Verfahrenspfleger

Aus Online-Lexikon Betreuungsrecht
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Verfahrenspflegerbestellungen in Betreuungs- und Unterbringungsverfahren
Verfahrenspflegerbestellungen im regionalen Vergleich

Allgemeines

Der Verfahrenspfleger hat die Aufgabe, im Verfahren vor dem Vormundschaftsgericht, ab 1.9.2009 Betreuungsgericht (auf Bestellung eines Betreuers oder Anordnung einer Unterbringung) die Interessen des Betroffenen zu vertreten und kann hier Anträge stellen, Rechtsmittel einlegen und an den Anhörungen teilnehmen.

Die Bestellung von Verfahrenspflegern ist 2008 erheblich angestiegen (2008: 98.019 2007: 89.576) und überstieg auch die bisherige Höchstzahl 2005 (93493) deutlich. 2008 wurden in 67 % der Fälle Anwälte als Verfahrenspfleger bestellt, in 33 % andere beruflich tätige Personen. Ehrenamtliche Verfahrenspfleger wurden nicht gezählt. Siehe Grafiken rechts.

Aufgaben

Der Verfahrenspfleger soll dem Betroffenen erläutern, wie das gerichtliche Verfahren abläuft, ihm Inhalte und Mitteilungen des Gerichtes erläutern. Auch soll er Wünsche des Betroffenen an das Gericht übermitteln. Auch kann er darauf achten, ob alle möglichen freiwilligen Hilfen für den Betroffenen ausgeschöpft sind. Rechtsgrundlagen: in Betreuungsverfahren § 276 FamFG, in Unterbringungsverfahren § 317 FamFG. Weitere Rechtsgrundlagen zur Bestellung von Verfahrenspflegern: § 297 FamFG (Sterilisation, § 298 FamFG Sterbehilfe.

Jährlich werden ca. 90.000 Verfahrenspfleger bestellt. Diese Zahlen beziehen sich nur auf die Verfahrenspfleger in betreuungs- und unterbringungsrechtlichen Verfahren, nicht im Kindschaftsrecht. Durch eine Änderung des FGG im Rahmen des BtG zum 01.01.1992 (Gesetz über Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit) wurde aus der Kann-Regelung, eine verbindliche Bestellpraxis. Vor Inkrafttreten des BtG war es u.a. Ermessensfrage des Richters, ob und wann er einen Verfahrenspfleger bestellt hat. Meist wurde sich dabei an der Schwere des Verfahrens und der Erheblichkeit des Eingriffs in die Betroffenenrechte orientiert.

Hierzu hat das OLG Frankfurt a.M. Stellung genommen: „Der Verfahrenspfleger ist Pfleger eigener Art. Er ist dem Betroffenen zur Seite zu stellen, soweit dies zur Wahrung der Interessen des Betroffenen erforderlich ist. [...] Hintergrund der gesetzgeberischen Überlegung war hierbei speziell in Bezug auf das Unterbringungsverfahren, dass der Betroffene bei diesen besonders schweren Eingriffen in seine Freiheit nicht allein stehen, sondern fachkundig beraten und vertreten werden soll. Der Verfahrenspfleger hat im Rahmen des Verfahrens, für das er bestellt ist, die Rechtsstellung eines gesetzlichen Vertreters des Betroffenen. Er braucht Weisungen des Betroffenen nicht zu beachten, sondern hat nur die objektiven Interessen des Betroffenen wahrzunehmen.“

Nach erfolgreicher Umsetzung der FGG-Reform, wird das Gericht künftig in allen Verfahren in denen Kinder u. Jugendliche betroffen sind einen eigenen Interessensvertreter bestellen müssen. Diese Funktion im Minerjährigenrecht heißt seit 01.09.2009 "Verfahrensbeistand".

Qualifikation

Anteile anwaltlicher Verfahrenspfleger

Der Verfahrenspfleger kann Rechtsanwalt sein, muss es aber nicht. Seit dem 1. Juli 2005 können sogar Verfahrenspfleger ehrenamtlich bestellt werden. Angesichts der notwendigen Kenntnisse des Gerichtsverfahren dürfte dies in der Praxis aber illusorisch sein. Bewährt haben sich Modelle, in denen auf eine pädagogische oder psychologische Grundausbildung (meist ein Studium) juristisches Zweitstudium aufgesetzt wird. Besonders durch die, nicht ganz unkomplexen Bereiche des materiellen Familienrechts, des Sozialrechts, der verschiedenen Prozessordnungen (ZPO, FGG, HausratVO, etc.) ist diese Möglichkeit der Qualifikation sicher adäquat am Bedarf und der späteren Praxis orientiert. Die Bundesverbände für Verfahrenspfleger entwickeln regelmäßig Standards und einen Codex, damit insgesamt die Verfahrenspfleger nach gleichen Grundsätzen arbeiten und eine Qualitätssicherung der Arbeit gegeben ist.

