Unterbringungsverfahren

Aus Online-Lexikon Betreuungsrecht
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Allgemeines

Die freiheitsentziehenden Maßnahmen in der Bundesrepublik Deutschland auf zivilrechtlicher Basis (durch Betreuer oder Bevollmächtigte gem. § 1906 BGB) bzw. bei Minderjährigen nach § 1631b BGB sowie auf öffentlich-rechtlicher Basis nach den Landesgesetzen zum Schutz psychisch Kranker (PsychKG) sind seit dem 1.1.1992 in einem einheitlichen gerichtlichen Verfahren - dem Unterbringungsverfahren - zu genehmigen. Das gleiche gilt für Eilverfahren nach § 1846b BGB (Eilverfahren vor Betreuerbestellung) sowie für sogenannte Unterbringungsähnliche Maßnahmen (Fixierungen, Bettgitter, Sedierungen usw. nach § 1906 Abs. 4 BGB).

Es handelt sich um ein Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit nach den §§ 70 ff. FGG. Daher gibt es weder Kläger noch Beklagte, sondern lediglich Verfahrensbeteiligte. Die Zuständigkeit liegt beim Vormundschaftsgericht, Ausnahme: bei Minderjährigen beim Familiengericht), beides sind Abteilungen des örtlich zuständigen Amtsgerichtes.

Rechtstatsachen

Im Jahre 2004 wurden in der Bundesrepublik Unterbringungen wie folgt genehmigt (Vorjahr in Klammern):

Bei den Unterbringungen Minderjähriger und bei den Unterbringungen nach den Psychisch-Kranken-Gesetzen werden lt. Justizstatistik nicht die Genehmigungsbeschlüsse gezählt, sondern die laufenden gerichtlichen Verfahren am Jahresende. Hier die Zahlen zum 31. Dezember 2004:

  • Genehmigungsverfahren für Minderjährige (§ 1631 b BGB): 4.757 (darunter Verlängerungsverfahren: 702)
  • Genehmigungsverfahren nach § 1906 (einschl. Absatz 4) BGB: 127.470 (dar. Verlängerungsver.: 25.438)
  • Genehmigungsverfahren nach Psychisch-Kranken-Gesetzen: 62.981
  • Genehmigungsverfahren nach § 1846 BGB (Eilverfahren): 17.240 (dar. Verlängerungsverf.: 1010)

(Quellen: Bundesministerium der Justiz; Sondererhebung Verfahren nach dem Betreuungsgesetz bzw. GÜ2 der Amtsgerichte)

Sachlich zuständig

Nach Art. 104 Grundgesetz darf über die Zulässigkeit und Fortdauer einer Freiheitsentziehung nur der Richter entscheiden. Bei jeder nicht auf richterlicher Anordnung beruhenden Freiheitsentziehung ist unverzüglich eine richterliche Entscheidung herbeizuführen.

Die Unterbringungsmaßnahmen sind ausnahmslos durch einen Richter des Amtsgerichtes zu genehmigen (§§ § 70 ff. Gesetz über die freiwillige Gerichtsbarkeit - FGG). Die Unterbringung nach Landesgesetzen wäre wegen der Gefahr der öffentlichen Sicherheit zwar systemlogisch eine Sache der Verwaltungsgerichte, das war vor 1992 auch so. Wegen der Überschneidungen beider Gerichtsarten gab es aber Zuständigkeitstreitigkeiten; jedes Gericht schob dem anderen die Entscheidung zu, so dass heute nach dem Gesetz (FGG) ausschließlich das Vormundschaftsgericht (bzw. das Familiengericht) entscheidet.

Örtlich zuständig

Örtlich zuständig ist bei Betreuten das Gericht, bei dem auch die Betreuungsakte geführt wird. Diese Gericht kann das Verfahren aber auch an das Gericht am Ort der Freiheitsentziehung abgeben, falls der Betreute sich bereits in einer Klinik befindet. Bei Unterbringungen nach den Psychisch-Kranken-Gesetzen ist stets das Gericht zuständig, an dessen Ort die Unterbringung zu veranlassen ist (§ 70 Abs. 3 und 5 FGG).

