Testierfähigkeit: Unterschied zwischen den Versionen

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Entsprechend dem Grundsatz, dass die Störung der Geistestätigkeit die Ausnahme bildet ist ein Erblasser dabei so lange als testierfähig anzusehen, als nicht seine Testierunfähigkeit zur vollen Gewißheit des Gerichts nachgewiesen ist (BayObLG. FamRZ 1994,593; Palandt/Edenhofer, BGB, 54. Aufl., § 2229 Rz.13). Dies gilt selbst dann, wenn für den Erblasser eine Gebrechlichkeitspflegschaft oder eine Betreuung bestanden hat. Die Feststellung für die Testierunfähigkeit als eine das Erbrecht vernichtende Tatsache hat derjenige zu tragen, der sich auf die darauf beruhende Unwirksamkeit des Testaments beruft. Diese Grundsätze hat das LG in der angefochtenen Entscheidung richtig angewendet.
 
Entsprechend dem Grundsatz, dass die Störung der Geistestätigkeit die Ausnahme bildet ist ein Erblasser dabei so lange als testierfähig anzusehen, als nicht seine Testierunfähigkeit zur vollen Gewißheit des Gerichts nachgewiesen ist (BayObLG. FamRZ 1994,593; Palandt/Edenhofer, BGB, 54. Aufl., § 2229 Rz.13). Dies gilt selbst dann, wenn für den Erblasser eine Gebrechlichkeitspflegschaft oder eine Betreuung bestanden hat. Die Feststellung für die Testierunfähigkeit als eine das Erbrecht vernichtende Tatsache hat derjenige zu tragen, der sich auf die darauf beruhende Unwirksamkeit des Testaments beruft. Diese Grundsätze hat das LG in der angefochtenen Entscheidung richtig angewendet.
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'''BayObLG, Beschluss vom 01.08.1997 (BayObLGZ 1997, 256)'''
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Feststellung der Testierunfähigkeit (bei fortgeschrittener Gehirnarteriosklerose):
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1. Die Grundsätze über den Anscheinsbeweis gelten auch im Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit.
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2. Zur Frage des Anscheinsbeweises bei der Feststellung der Testierunfähigkeit infolge fortgeschrittener Gehirnarteriosklerose im Hinblick auf lichte Intervalle. 
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Das Oberste Bayerische Landgericht hatte über einen Fall zu entscheiden, in dem zwei Beteiligte in einem Erbscheinsverfahren widerstreitende Anträge auf Erteilung eines Erbscheins gestellt hatten. Es war im Wesentlichen die Frage der Testierunfähigkeit einer 87jährigen Erblasserin bei fortgeschrittener Gehirnarteriosklerose im Hinblick auf lichte Intervalle zu klären. In dem dortigen Falle hatte der Vormundschaftsrichter aufgrund des ihm vorliegenden Gutachtens und seines persönlichen Eindrucks von der Erblasserin nur wenige Tage vor der Testamentserrichtung die Überzeugung gewonnen, daß die Erblasserin auf dem geistigen Stand eines Kindes unter sieben Jahren und völlig unselbstständig und in den Händen geschickter Menschen sehr leicht beeinflußbar’ sei (a.a.O., Seite 264). Im anschließenden Entmündigungsverfahren dieser Erblasserin kam der dortige Richter zu dem Ergebnis, daß die Erblasserin wegen ihrer geistigen Störung zu rechtswirksamen Verfügungen über ihr Vermögen nicht mehr in der Lage sei und das eine Entmündigung nur deshalb nicht ausgesprochen werden dürfe, weil die Erblasserin einen kleinen Teil ihrer Angelegenheiten noch selbst besorgen könne und für die Besorgung ihrer Vermögensangelegenheiten eine Pflegschaft ausreiche (a.a.O., Seite 264).