Ende des Verfahrens, Rechtsmittel

Die Bestellung des Verfahrenspflegers endet mit dem Abschluss des Verfahrens, für das er bestellt ist. Anschließend befasst das OLG Frankfurt sich mit der Frage, unter welchen Voraussetzungen dem Verfahrenspfleger ein Beschwerderecht gegen Entscheidungen des Vormundschaftsgerichts zusteht. Dabei wird unterschieden zwischen den Fällen, in denen die eigene Rechtsstellung des Verfahrenspflegers verletzt und ihm deshalb ein Beschwerderecht zustehen kann und den Fällen, in denen ein Recht des Betroffenen verletzt ist und der Verfahrenspfleger als dessen gesetzlicher Vertreter Beschwerde einlegen kann. Hier wird auf das eigenständige Beschwerderecht des Verfahrenspflegers – unabhängig vom Willen des Betroffenen – hingewiesen.

Allerdings ist die Beschwerde des Verfahrenspflegers nur dann zulässig, wenn auch der Betroffene selbst gegen die angefochtene Entscheidung Beschwerde einlegen könnte. Dies kann er aber dann nicht, wenn er durch die Entscheidung nicht „beschwert“ ist. So war es im entschiedenen Fall, bei dem das Betreuungsgericht die geschlossene Unterbringung des Betroffenen nicht etwa angeordnet oder genehmigt, sondern abgelehnt hatte.

Ab 1.9.2009 ist der Verfahrenspfleger bis zum Ende des jeweiligen Verfahrens bestellt. Eine Neubestellung durch eine höhere Gerichtsinstanz ist daher nicht mehr nötig.

Betreuungsverfahren

§ 67 FGG; ab 1.9.2009 § 276 FamFG, hebt besonders drei Fälle hervor, in denen in der Regel im Betreuungsverfahren ein Verfahrenspfleger zu bestellen ist:

  • wenn von der persönlichen Anhörung des Betroffenen abgesehen werden soll;
  • wenn Gegenstand des Verfahrens die Anordnung einer Betreuung für alle Angelegenheiten ist;
  • wenn über die Genehmigung der Einwilligung des Betreuers in eine Sterilisation (§ 1905 BGB) entschieden werden soll (ab 1.9.2009 § 297 FamFG).
  • ab 1.9.2009 ist ein Verfahrenspfleger auch zwingend bei der Beendigung lebenserhaltender Maßnahmen1904 Abs. 2 BGB) zu bestellen, wenn es zu einem betreuungsgerichtlichen Genehmigungsverfahren kommt (§ 298 FamFG).

Unterbringungsverfahren

Im Unterbringungsverfahren soll der Verfahrenspfleger stets bestellt werden, es sei denn, der Richter begründet ausdrücklich, warum er keinen Verfahrenspfleger für nötig hält (§ 70b FGG, ab 01.09.2009 § 317 FamFG).

Rechtsprechung

Siehe unter: Rechtsprechung zum Verfahrenspfleger

Vergütung

Der Verfahrenspfleger wird nach § 67a FGG, ab 1.9.2009 § 277 FamFG, wie ein Vormund vergütet, mit einem Stundensatz von zwischen 19,50 und 33,50 Euro (je nach Qualifikation) zuzügl. MWSt. Die Vergütung erfolgt stets aus der Staatskasse. Diese kann aber dem Betreuten die Verfahrenspflegervergütung im Rahmen der Gerichtskosten als Auslagen in Rechnung stellen, wenn der Betreute über mehr als 2.600 Euro Vermögen verfügt. Außerdem erhält der Verfahrenspfleger Aufwendungsersatz. Die Verfahrenspflegervergütung kann dem Betreuten als Teil der Gerichtskosten gem. § 93a KostO in Rechnung gestellt werden.

Rechtsprechung:

OLG München, Beschluss vom 24.06.2008, 33 Wx 127/08; BtPrax 2008, 219 = FamRZ 2008, 2150 = FGPrax 2008, 207 = BtMan 2008, 227 (Ls) = Rpfleger 2008, 574 = MDR 2008, 976 = NJW-RR 2009, 355 :

Ob ein in einer Unterbringungssache zum Verfahrenspfleger bestellter Rechtsanwalt seine Tätigkeit als berufsspezifische Dienstleistung nach dem RVG (in Verbindung mit § 1835 Abs. 3 BGB) als Aufwendungsersatz abrechnen kann, hängt nach h. M. davon ab, ob ein qualifizierter Laie als Verfahrenspfleger anwaltlichen Rat gesucht hätte. Die Beurteilung, ob eine vom Betroffenen bei der Anhörung abgegebene Erklärung freiwilligen Verbleibs in der Einrichtung beachtlich ist, erfordert keine anwaltstypischen besonderen Rechtskenntnisse.

Der neue Verfahrensbeistand eines Minderjährigen erhält ab 1.9.2009 gem. § 158 Abs. 7 FamFG nur noch eine Pauschalvergütung von 350/550 Euro.