Verfahrensgrundsätze

Die Verfahrensgrundsätze finden sich in den §§ 70a ff. FGG. Sie ähneln den Grundsätzen des Betreuungsverfahrens, weichen aber in einigen Details von ihnen ab. Das Verfahren beginnt mit einem Genehmigungsantrag des jeweiligen gesetzlichen Vertreters bzw. Bevollmächtigten (wenn letzterer nach § 1906 Abs. 5 BGB zur Freiheitsentziehung ausdrücklich bevollmächtigt wurde). Bei öffentlich-rechtlichen Unterbringungen stellt die nach diesem Gesetz zuständige Stelle (meist Gesundheitsamt oder Ordnungsamt) den Unterbringungsantrag. Ein Tätigwerden von Amts wegen ist zwar auch möglich, in der Praxis aber die Ausnahme.

Verfahrensfähigkeit des Betroffenen

Der Betroffene ist unabhängig von seiner Geschäftsfähigkeit im Unterbringungsverfahren verfahrensfähig, kann also Anträge stellen, sich äußern, Rechtsmittel einlegen, einen Anwalt beauftragen (§ 70a FGG). Dies gilt auch für Minderjährige, sobald sie das 14. Lebensjahr vollendet haben.

Bestellung eines Verfahrenspflegers

Zu den Verfahrensgarantien im Unterbringungsverfahren gehört auch die obligatorische Bestellung eines Verfahrenspflegers (§ 70b FGG). Bestellt das Gericht dem Betroffenen ausnahmsweise keinen Pfleger für das Verfahren, so ist dies in der Entscheidung, durch die eine Unterbringungsmaßnahme getroffen wird, zu begründen.

Die Bestellung eines Verfahrenspflegers soll unterbleiben oder aufgehoben werden, wenn der Betroffene bereits von einem Rechtsanwalt oder einem anderen geeigneten Verfahrensbevollmächtigten vertreten wird.

Rechtsprechung:

OLG München, Beschluss vom 17.11.2005, 33 Wx 170/05, 33 Wx 180/05

1. Eine anwaltliche Verfahrensvollmacht „in Sachen Betreuung” befugt im Zweifel auch zur Vertretung in einem zivilrechtlichen Unterbringungsverfahren.

2. Eine gerichtlich genehmigte Unterbringung durch einen Betreuer mit dem entsprechenden Aufgabenkreis kann nicht allein mit der Begründung angefochten werden, der Betroffene habe Dritten eine umfassende Vorsorgevollmacht erteilt.

3. Das Beschwerdegericht darf von der grundsätzlich gebotenen persönlichen Anhörung des Betroffenen vor der Entscheidung über eine auch nur vorläufige Unterbringungsmaßnahme jedenfalls dann nicht absehen, wenn die erstinstanzliche Anhörung bereits sechs Wochen zurückliegt und zudem fehlerhaft war (Unterbleiben der Bestellung und Beteiligung eines Verfahrenspflegers und der rechtzeitigen vorherigen Aushändigung des Gutachtens an den Betroffenen).

Anhörung des Betroffenen

Der Vormundschaftsrichter muss den Betroffenen persönlich anhören. Den unmittelbaren Eindruck verschafft sich das Gericht, soweit dies erforderlich ist, in der üblichen Umgebung des Betroffenen, das ist in der Regel die eigene Wohnung. Das Gericht unterrichtet ihn über den möglichen Verlauf des Verfahrens (§ 70c FGG).

Die Anhörung findet in der Praxis jedoch meist innerhalb der Klinik statt, weil das Gericht zuvor bereits wegen der besonderen Eile die Unterbringung vorläufig genehmigt hat. Denn die genannten Verfahrensschritte, zu denen auch die Bestellung eines Verfahrenspflegers und ein Sachverständigengutachten gehört, können wegen der Eilbedürftigkeit der Unterbringung oft zunächst nicht stattfinden.

Vorführung zur Anhörung

Sofern der Betroffene sich weigert, an der Anhörung teilzunehmen, hat die Betreuungsbehörde oder die nach Psychisch-Krankenrecht zuständige Behörde ihn auf Anweisung des Gerichtes zur persönlichen Anhörung (§ 70c i.V.m. § 68 Abs. 3 FGG) und zur Untersuchung durch den Sachverständigen (§ 70e Abs. 2 I.V.m. § 68 b Abs. 3 FGG) vorzuführen.

