Testierfähigkeit

Aus Online-Lexikon Betreuungsrecht
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Vorbemerkung

Der Einwilligungsvorbehalt darf nicht auf Verfügungen von Todes wegen erstreckt werden (§ 1903 Abs. 2 BGB). Der Betreute kann also nach eigenem Gutdünken Testamente abfassen und Erbverträge schließen; er braucht den Betreuer nicht fragen. Einzelheiten vgl. Hahn FamRZ 1991, 27.

Testament

Errichtung

Bei einem Testament handelt es sich um eine Bestimmung, was nach dem Tod aus dem Vermögen der verstorbenen Person wird. Das Recht auf Bestimmung auch über den Tod hinaus wird aus dem Grundrecht auf Eigentum (Artikel 14 Grundgesetz) hergeleitet.

Für eine solche Verfügung von Todes wegen (Testament = letzter Wille) ist ein Einwilligungsvorbehalt nicht möglich, somit können anders als im alten Vormundschaftsrecht auch Personen, für die ein Betreuer bestellt ist, grundsätzlich ein Testament errichten.

Allerdings besagt § 2229 Abs. 3 BGB, dass eine Person, die wegen geistiger Störungen die Bedeutung einer Willenserklärung nicht zu erkennen und danach zu handeln vermag, kein Testament errichten kann (siehe auch unter § 104 Ziffer 2 BGB).

Ob eine solche Testierunfähigkeit vorliegt, ist vom Nachlassgericht (§ 72 FGG) bei Erteilung des Erbscheins von Amts wegen zu prüfen (§§ 12 FGG; 2353, 2358 BGB), wenn konkrete Zweifel an der Testierfähigkeit bestehet. Die Tatsache, dass ein Betreuer bestellt war, beweist allein noch nicht die Testierunfähigkeit (BayObLG 1982, 309 zur Gebrechlichkeitspflegschaft). Bei solchen Zweifeln hat das Nachlassgericht zunächst die behaupteten auffälligen Verhaltensweisen des Erblassers (dh. des Betreuten) aufzuklären (zB den Umfang der Cerebralsklerose, der Verwirttheit) und hierauf das Sachverständigengutachten eines Psychiaters einzuholen (OLG Hamm Rpfleger 1989, 23). Das Gutachten, das früher anläßlich der Bestellung des Betreuers erstellt wurden, wird dem neuen Sachverständigen hier u.U. wertvolle Hilfe leisten.

Widerruf des Testamentes

Der testierfähige Betreute kann sein Testament jederzeit wirksam widerrufen, der testierunfähige dagegen nicht. Vernichtet der testierunfähige Betreute sein Testament, indem er es wegwirft, bleibt es gültig; eine andere Frage ist, wie die Errichtung des Testaments dann bewiesen werden kann.

Erbvertrag

Der geschäftsfähige Betreute kann Erbverträge schließen (§ 2275 Abs. 1 BGB); dazu braucht er weder die Zustimmung des Betreuers noch die Genehmigung des Vormundschaftsgerichts. Allerdings muss ein Erbvertrag vor einem Notar geschlossen werden (§ 2276 BGB). Der Notar soll sich vor einer Beurkundung von der Geschäftsfähigkeit des Beteiligten überzeugen (z B., indem er mit ihm ein ansführliches Gespräch führt) und dies in der Urkunde vermerken (§§ 11, 28 BeurkG). Dieser Notar-Vermerk ist zwar nicht bindend; auch wenn der Notar den Erblasser für testierfähig hielt, kann also durch ein Sachverständigengutachten das Gegenteil bewiesen werden. In der Praxis ist dies gleichwohl selten der Fall, weil die Zeugenaussage des Notars entgegen steht. Wer also von einem Betreuten als Erbe eingesetzt werden soll, tut gut daran, den Betreuten zu bitten die Testierung nicht privatschriftlich vorzunehmen, sondern das Testament beim Notar zu errichten; noch besser ist es für den Erbanwärter, wenn mit ihm ein Erbvertrag geschlossen wird, weil der Vertrag unwiderruflich ist.

Aus der Rechtsprechung:

OLG Frankfurt/Main (Leitsatz) (20.ZS, Beschluss v. 5.9.1995 - 20 W 107/94) FamRZ, Heft 10 Seite 635

1. Die Bestellung eines Betreuers mit dem Aufgabenkreis Aufenthaltsbestimmung und Vermögenssorge berührt die Testierfähigkeit des Betreuten in der Regel nicht.

2. Aus der vom Gesetz grundsätzlich gewährleisteten Testierfreiheit folgt auch, dass ein Erblasser seine letztwilligen Verfügungen nicht durch vernünftige und von Dritten nachvollziehbare Gründe rechtfertigen muss.

SACHVERHALT: Eine Erblasserin hatte ihr Testament mit Datum 1.8.1988 erstellt. Verschiedene Personen hatten aus Äußerungen und Verhaltensweisen der Erblasserin in den Jahren 1985 - 1987 Zweifel an der Testierfähigkeit der Erblasserin. Das Landgericht handelte nicht ermessensfehlerhaft angesichts des Umstandes, dass es die vorgetragenen Einwände als zu allgemein gehalten und zu wenig zeitnah an dem Testament vom 1.8.1988 angesehen hat.