Literatur

Bücher

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Zeitschriftenbeiträge

Allgemein

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  • Balloff, Einordnung und Bewertung von Gerichtsgutachten und Stellungnahmen aus Sicht des Verfahrenspflegers, FPR 2006, 36
  • Bauer/Rink: Kritik des Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Betreuungsrechts sowie weiterer Vorschriften (Betreuungsrechtsänderungsgesetz – BtÄndG – 2. Teil BtPrax 1996, 158
  • Bienwald: Zur Verfahrenspflegschaft durch Mitarbeiter von Vereinen und Behörden, FamRZ 2000, 415
  • ders.: Zur Anfechtung der Bestellung eines Verfahrenspflegers nach § 67 FGG durch den Betroffenen, FamRZ 2003, 1277
  • Donner: Der Verfahrenspfleger von des Betreuers Gnaden?, BtPrax 1994, 10
  • Drehtweg: Verfahrenspflegschaft im Betreuungsverfahren; BtPrax 2006, 17
  • Grell: Qualifikation des Verfahrenspflegers, Rpfleger 1993, 321
  • Hannemann/Kunkel: Der Verfahrenspfleger – das „unbekannte Wesen“; FamRZ 2004, 1833
  • Heistermann: Verfahrenspflegschaft im Betreuungsrecht – ein Fall für den Rechtsanwalt?, DAVorm 1998, 287
  • Kirschbaum: Die Bedeutung von Verfahrenspflegschaften; BtPrax 2006, 21
  • Klüsener: Die Anwaltsbeiordnung im Unterbringungsverfahren; FamRZ 1994, 487
  • Koritz: Der Verfahrenspfleger im Unterbringungsverfahren nach § 1631b BGB – das Spannungsfeld zwischen einer Bestellung nach § 50 und § 70b FGG, FPR 2006, 42
  • Koritz: Vom Verfahrenspfleger zum Verfahrensbeistand - wird nun alles gut? FPR 2009, 331
  • Menne: Der Verfahrensbeistand im neuen FamFG, ZKJ 2009, 68
  • Pohl: Verfahrenspflegschaft; BtPrax 1992, 19 und 56
  • Rausch: Das Verfahren in Betreuungssachen, Rechtspflegerstudienhefte 1991, 129
  • Rogalla: Mehr Rechtsschutz durch den Verfahrenspfleger, BtPrax 1993, 146
  • dies.: Die Verfahrenspflegerin – eine Identitätskrise im Verlauf, Probleme der Verfahrenspflegschaft im Betreuungs- und Unterbringungsverfahren, RuP 1996, 130
  • Schmidl: Die Bindungswirkung der Patientenverfügung für Verfahrenspfleger und Verfahrensbevollmächtigte; ZErb 2005, 82
  • Schumacher: Hypertrophie der Verfahrensgarantien im BtG-Entwurf; ZRP 1991, 270
  • Ständeke-Otto: Rechtsanwälte als Verfahrenspfleger (Stellungnahme zu Pohl, BtPrax 1992, 56), BtPrax 1993, 16
  • Walther: Betreuungsbehörde und Verfahrenspflegschaften; BtPrax 2004, 225
  • Wielgoss: Der Rechtsanwalt als Verfahrenspfleger, JurBüro 2004, 71
  • Zimmermann: Ist die Bestellung eines Verfahrenspflegers anfechtbar? FamRZ 1994, 286

Verfahrenspflegervergütung

  • Bach: Zur Vergütung des zum Verfahrenspfleger bestellten Rechtsanwaltes, JurBüro 1993, 264
  • Bienwald: Zur Vergütung des Verfahrenspflegers; FamRZ 2005, 392
  • Blumental: Vergütung von Verfahrenspflegern nach dem Betreuungsrechtsänderungsgesetz, JurBüro 1998, 509
  • Kirsch: Die Vergütung des Verfahrenspflegers, Rpfleger 1992, 379
  • Klüsener: Die Vergütung des Rechtsanwalts als Verfahrenspfleger, Rpfleger 1992, 466
  • Knieper: Neue Vergütungsregelung für Verfahrenspfleger nach dem Betreuungsrechtsänderungsgesetz, JurBüro 1998, 289
  • Menne: Neues FamFG: Zur pauschalisierten Entschädigung des Verfahrensbeistands im kommenden Recht, ZKJ 2008, 461
  • Menne: Ausschlussfrist bei Aufwendungsersatz und Vergütung des Verfahrenspflegers; ZKJ 2008, 114
  • Müller: Zur Frage des Vergütungsanspruchs eines Vereins für die Tätigkeit eines als Pfleger bestellten Mitarbeiters; ZKJ 2007, 449
  • Schlöpke: Vergütung von Verfahrenspflegern in Unterbringungssachen; Rpfleger 1993, 435
  • Schneider: Die Vergütung des Betreuers in Sonderfällen, des Pflegers und des Verfahrenspflegers der Regressanspruch der Staatskasse; RpflStud 2007, 165
  • Spanl: Erwiderung zu Wesche (Rpfleger 1992, 377), Rpfleger 1992 378
  • Wesche: Vergütungsbetreuer oder Verfahrenspfleger? Rpfleger 1992, 377

Weblinks


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