Die zwangsweise Vorführung von Betroffenen zu Anhörungen und Untersuchungen stellt einen schweren Eingriff in die Persönlichkeitsrechte der Betroffenen dar (Art. 2 Grundgesetz). Daher muss der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit hier besonders streng beachtet werden.

Anhörung weiterer Personen und Stellen

Auch sind weitere Personen, z.B. nahe Familienangehörige, eine Vertrauensperson, die Betreuungsbehörde (bzw. die nach Psychisch-Krankenrecht zuständige Stelle, meist das Gesamtheitsamt) und ggf. der Heimleiter der Einrichtung, in der der Betroffene wohnt, anzuhören (§ 70d FGG). Diese Verfahrensschritte können mehrere Wochen in Anspruch nehmen.

Rechtsprechung:

Brandenburgisches OLG, Beschluss vom 01.03.2007, 11 Wx 7/07:

1. Die örtlich zuständige Betreuungsbehörde ist in einem Unterbringungsverfahren nach § 70 Abs. 1 S. 2 Nr. 1b FGG zwingend anzuhören.

2. Eine Unterbringung zur Durchführung einer Heilbehandlung ist nur dann verhältnismäßig, wenn eine solche Behandlung möglich erscheint. Dabei sind Art, Inhalt und Dauer der Heilbehandlung in der Unterbringungsgenehmigung genau festzulegen, weil der Zweck der Unterbringung entfällt, wenn die Heilbehandlung beendet oder undurchführbar geworden ist.

Sachverständigengutachten

Zur Genehmigung einer freiheitsentziehenden Unterbringung durch den Betreuer nach § 1906 BGB ist stets ein Sachverständigengutachten erforderlich (§ 70e FGG). Der Sachverständige hat den Betroffenen persönlich zu untersuchen oder zu befragen.

Anders als beim Gutachten zur Betreuerbestellung, bei der die Qualifikation des Gutachters nicht geregelt ist (§ 68a FGG), muss bei der Begutachtung für eine Freiheitsentziehung der sachverständige Arzt mit Erfahrungen auf dem Gebiet der Psychiatrie sein, in der Regel soll er Facharzt für Psychiatrie sein (§ 70e FGG).

Das Sachverständigengutachten sollte Aussagen machen:

  • zum Gesundheitszustand des Betroffenen
  • zum Anlass der Maßnahme / zu fehlenden /versuchten Alternativen
  • zur Art der Maßnahme
  • zur Dauer der Maßnahme.

Der Sachverständige rechnet sein Honorar direkt mit dem Vormundschaftsgericht gemäß den Bestimmungen des Justizvergütungs- und Entschädigungsgesetzes (JVEG) ab. Der Stundensatz beträgt derzeit 80 Euro.

Abhängig vom Sachverständigengutachten für das Vormundschaftsgericht wird auch ein Einweisungsattest (Verordnung stationärer Krankenbehandlung) für das Krankenhaus benötigt sowie in der Regel eine Krankentransportbescheinigung für den Transport in die Klinik.

Rechtsprechung:

OLG Köln, Beschluss vom 17.05.2006, Az. 16 Wx 95/06: Geschlossene Unterbringung des Betreuten bedarf auch im Eilverfahren eines zeitnahen ärztlichen Zeugnisses:

Auch für eine im Wege der einstweiligen Anordnung beabsichtigte geschlossene Unterbringung des Betreuten ist ein zeitnahes ärztliches Zeugnis erforderlich, das konkrete Angaben über die beabsichtigte Behandlung und den gewünschten Behandlungserfolg sowie über die Nachteile enthält, die bei einer Behandlung ohne Unterbringung zu erwarten sind. Eine Eilbedürftigkeit für eine geschlossene Unterbringung besteht im Regelfall dann nicht mehr, wenn die Anordnung nach Ablauf eines Monats noch nicht vollzogen worden ist.

