dem Sozialstaatsprinzip ableite. Durch die Nichtausübung ihres Ermessens habe die Behörde subjektive Rechte des Klägers verletzt. Der Heranziehungsbescheid war aus diesem Grund als rechtswidrig zu betrachten.
 +
 +
==Podcast betroyt.de==
 +
*[https://betroyt.de/podcast/#11 Betroyt-de-Podcast von Rechtsanwalt Roy Kreutzer zum Thema Zuführung]
    
==Literatur==
 
==Literatur==
 
[[Bild:Zeitschrift.jpg|right]]
 
[[Bild:Zeitschrift.jpg|right]]
===Bücher im Bundesanzeiger-Verlag===
+
===Bücher im Reguvis-Verlag===
 
  −
*[https://shop.bundesanzeiger-verlag.de/betreuung-und-pflege/handbuch-betreuungsbehoerde/?cHash=e81c28bbbb16964ae8a35105f5ea5587 Deinert/Walther: Handbuch Betreuungsbehörde, Neuauflage 2006]
      +
*[https://shop.reguvis.de/betreuung-und-pflege/handbuch-betreuungsbehoerde/ Deinert/Walther: Handbuch Betreuungsbehörde, Neuauflage 2014]
    
===Zeitschriftenbeiträge===
 
===Zeitschriftenbeiträge===
Zeile 78: Zeile 84:  
*Deinert: Freiheitsentziehende Unterbringung betreuter Menschen; Deutsches Polizeiblatt 2016, 25
 
*Deinert: Freiheitsentziehende Unterbringung betreuter Menschen; Deutsches Polizeiblatt 2016, 25
 
*Köhle, Eugen: Zwangsvorführung durch die Betreuungsbehörde – eine weitere Aufgabe der Betreuungsbehörde, BtPrax 1995, 93
 
*Köhle, Eugen: Zwangsvorführung durch die Betreuungsbehörde – eine weitere Aufgabe der Betreuungsbehörde, BtPrax 1995, 93
 +
*Scheulen: Die Aufgaben der Betreuungsbehörde bei der Vorführung, Zuführung und Verbringung des Betreuten; BtPrax 2022, 55
 
*[http://www.bt-portal.de/fileadmin/BT-Prax/Fachbeitraege_PDF/Betreuungsbehoerden/Walther_Betreunsgbehoerden_97.pdf Walther: Vorführungen und Zuführungen – eine neue Aufgabe örtlicher Betreuungsbehörden. Ein Praxisbericht, BtPrax 1997, 42 (PDF)]
 
*[http://www.bt-portal.de/fileadmin/BT-Prax/Fachbeitraege_PDF/Betreuungsbehoerden/Walther_Betreunsgbehoerden_97.pdf Walther: Vorführungen und Zuführungen – eine neue Aufgabe örtlicher Betreuungsbehörden. Ein Praxisbericht, BtPrax 1997, 42 (PDF)]
 
*[http://psychiatrie.de/data/pdf/53/05/00/rp_04_2007_167.pdf ders.: Vor- und Zuführungen in Betreuungs- und Unterbringungsverfahren; R&P 2007, 167 (auch als PDF)]
 
*[http://psychiatrie.de/data/pdf/53/05/00/rp_04_2007_167.pdf ders.: Vor- und Zuführungen in Betreuungs- und Unterbringungsverfahren; R&P 2007, 167 (auch als PDF)]

Navigationsmenü