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Selbst in einem solchen Fall hielt das Bayrische Oberste Landgericht die Testierfähigkeit nicht für ausgeschlossen, weil die Erblasserin in einem lichten Intervall testierfähig gewesen sein könnte. Die Darlegungen des Gerichts können als grundlegend für sehr viele spätere einschlägige Entscheidungen angesehen werden.
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'''Kammergericht Berlin, Beschluss vom 07.09.1999 (NJW 2001, 903)'''
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Feststellung der Testierunfähigkeit (bei Drohung oder Motivirrtum)/Qualität des Zeugenbeweises
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1. Ein Erblasser ist solang als testierfähig anzusehen, als seine Testierunfähigkeit nicht bewiesen ist. Die Feststellungslast für die Testierfähigkeit hat derjenige zu tragen, der sich auf die darauf beruhende Unwirksamkeit des Testaments des Erblassers beruft.
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2. Kommt das Gericht zu dem Ergebnis, daß die durch Zeugen oder andere Beweismittel feststellbaren Tatsachen nicht ausreichen können, um den Ausnahmefall der Testierunfähigkeit des Erblassers mit Hilfe eines Sachverständigen zu begründen, darf es davon absehen, ein Gutachten erstellen zu lassen.
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3. Zur Anfechtung eines Testaments wegen Drohung und Motivirrtums.
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Das Kammergericht hatte über einen Fall zu entscheiden, in dem u.a. zu klären war, ob die angeblichen Äußerungen eines Pfarrers gegenüber einer Erblasserin, die Kirche könne sich nicht mehr um sie kümmern, wen sie nicht wunschgemäß testiere, eine Drohung darstellen können. as Kammergericht legt unter mehrfachem Hinweis auf den oben zitierten Beschluß des BayObLG sehr instruktiv die Anforderungen an die Beweisführung im FGG-Erbscheinsverfahren und die Beweiskraft einzelner Beweismittel dar.
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Hinsichtlich des Zeugenbeweises eines Notars: „Auch seiner Aussage durfte das Gericht erhöhte Bedeutung beimessen, da er als Notar gem. § 28 BeurkG von Amts wegen zur Prüfung der Testierfähigkeit vor der Beurkundung verpflichtet war.
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Hinsichtlich „Laien“zeugen: „Denn bei ihnen handelt es sich ersichtlich um Laien auf humanmedizinischem Gebiet, die auch zur Beurteilung der Voraussetzungen von Testierunfähigkeit nicht besonders geschult sind. Eine Verletzung der Pflicht zur Amtsermittlung liegt in dem Absehen von ihrer Vernehmung daher nicht.“
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    4. Recht der Beteiligten auf Einsichtnahme in beigezogene Krankenakten
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    Beschluß des OLG Düsseldorf vom 29.03.2000 (ZERB 2000, 204)
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        Will das Nachlassgericht in seiner Entscheidung zur Testierfähigkeit des Erblassers dessen Krankenakte verwerten, so darf es einem Beteiligten, der Einsicht in diese Krankenakte verlangt, die Einsichtsnahme nicht verweigern; anderenfalls liegt ein Verstoß gegen Art. 103 Abs. 1 GG vor. Gegebenenfalls ist die Krankenakte dem vom Antragsteller entsprechend bevollmächtigten Privatgutachter auszuhändigen, wenn der Antragsteller zu substanziiertem Sachvortrag der Hilfe des Privatgutachters bedarf.
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''' Keine Testierunfähigkeit bei nur intermittierenden psychopathologischen Störungen - BayObLG, Beschluss vom 24.03.2005, {{Rspr|1Z BR 107/04}}''':
 