OLG München, Beschluss vom 13.11.2006 - Az: 33 Wx 244/06: Unterbringungsdauer richtet sich nach Gutachten:

Wird die Notwendigkeit der Unterbringung eines Betreuten wegen der Gefahr der Selbsttötung vom Beschwerdegericht bejaht und stützt sich das Gericht hierbei auf ein hinreichend zeitnah erstattetes erstinstanzliches Gutachten das die weitere Unterbringung "zunächst für einen Zeitraum von sechs Monaten" befürwortet, so ist die Festlegung der Höchstdauer der genehmigten Unterbringung grundsätzlich an dem Zeitpunkt der Erstattung des Gutachtens auszurichten. Auch der Umstand, daß bei einer zwei Monate später stattfindenden Anhörung des Betroffenen eine behandelnde Psychologin den weiteren Unterbringungsbedarf erneut "auf ca. ein halbes Jahr" schätzt, ändert hieran nichts.

BayObLG, Beschluss vom 30.11.2004, 3 Z BR 222/04

Will das Vormundschaftsgericht die Unterbringung eines Betreuten über eine Dauer von vier Jahren hinaus verlängern, darf es diese Maßnahme nur dann auf das Gutachten eines bereits früher im Unterbringungsverfahren tätigen Sachverständigen stützen, wenn hierfür besondere Gründe vorliegen.

KG, Beschluss vom 23.01.2007, 1 W 430/03:

In einem Unterbringungsverfahren kann ein Arzt im Praktikum grundsätzlich nicht zum Sachverständigen bestellt werden, weil er in der Regel noch nicht über ausreichende Erfahrungen auf dem Gebiet der Psychiatrie verfügt. Wurde dies von dem Tatrichter nicht berücksichtigt, so führt die Verwertung eines entsprechenden Gutachtens gleichwohl nicht zur Rechtswidrigkeit der Unterbringungsmaßnahme, wenn ein ausreichend qualifizierter Arzt nach eigener Untersuchung des Betroffenen durch Mitunterzeichnung des Gutachtens Verantwortung hierfür übernommen hatte und es deshalb auszuschließen ist, dass der Tatrichter, hätte er den Verfahrensfehler vermieden oder rechtzeitig selbst bemerkt, auf einer anderen Grundlage entschieden hätte.

Vorführung und Unterbringung zur Begutachtung

Weigert der Betreute sich, an der Untersuchung teilzunehmen, kann das Vormundschaftsgericht zur Erstattung des Gutachtens selbst eine Freiheitsentziehung für einen Zeitraum von bis zu 6 Wochen anordnen (§ 68a Abs. 3 FGG). Diese Freiheitsentziehung kann auf bis zu 3 Monaten verlängert werden. Die Betreuungsbehörde ist zur Vorführung verpflichtet.

Vorläufige Unterbringung - Einstweilige Anordnung

Obwohl im Gesetzestext als Ausnahme bezeichnet, ist es in der Praxis fast der Normalfall, dass die Unterbringungsgenehmigung als einstweilige Anordnung erfolgt (§ 70h FGG). Mit dieser einstweiligen Anordnung kann die Unterbringung für maximal 6 Wochen genehmigt werden. Diese wikipedia:de:Frist kann nach Anhörung des Sachverständigen (§ 70e FGG) auf insgesamt 3 Monate verlängert werden.

Die gleichen Fristen gelten auch, wenn bisher kein Betreuer bestellt ist und das Vormundschaftsgericht selbst die Unterbringung nach § 1846 BGB verfügt.

Folgende Mindeststandards sind auch bei Gefahr in Verzug vom Gericht vor Beschlussfassung eigentlich einzuhalten:

1. Antrag eines Betreuers bzw. Bevollmächtigten (evtl. entbehrlich) oder der Verwaltungsbehörde (bei Unterbringung nach Landesgesetz)

2. psychiatrisches Sachverständigengutachten über Krankheit (§ 70e FGG) (Psychiater; Hausarzt reicht nicht, auch nicht Amtsarzt, wenn dieser nicht auf dem Gebiet der Psychiatrie qualifiziert ist - Pfälzisches OLG: Beschluss vom 14. Juni 2006 - 3 W 98/06).

