Vorführung

Aus Online-Lexikon Betreuungsrecht
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Vorführungsaufgaben der Betreuungsbehörde

Die Betreuungsbehörde hat im Betreuungsverfahren den Betroffenen auf Anweisung des Gerichtes zur persönlichen Anhörung (§ 68 Abs. 3 FGG ) und zur Untersuchung durch den Sachverständigen (§ 68bAbs. 3 FGG ) vorzuführen. Bei dem Verfahren zur zivilrechtlichen Unterbringung70 Abs. 1 Ziff. 1b FGG) gilt das gleiche (§ 70g Abs. 4 , 70 e Abs. 2 i.V.m. 68 b Abs. 3 FGG).

Rechtsprechung:

OLG München, Beschluss vom 09.06.2006, 33 Wx 124/06

Die Androhung der Vorführung eines Betroffenen zur psychiatrischen Begutachtung ist bei einer im Raum stehenden Verlängerung der Betreuung unanfechtbar (Abgrenzung zu BayObLG BtPrax 1995, 182 = FamRZ 1996, 499).

OLG Celle, Beschluss vom 23.10.2006, 17 W 101/06

Eine Untersuchungs- und Vorführungsanordnung ist bei verfassungsgemäßer Auslegung des § 68 b Abs. 3 S. 2 FGG zumindest dann anfechtbar, wenn gleichzeitig die Befugnis zur Anwendung von Gewalt gegen den Betroffenen und/oder die Erlaubnis zum gewaltsamen Zutritt zu dessen Wohnung erteilt wird.

OLG Stuttgart, Beschluss vom 30.06.2006 - 8 W 140/06:

In einem Verfahren zur Bestellung eines Betreuers, das von der Rechtsanwaltskammer nach §§ 16 Abs. 3, 224a BRAO (i.V.m. § 1 VO JMBW v. 30.11.1998) beantragt wurde, um einem betroffenen Rechtsanwalt im anwaltsgerichtlichen Verfahren eine ausreichende Wahrnehmung seiner Rechte zu gewährleisten, kann der Betroffene zur Anhörung weder vorgeführt, noch kann zur Begutachtung seines psychischen Zustands eine Vorführung oder seine Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus angeordnet werden. Denn nach § 117 BRAO darf ein Rechtsanwalt zur Durchführung eines solchen Verfahrens weder vorläufig festgenommen noch verhaftet oder vorgeführt werden. Er kann auch nicht zur Vorbereitung eines Gutachtens über seinen psychischen Zustand in ein psychiatrisches Krankenhaus verbracht werden.

Eingriff in Persönlichkeitsrechte

Die zwangsweise Vorführung von Betroffenen zu Anhörungen und Untersuchungen stellt einen schweren Eingriff in die Persönlichkeitsrechte der Betroffenen dar (Art. 2 Grundgesetz ). Daher muss der Erforderlichkeitsgrundsatz und der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit hier besonders streng beachtet werden. Da die Maßnahmen dem Wohl des Betroffenen dienen sollen, muss Schaden, der erst durch die Vorführung entstehen kann, unbedingt vermieden werden. Durch die zwangsweise Vorführung können beim Betroffenen Verhaltensweisen entstehen oder sich derart verstärken (z.B. Erregungszustände), dass diese erst die Unterbringung erforderlich erscheinen lassen. Der Vormundschaftsrichter muss sich dessen bewußt sein und Vorführungen nur im Ausnahmefall anordnen.

Vorgehensweise

Vorführungen sollen daher, sofern dennoch erforderlich, durch fachlich ausgebildetes Personal der Betreuungsbehörde und möglichst schonend durchgeführt werden. Genaue Verfahrensanweisungen, wie die Behörde die Vorführung durchzuführen hat, gibt es nicht. Dem Betroffenen sollte die gerichtliche Anweisung gezeigt und auf Wunsch eine Abschrift aushändigt werden, der Betroffenen sollte ferner die Möglichkeit haben, eine Vertrauensperson zu benachrichtigen.

Praxishinweise:

  • im Umfeld und mit Betroffenem vorher prüfen, ob er angesichts des Vorführungsbeschlusses jetzt doch bereit ist, freiwillig zum Richter/Sachverständigen mit zu gehen;
  • ggf. über Hausmeister/Vermieter und mit Hilfe eines Zweitschlüssel den Einsatz des Schlossers oder einen Türaufbruch vermeiden
  • wenn man den Termin plant, beachten, dass sich Betroffener vorher dem Termin entzieht (evtl. Gewohnheiten berücksichtigen; Termin morgens früh etc.)
  • bei einer Vorführung zum Sachverständigen eine weitere Vorführung zur Anhörung beim Vormundschaftsrichter vermeiden, indem ggf. vorgeschlagen wird, die Anhörung gleich im Anschluss an die Begutachtung durchzuführen
  • wenn Sie aktuelle Informationen haben, die die Erforderlichkeit einer Betreuung entbehrlich machen, unmittelbare Information an Richter; Vorführung ggf. abbrechen.

Anwendung unmittelbaren Zwangs?

Die Frage der Anwendung von Gewalt durch Mitarbeiter der Betreuungsbehörde ist nicht geregelt. Lediglich im § 70g Absatz 5 FGG, der aber nicht für Vorführungen, sondern für den Vollzug von Unterbringungsmaßnahmen durch Betreuer gilt, ist geregelt, dass die Behörde Gewalt aufgrund besonderer gerichtlicher Entscheidung anwenden und ggf. die Unterstützung der Polizei in Anspruch nehmen kann.

Eine ähnliche Formulierung enthält § 33 Absatz 2 FGG, der für die sonstigen Vorführungen im Rahmen des FGG durch Gerichtsvollzieher gilt. Diese Bestimmungen müssen sinngemäß auch für Vorführungen durch die Betreuungsbehörde gelten.

Wohnungszutritt

Auch wenn die Wohnung des Betroffenen gegen dessen Willen betreten werden muss, ist eine gerichtliche Ermächtigung erforderlich (Art. 13 Grundgesetz ).

Insgesamt sind die Bestimmungen über Vorführungen durch die Betreuungsbehörde als problematisch zu betrachten. Gerade wenn davon auszugehen ist, dass auch künftig oft die Behörde (oder ein Behördenmitarbeiter zum Betreuer bestellt ist oder werden soll, leidet das Vertrauensverhältnis zum Betreuten erheblich, wenn die gleiche Behörde die Vorführungen zur Anhörung und Untersuchung zu bewerkstelligen hat.

Siehe auch

Weblinks