''' Keine Testierunfähigkeit bei nur intermittierenden psychopathologischen Störungen - BayObLG, Beschluss vom 24.03.2005, {{Rspr|1Z BR 107/04}}''':

Version vom 30. Oktober 2008, 02:31 Uhr

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Vorbemerkung

Der Einwilligungsvorbehalt darf nicht auf Verfügungen von Todes wegen erstreckt werden (§ 1903 Abs. 2 BGB). Der Betreute kann also nach eigenem Gutdünken Testamente abfassen und Erbverträge schließen; er braucht den Betreuer nicht fragen. Einzelheiten vgl. Hahn FamRZ 1991, 27.

Testament

Errichtung

Bei einem Testament handelt es sich um eine Bestimmung, was nach dem Tod aus dem Vermögen der verstorbenen Person wird. Das Recht auf Bestimmung auch über den Tod hinaus wird aus dem Grundrecht auf Eigentum (Art. 14 Grundgesetz) hergeleitet.

Für eine solche Verfügung von Todes wegen (Testament = letzter Wille) ist ein Einwilligungsvorbehalt nicht möglich, somit können anders als im früheren Vormundschaftsrecht (vor 1992) auch Personen, für die ein Betreuer bestellt ist, grundsätzlich ein Testament errichten.

Allerdings besagt § 2229 Abs. 3 BGB, dass eine Person, die wegen geistiger Störungen die Bedeutung einer Willenserklärung nicht zu erkennen und danach zu handeln vermag, kein Testament errichten kann (siehe auch unter § 104 Ziffer 2 BGB).

Ob eine solche Testierunfähigkeit vorliegt, ist vom Nachlassgericht (§ 72 FGG) bei Erteilung des Erbscheins von Amts wegen zu prüfen (§§ 12 FGG; 2353, 2358 BGB), wenn konkrete Zweifel an der Testierfähigkeit bestehet. Die Tatsache, dass ein Betreuer bestellt war, beweist allein noch nicht die Testierunfähigkeit (BayObLG 1982, 309 zur Gebrechlichkeitspflegschaft). Bei solchen Zweifeln hat das Nachlassgericht zunächst die behaupteten auffälligen Verhaltensweisen des Erblassers (dh. des Betreuten) aufzuklären (zB den Umfang der Cerebralsklerose, der Verwirttheit) und hierauf das Sachverständigengutachten eines Psychiaters einzuholen (OLG Hamm Rpfleger 1989, 23). Das Gutachten, das früher anläßlich der Bestellung des Betreuers erstellt wurden, wird dem neuen Sachverständigen hier u.U. wertvolle Hilfe leisten.

Widerruf des Testamentes

Der testierfähige Betreute kann sein Testament jederzeit wirksam widerrufen, der testierunfähige dagegen nicht. Vernichtet der testierunfähige Betreute sein Testament, indem er es wegwirft, bleibt es gültig; eine andere Frage ist, wie die Errichtung des Testaments dann bewiesen werden kann.

Überprüfung zu Lebzeiten des Testators

Nicht selten entbrennt nach dem Erbfall ein Streit unter den als Erben in Betracht kommenden Personen über die Frage, ob der Erblasser zum Zeitpunkt der Errichtung des Testamentes noch in der Lage war, die Tragweite seiner Verfügung zu erkennen. Das gilt vor allem dann, wenn der Erblasser noch kurz vor seinem Tode sein Testament ändert und damit bestehende Erbaussichten schmälert oder gänzlich beschneidet. Der Betroffene argumentiert meist, der in letzter Sekunde Begünstigte habe die nachlassende Geisteskraft des Erblassers schamlos zu seinem Vorteil ausgenutzt. Es ist dann schwer, im nachhinein zu beweisen, dass der Erblasser nicht mehr testierfähig war und seine letzte Verfügung damit unwirksam ist. Besonders findige potenzielle Erben versuchen deshalb, die Beweislage schon vor dem Versterben des Erblassers zu ihren Gunsten zu sichern.

So war es auch im Fall zweier Brüder. Der eine war kinderlos und errichtete ein Testament, in dem er die Tochter seiner verstorbenen Ehefrau zur Erbin einsetzte. Der andere Bruder, der ohne Testament gesetzlicher Erbe wäre, beantragte beim Nachlassgericht im Wege der Beweissicherung ein Gutachten zur Testierfähigkeit des Bruders einzuholen. Er hoffte, damit beweisen zu können, dass der Bruder nicht mehr testierfähig war, was ihm das Erbe gesichert hätte. So nicht, befand das OLG Frankfurt (Beschluss vom 27.01.1997 - 20 W 21/97). Das durch den Grundsatz der Testierfähigkeit anerkannte Interesse des Erblassers, nicht schon zu Lebzeiten über das Schicksal seines späteren Nachlasses Rechenschaft geben und sich von den potenziellen Erben nicht zu Tode prozessieren lassen zu müssen,sei höher zu bewerten als ein wie auch immer geartetes Interesse der potenziellen künftigen Nachlassbeteiligten. Der Antrag auf Einholung eines Gutachten sei deshalb nicht zulässig.