3. Anhörung durch den Richter persönlich (nach dem BVerfG darf hiervon bei Gefahr in Verzug nur abgesehen werden, wenn dieser den ganzen Tag lang mit anderen Anträgen auf freiheitsentziehenden Maßnahmen wie Haftbefehl, Abschiebung beschäftigt ist)

Das Gericht hat abzuwägen, ob die Gefährdung der Rechtsgüter anderer oder Gesundheitsgefährdung des Betroffen eine Unterbringung und somit eine Einschränkung des Freiheitsrechts des Betroffenen, einschließlich des Rechts des Betroffenen zur Krankheit rechtfertigt und verhältnismäßig ist (Verhältnismäßigkeitsprinzip).

Das BVerfG stellt nach einer Entscheidung hohe Anforderungen an die Aufklärung des Sachverhaltes, so dass Unterbringungsverfahren nunmehr manchmal länger dauern, was manchmal z.B. den Tod des Betroffenen während des Verfahrens zur Folge hat.

Rechtsprechung:

Es ist grundsätzlich zulässig, in Eilfällen eine zivilrechtliche Unterbringung anzuordnen, ohne dass zugleich damit schon ein Betreuer bestellt werden muss. Das Gericht ist in einem solchen Falle aber verpflichtet, gleichzeitig mit der Anordnung der Unterbringung durch geeignete Maßnahmen sicherzustellen, daß dem Betroffenen unverzüglich ein Betreuer oder jedenfalls ein vorläufiger Betreuer (§ 69 f FGG) zur Seite gestellt wird. Unterläßt das Gericht solche Maßnahmen, ist die Anordnung der Unterbringung unzulässig.

Endgültige Unterbringung

Die eigentliche „endgültige“ Unterbringungsgenehmigung erfolgt, nachdem die genannten Verfahrensschritte erfolgt sind (§ 70f FGG). Sie darf in der Regel 1 Jahr nicht überschreiten. Nur wenn bereits erkennbar ist, dass die Unterbringung langfristig nötig ist, kann die Genehmigung für 2 Jahre erteilt werden. Dies muss dann vom Gericht speziell begründet werden. Bei Verlängerungen müssen gem. § 70i Abs. 2 FGG die gleichen Verfahrensschritte wie oben beschrieben wiederholt werden. Nach spätestens 4 Jahren Unterbringung soll ein anderer als der bisherige Sachverständige gehört werden (vgl. BayObLG FamRZ 1994, 320/321).

Rechtsprechung:

OLG Schleswig, Beschluss vom 01.12.2005, 2 W 214/05

Wird entgegen der regelmäßigen Höchstfrist von einem Jahr eine Unterbringung von 2 Jahren genehmigt, so ist näher zu begründen, weshalb eine geringere Unterbringungsfrist nicht ausreicht. Das gilt insb. dann, wenn zuvor Unterbringungsfristen von 6 Wochen für ausreichend gehalten wurden.

OLG München, Beschluss vom 16.02.2005, 33 Wx 006/05:

1. Wird über die regelmäßige Höchstfrist der geschlossenen Unterbringung von einem Jahr (§ 70f Abs. 1 Nr. 3 FGG) hinaus eine Unterbringung von zwei Jahren genehmigt, ist diese Abweichung vom Regelfall im Hinblick auf den hohen Rang des Rechts auf Freiheit der Person ausreichend zu begründen (vgl. BayObLG, FamRZ 2002, 629; Beschluss vom 25.1.2005 – 3 Z BR 264/04).

2. Tragen die Begründung des Beschwerdegerichts und ihr zugrunde liegende ärztliche Gutachten eine solche Abweichung nicht, hat das Rechtsbeschwerdegericht die Entscheidung aufzuheben und – sofern nicht aus sonstigen Gründen eine Zurückverweisung geboten ist – die erstinstanzliche Genehmigung der Unterbringung auf die regelmäßige Höchstdauer von einem Jahr zu beschränken.