Dem Landgericht war bekannt, dass die Erblasserin im Jahr 1987 einen notariellen Vertrag geschlossen hatte, vor allem im Hinblick auf das vom Landgericht überzeugend erachtete Gutachten des Sachverständigen vom 26.5.1993, der nicht einmal die Vorgänge, die zu der Errichtung einer Gebrechlichkeitspflegschaft für die Betroffene im November 1990 geführt hatten, für ausreichend angesehen hat, um eine Testierunfähigkeit der Erblasserin am 11.11.1990 für erwiesen zu halten.

ENTSCHEIDUNG: Ein Erblasser muss seine letztwilligen Verfügungen nicht durch vernünftige und von Dritten nachvollziehbare Gründe rechtfertigen. Es ist allein sein Wille entscheidend. Dies folgt aus der vom Gesetz grundsätzlich gewährleisteten Testierfreiheit (BayObLG, NJW 1992,248,249; Palandt/Edenhofer, a.a.O., Überbl. vor § 2064 Rz.3).

AUS DEN GRÜNDEN: Nach § 2229 IV BGB- i.d.F. ab 1.1.1992 §2229 III BGB-kann ein Testament nicht errichten, wer wegen krankhafter Störung der Geistestätigkeit, wegen Geistesschwäche oder wegen Bewußtseinsstörung nicht in der Lage ist, die Bedeutung einer von ihm abgegebenen Willenserklärung einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln. Es genügt für die Testierfähigkeit nicht, dass der Erblasser eine allgemeine Vorstellung von der Errichtung des Testaments und von dem Inhalt seiner letztwilligen Verfügung hatte; er muss vielmehr auch in der Lage sein, sich über die Tragweite dieser Anordnungen und ihrer Auswirkungen auf die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse der Betroffenen sowie über die Gründe, die für und gegen ihre sittliche Berechtigung sprechen, ein klares Urteil bilden und nach diesem Urteil frei von Einflüssen etwaiger interessierter Dritter zu handeln.

Entsprechend dem Grundsatz, dass die Störung der Geistestätigkeit die Ausnahme bildet ist ein Erblasser dabei so lange als testierfähig anzusehen, als nicht seine Testierunfähigkeit zur vollen Gewißheit des Gerichts nachgewiesen ist (BayObLG. FamRZ 1994,593; Palandt/Edenhofer, BGB, 54. Aufl., § 2229 Rz.13). Dies gilt selbst dann, wenn für den Erblasser eine Gebrechlichkeitspflegschaft oder eine Betreuung bestanden hat. Die Feststellung für die Testierunfähigkeit als eine das Erbrecht vernichtende Tatsache hat derjenige zu tragen, der sich auf die darauf beruhende Unwirksamkeit des Testaments beruft. Diese Grundsätze hat das LG in der angefochtenen Entscheidung richtig angewendet.

Keine Testierunfähigkeit bei nur intermittierenden psychopathologischen Störungen - BayObLG, Beschluss vom 24.03.2005, Az. 1Z BR 107/04:

Zeigt sich eine erhebliche Befundbesserung nach einem Hirninfarkt sowie nur teilweise psychopathologische Störungen kann eine zeitweise Testierfähigkeit nicht ausgeschlossen werden. Der Tatrichter hat sich als medizinischer Laie nur mit den Lücken und Widersprüchen eines Gutachtens auseinanderzusetzen.

Testierunfähigkeit bei vaskulären Demenz - BayObLG, Beschluss vom 07.09.2004, Az. 1Z BR 73/04

Diee Auslegungsregel des § 2069 BGB kann nicht, auch nicht entsprechend, angewandt werden, wenn der Erblasser eine Person eingesetzt hat, die nicht zu seinen Abkömmlingen gehört.

Testierfähigkeit bei paranoiden Wahnvorstellungen - BayObLG, Beschluss vom 17.08.2004, Az. 1Z BR 53/04

Testierunfähig ist derjenige, dessen Erwägungen und Willensentschlüsse nicht mehr auf einer dem allgemeinen Verkehrsverständnis entsprechenden Würdigung der Außendinge und der Lebensverhältnisse beruhen, sondern durch krankhaftes Empfinden oder krankhafte Vorstellungen und Gedanken derart beeinflusst werden, dass sie tatsächlich nicht mehr frei sind.

BayObLG, Beschluss vom 07.10.2004, Az. 1Z BR 76/04:

Testierunfähig ist derjenige, dessen Erwägungen und Willensentschlüsse nicht mehr auf einer dem allgemeinen Verkehrsverständnis entsprechenden Würdigung der Außendinge und der Lebensverhältnisse beruhen, sondern durch krankhaftes Empfinden oder krankhafte Vorstellungen und Gedanken derart beeinflusst werden, dass sie tatsächlich nicht mehr frei sind.

Literatur

Bücher

Zeitschriftenbeiträge

  • Cypionka: Die Auswirkungen des BtG auf die Praxis des Notars, DNotZ 91, 571
  • Hahn: Die Auswirkungen des Betreuungsrechtes auf das Erbrecht; FamRZ 91, 27
  • Wetterling, T./ Neubauer, H und W.: Psychiatrische Gesichtspunkte zur Testierfähigkeit Dementer; ZEV 1995, 46


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Quellen und Verweise