Erbvertrag

Der geschäftsfähige Betreute kann Erbverträge schließen (§ 2275 Abs. 1 BGB); dazu braucht er weder die Zustimmung des Betreuers noch die Genehmigung des Vormundschaftsgerichts. Allerdings muss ein Erbvertrag vor einem Notar geschlossen werden (§ 2276 BGB). Der Notar soll sich vor einer Beurkundung von der Geschäftsfähigkeit des Beteiligten überzeugen (z B., indem er mit ihm ein ansführliches Gespräch führt) und dies in der Urkunde vermerken (§§ 11, 28 BeurkG). Dieser Notar-Vermerk ist zwar nicht bindend; auch wenn der Notar den Erblasser für testierfähig hielt, kann also durch ein Sachverständigengutachten das Gegenteil bewiesen werden. In der Praxis ist dies gleichwohl selten der Fall, weil die Zeugenaussage des Notars entgegen steht. Wer also von einem Betreuten als Erbe eingesetzt werden soll, tut gut daran, den Betreuten zu bitten die Testierung nicht privatschriftlich vorzunehmen, sondern das Testament beim Notar zu errichten; noch besser ist es für den Erbanwärter, wenn mit ihm ein Erbvertrag geschlossen wird, weil der Vertrag unwiderruflich ist.

Aus der Rechtsprechung:

OLG Frankfurt/Main, Beschluss v. 05.09.1995, 20 W 107/94, FamRZ 1995, 635

1. Die Bestellung eines Betreuers mit dem Aufgabenkreis Aufenthaltsbestimmung und Vermögenssorge berührt die Testierfähigkeit des Betreuten in der Regel nicht.

2. Aus der vom Gesetz grundsätzlich gewährleisteten Testierfreiheit folgt auch, dass ein Erblasser seine letztwilligen Verfügungen nicht durch vernünftige und von Dritten nachvollziehbare Gründe rechtfertigen muss.

SACHVERHALT: Eine Erblasserin hatte ihr Testament mit Datum 01.08.1988 erstellt. Verschiedene Personen hatten aus Äußerungen und Verhaltensweisen der Erblasserin in den Jahren 1985 - 1987 Zweifel an der Testierfähigkeit der Erblasserin. Das Landgericht handelte nicht ermessensfehlerhaft angesichts des Umstandes, dass es die vorgetragenen Einwände als zu allgemein gehalten und zu wenig zeitnah an dem Testament vom 01.08.1988 angesehen hat.

Dem Landgericht war bekannt, dass die Erblasserin im Jahr 1987 einen notariellen Vertrag geschlossen hatte, vor allem im Hinblick auf das vom Landgericht überzeugend erachtete Gutachten des Sachverständigen vom 26.05.1993, der nicht einmal die Vorgänge, die zu der Errichtung einer Gebrechlichkeitspflegschaft für die Betroffene im November 1990 geführt hatten, für ausreichend angesehen hat, um eine Testierunfähigkeit der Erblasserin am 11.11.1990 für erwiesen zu halten.

ENTSCHEIDUNG: Ein Erblasser muss seine letztwilligen Verfügungen nicht durch vernünftige und von Dritten nachvollziehbare Gründe rechtfertigen. Es ist allein sein Wille entscheidend. Dies folgt aus der vom Gesetz grundsätzlich gewährleisteten Testierfreiheit (BayObLG, NJW 1992,248,249; Palandt/Edenhofer, a.a.O., Überbl. vor § 2064 Rz.3).

AUS DEN GRÜNDEN: Nach § 2229 IV BGB- i.d.F. ab 01.01.1992 § 2229 III BGB-kann ein Testament nicht errichten, wer wegen krankhafter Störung der Geistestätigkeit, wegen Geistesschwäche oder wegen Bewußtseinsstörung nicht in der Lage ist, die Bedeutung einer von ihm abgegebenen Willenserklärung einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln. Es genügt für die Testierfähigkeit nicht, dass der Erblasser eine allgemeine Vorstellung von der Errichtung des Testaments und von dem Inhalt seiner letztwilligen Verfügung hatte; er muss vielmehr auch in der Lage sein, sich über die Tragweite dieser Anordnungen und ihrer Auswirkungen auf die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse der Betroffenen sowie über die Gründe, die für und gegen ihre sittliche Berechtigung sprechen, ein klares Urteil bilden und nach diesem Urteil frei von Einflüssen etwaiger interessierter Dritter zu handeln.

Entsprechend dem Grundsatz, dass die Störung der Geistestätigkeit die Ausnahme bildet ist ein Erblasser dabei so lange als testierfähig anzusehen, als nicht seine Testierunfähigkeit zur vollen Gewißheit des Gerichts nachgewiesen ist (BayObLG. FamRZ 1994,593; Palandt/Edenhofer, BGB, 54. Aufl., § 2229 Rz.13). Dies gilt selbst dann, wenn für den Erblasser eine Gebrechlichkeitspflegschaft oder eine Betreuung bestanden hat. Die Feststellung für die Testierunfähigkeit als eine das Erbrecht vernichtende Tatsache hat derjenige zu tragen, der sich auf die darauf beruhende Unwirksamkeit des Testaments beruft. Diese Grundsätze hat das LG in der angefochtenen Entscheidung richtig angewendet.