KG, Beschluss vom 14.03.2006, 1 W 134/05; 1 W 298/04; 1 W 340/04:

Die probeweise Verlegung des Untergebrachten aus der geschlossenen auf eine offene Station führt dann nicht zur Wirkungslosigkeit der vormundschaftsgerichtlichen Genehmigung, wenn die ihr zugrunde liegenden Voraussetzungen weiter bestehen und die Verlegung in engem zeitlichen Zusammenhang mit dem Ende des genehmigten Unterbringungszeitraums steht. Das kann bei einer probeweisen Verlegung zehn Tage vor Entlassung des Untergebrachten der Fall sein.

Regelung des Unterbringungsvollzugs

Bei öffentlich-rechtlichen Unterbringungen können einzelne Maßnahmen des Vollzugs gerichtlich geregelt werden (§ 70l FGG). Genaueres ergibt sich aus dem jeweiligen Landesgesetz für psychisch Kranke. Gegen solche Maßnahmen können ebenfalls Rechtsmittel eingelegt werden.

Unterbrechung, Beurlaubung

Öffentlich-rechtliche Unterbringungen können durch Gerichtsbeschluss bis zu 6 Monaten ausgesetzt (unterbrochen) werden, § 70k FGG. Diese Aussetzung kann auf insgesamt 1 Jahr verlängert werden. Hierzu können dem Betroffenen Auflagen erteilt werden, z.B. sich in ambulante fachpsychiatrische Behandlung zu begeben. Bei der BGB-Unterbringung ist solches nicht vorgesehen; hier endet mit Entlassung des Betreuten die Rechtswirksamkeit der Unterbringungsgenehmigung selbst; bei erneuter Unterbringungsnotwendigkeit hat der Betreuer einen neuen Genehmigungsantrag nach § 1906 Abs. 2 BGB zu stellen.

Rechtsprechung:

KG, Beschluss vom 20.12.2005, 1 W 170/03 und 1 W 182/03

Die probeweise Verlegung des Untergebrachten aus der geschlossenen auf eine offene Station führt dann nicht zur Wirkungslosigkeit der vormundschaftsgerichtlichen Genehmigung, wenn die ihr zugrunde liegenden Voraussetzungen weiter bestehen und die Verlegung in engem zeitlichen Zusammenhang mit dem Ende des genehmigten Unterbringungszeitraums steht. Das kann bei einer probeweisen Verlegung zehn Tage vor Entlassung des Untergebrachten der Fall sein.

Aufhebung der Unterbringung

Eine Aufhebung der Unterbringungsgenehmigung muss auch vor Ablauf der Genehmigungsfrist vorgenommen werden, sobald die Voraussetzungen zur Zwangsunterbringung nicht mehr gegeben sind (§ 70i FGG). Wird diese Pflicht verletzt, liegt u.U. der Straftatbestand der Freiheitsberaubung (§ 239 StGB) vor.

Durch Herausnahme des Betreuten aus der geschlossenen Unterbringung wird der Unterbringungsbeschluss "verbraucht". Soll er erneut untergebracht werden, ist ein neuer Beschluss notwendig, auch wenn die im alten genannte Frist für die Unterbringung noch nicht abgelaufen ist.

Das gilt nicht, wenn der Betreute von seinem Betreuer in Absprache mit dem Arzt für einen kurzen Zeitraum "probeweise" auf eine offene Station verlegt werden soll. Scheitert dieser Versuch, kann er mit dem alten Beschluss zurückgeführt werden. Wie lange der "kurze" Zeitraum höchsten sein darf, ist bislang nicht geklärt. Mehrere Wochen sind aber zu lang.

Zurückgeführt werden darf mit dem alten Beschluss außerdem, wer aus der Unterbringungseinrichtung entwichen ist. Geschieht dies nicht unverzüglich, wird man darin allerdings ein stillschweigendes nachträgliches Einverständnis des Betreuers mit der Entlassung sehen können, so dass dann für die erneute Unterbringung ein neuer Beschluss notwendig wird. In Ihrem Falle hätte ich daher einen neuen Beschluss gefordert.

Nicht klar ist, ob die erneute Unterbringung einen neuen Beschluss erfordert, wenn der Betreute durch die Klinik, aber ohne Einverständnis des Betreuers, entlassen wurde.