BayObLG, Beschluss vom 01.08.1997 (BayObLGZ 1997, 256)

Feststellung der Testierunfähigkeit (bei fortgeschrittener Gehirnarteriosklerose):

1. Die Grundsätze über den Anscheinsbeweis gelten auch im Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit.

2. Zur Frage des Anscheinsbeweises bei der Feststellung der Testierunfähigkeit infolge fortgeschrittener Gehirnarteriosklerose im Hinblick auf lichte Intervalle.

Das Oberste Bayerische Landgericht hatte über einen Fall zu entscheiden, in dem zwei Beteiligte in einem Erbscheinsverfahren widerstreitende Anträge auf Erteilung eines Erbscheins gestellt hatten. Es war im Wesentlichen die Frage der Testierunfähigkeit einer 87jährigen Erblasserin bei fortgeschrittener Gehirnarteriosklerose im Hinblick auf lichte Intervalle zu klären. In dem dortigen Falle hatte der Vormundschaftsrichter aufgrund des ihm vorliegenden Gutachtens und seines persönlichen Eindrucks von der Erblasserin nur wenige Tage vor der Testamentserrichtung die Überzeugung gewonnen, daß die Erblasserin auf dem geistigen Stand eines Kindes unter sieben Jahren und völlig unselbstständig und in den Händen geschickter Menschen sehr leicht beeinflußbar’ sei (a.a.O., Seite 264). Im anschließenden Entmündigungsverfahren dieser Erblasserin kam der dortige Richter zu dem Ergebnis, daß die Erblasserin wegen ihrer geistigen Störung zu rechtswirksamen Verfügungen über ihr Vermögen nicht mehr in der Lage sei und das eine Entmündigung nur deshalb nicht ausgesprochen werden dürfe, weil die Erblasserin einen kleinen Teil ihrer Angelegenheiten noch selbst besorgen könne und für die Besorgung ihrer Vermögensangelegenheiten eine Pflegschaft ausreiche (a.a.O., Seite 264).

Selbst in einem solchen Fall hielt das Bayrische Oberste Landgericht die Testierfähigkeit nicht für ausgeschlossen, weil die Erblasserin in einem lichten Intervall testierfähig gewesen sein könnte. Die Darlegungen des Gerichts können als grundlegend für sehr viele spätere einschlägige Entscheidungen angesehen werden.


Kammergericht Berlin, Beschluss vom 07.09.1999 (NJW 2001, 903)

Feststellung der Testierunfähigkeit (bei Drohung oder Motivirrtum)/Qualität des Zeugenbeweises

1. Ein Erblasser ist solang als testierfähig anzusehen, als seine Testierunfähigkeit nicht bewiesen ist. Die Feststellungslast für die Testierfähigkeit hat derjenige zu tragen, der sich auf die darauf beruhende Unwirksamkeit des Testaments des Erblassers beruft. 2. Kommt das Gericht zu dem Ergebnis, daß die durch Zeugen oder andere Beweismittel feststellbaren Tatsachen nicht ausreichen können, um den Ausnahmefall der Testierunfähigkeit des Erblassers mit Hilfe eines Sachverständigen zu begründen, darf es davon absehen, ein Gutachten erstellen zu lassen.

3. Zur Anfechtung eines Testaments wegen Drohung und Motivirrtums.

Das Kammergericht hatte über einen Fall zu entscheiden, in dem u.a. zu klären war, ob die angeblichen Äußerungen eines Pfarrers gegenüber einer Erblasserin, die Kirche könne sich nicht mehr um sie kümmern, wen sie nicht wunschgemäß testiere, eine Drohung darstellen können. as Kammergericht legt unter mehrfachem Hinweis auf den oben zitierten Beschluß des BayObLG sehr instruktiv die Anforderungen an die Beweisführung im FGG-Erbscheinsverfahren und die Beweiskraft einzelner Beweismittel dar.