Rechtsmittel

Gegen Unterbringungsbeschlüsse kann als Rechtsmittel die sofortige Beschwerde (§ 70mm FGG) binnen 14 Tagen eingelegt werden. Zur Beschwerde ist neben dem Betroffenen selbst noch der in § 70d FGG bestimmte Personenkreis berechtigt (nahe Angehörige, Behörde, Heimleiter).

Rechtsprechung:

OLG München, Beschluss vom 04.08.2005, 33 Wx 36/05

1. Erledigt sich ein Unterbringungsverfahren – z.B. durch Entlassung des Betroffenen aus der geschlossenen Abteilung eines Bezirkskrankenhauses – während eines sofortigen Beschwerdeverfahrens, so hat das Beschwerdegericht den nicht anwaltlich vertretenen Betroffenen darauf hinzuweisen, dass er die Möglichkeit hat, seinen Antrag auf Feststellung der Rechtswidrigkeit der Unterbringungsanordnung umzustellen.

2. Das Gericht ist in Eilfällen einer zivilrechtlichen Unterbringung verpflichtet, gleichzeitig mit der Anordnung der Unterbringung durch geeignete Maßnahmen sicherzustellen, dass dem Betroffenen unverzüglich ein Betreuer oder jedenfalls ein vorläufiger Betreuer69 f. FGG) zur Seite gestellt wird.

OLG München, Beschluss vom 20. Januar 2006, 33 Wx 9/06,:

Lehnt das Vormundschaftsgericht die Genehmigung einer geschlossenen Unterbringung ab und genehmigt nach sofortiger Beschwerde des Betreuers auf dessen Antrag hin das Landgericht die Unterbringungsmaßnahme vorläufig durch einstweilige Anordnung, ist das statthafte Rechtsmittel hiergegen die sofortige weitere Beschwerde.

BGH, Beschluss vom 2.10.2007 - Az: III ZR 16/07; Unterbringungsdauer anfechtbar?

Die Bestellung eines Verfahrenspflegers in einem Verfahren für eine Unterbringungsgenehmigung ist nicht anfechtbar. Gleiches gilt für die Genehmigung einer längeren Unterbringung als beantragt.

Verfahren in der Übersichtsgrafik

Verfahrensübersicht


Siehe auch

Literatur

Bücher

Zeitschriftenbeiträge

  • Coeppicus, Rolf: Durchführung und Inhalt der Anhörung in Betreuungs- und Unterbringungssachen; FamRZ 91, 892
  • ders.: Aushöhlung des Rechtsschutzes in Unterbringungssachen durch Arbeitszeitregelungen... BtPrax 94, 126
  • Klüsener, Bernd: Die Anwaltsbeiordnung im Unterbringungsverfahren; FamRZ 1994, 487
  • Rolf Marschner: Zivilrechtliche und öffentlich-rechtliche Unterbringung; BtPrax 2006, 125
  • Peter Müller: Zum Recht und zur Praxis der betreuungsrechtlichen Unterbringung; BtPrax 2006, 123
  • Rink: Kritische Anmerkungen zum Verfahren in Betreuungs- und Unterbringungssachen; RuP 91, 148
  • ders.: Die Wirksamkeit von Entscheidungen in Betreuungs- und Unterbringungssachen; FamRZ 92, 1011
  • Ruhl, Werner: Einstweilige Anordnungen im Betreuungs- und Unterbringungsrecht; FuR 94, 254
  • Schumacher, Ulrich: Rechtsstaatliche Defizite im neuen Unterbringungsrecht, FamRZ 91, 281
  • Andrea Tietze: Zwangsbehandlungen in der Unterbringung; BtPrax 2006, 135
  • Wagner, Bernd: Welche Rechte haben Patienten während der Zwangsunterbringung? Psychosoziale Umschau 3/93, 2
  • Guy Walther: Vor- und Zuführungen in Betreuungs- und Unterbringungsverfahren; R&P 4/2007 (PDF)
  • Zimmermann, Walter: Das neue Verfahren in Unterbringungssachen, FamRZ 1990, 1308

Weblinks

Rechtsprechung

Sonstige

Formulare

Infos zum Haftungsausschluss


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