Hinsichtlich des Zeugenbeweises eines Notars: „Auch seiner Aussage durfte das Gericht erhöhte Bedeutung beimessen, da er als Notar gem. § 28 BeurkG von Amts wegen zur Prüfung der Testierfähigkeit vor der Beurkundung verpflichtet war. Hinsichtlich „Laien“zeugen: „Denn bei ihnen handelt es sich ersichtlich um Laien auf humanmedizinischem Gebiet, die auch zur Beurteilung der Voraussetzungen von Testierunfähigkeit nicht besonders geschult sind. Eine Verletzung der Pflicht zur Amtsermittlung liegt in dem Absehen von ihrer Vernehmung daher nicht.“



   4. Recht der Beteiligten auf Einsichtnahme in beigezogene Krankenakten
   Beschluß des OLG Düsseldorf vom 29.03.2000 (ZERB 2000, 204)
       Will das Nachlassgericht in seiner Entscheidung zur Testierfähigkeit des Erblassers dessen Krankenakte verwerten, so darf es einem Beteiligten, der Einsicht in diese Krankenakte verlangt, die Einsichtsnahme nicht verweigern; anderenfalls liegt ein Verstoß gegen Art. 103 Abs. 1 GG vor. Gegebenenfalls ist die Krankenakte dem vom Antragsteller entsprechend bevollmächtigten Privatgutachter auszuhändigen, wenn der Antragsteller zu substanziiertem Sachvortrag der Hilfe des Privatgutachters bedarf.


Keine Testierunfähigkeit bei nur intermittierenden psychopathologischen Störungen - BayObLG, Beschluss vom 24.03.2005, 1Z BR 107/04:

Zeigt sich eine erhebliche Befundbesserung nach einem Hirninfarkt sowie nur teilweise psychopathologische Störungen kann eine zeitweise Testierfähigkeit nicht ausgeschlossen werden. Der Tatrichter hat sich als medizinischer Laie nur mit den Lücken und Widersprüchen eines Gutachtens auseinanderzusetzen.

Testierunfähigkeit bei vaskulären Demenz - BayObLG, Beschluss vom 07.09.2004, 1Z BR 73/04

Diee Auslegungsregel des § 2069 BGB kann nicht, auch nicht entsprechend, angewandt werden, wenn der Erblasser eine Person eingesetzt hat, die nicht zu seinen Abkömmlingen gehört. Bei einer so genannten vaskulären Demenz ist in der Regel von einer erheblich schwankenden Symptomatik auszugehen. Bei dieser Art der Demenzerkrankung kann nicht ausgeschlossen werden, dass im maßgeblichen Zeitraum der Testamentserrichtung sich Zustände abgewechselt haben, in denen Einsichtsfähigkeit und Willensentschließungsfreiheit des Erblassers noch gegeben waren und in denen diese nicht mehr vorhanden waren. In einem derartigen Fall ist daher von einer Testierfähigkeit auszugehen.

Testierfähigkeit bei paranoiden Wahnvorstellungen - BayObLG, Beschluss vom 17.08.2004, 1Z BR 53/04

Testierunfähig ist derjenige, dessen Erwägungen und Willensentschlüsse nicht mehr auf einer dem allgemeinen Verkehrsverständnis entsprechenden Würdigung der Außendinge und der Lebensverhältnisse beruhen, sondern durch krankhaftes Empfinden oder krankhafte Vorstellungen und Gedanken derart beeinflusst werden, dass sie tatsächlich nicht mehr frei sind.

BayObLG, Beschluss vom 07.10.2004, 1Z BR 76/04

Testierunfähig ist derjenige, dessen Erwägungen und Willensentschlüsse nicht mehr auf einer dem allgemeinen Verkehrsverständnis entsprechenden Würdigung der Außendinge und der Lebensverhältnisse beruhen, sondern durch krankhaftes Empfinden oder krankhafte Vorstellungen und Gedanken derart beeinflusst werden, dass sie tatsächlich nicht mehr frei sind.

OLG Celle, Beschluss vom 28.04.2003, 6 W 26/03

Da die Störung der Geistestätigkeit die Ausnahme bildet, ist ein Erblasser solange als testierfähig anzusehen, als nicht die Testierunfähigkeit zur vollen Gewissheit des Gerichts feststeht. Die Feststellungslast für die Testierunfähigkeit als eine das Erbrecht vernichtende Tatsache trägt derjenige, der sich auf die darauf beruhende Unwirksamkeit beruft. Bleiben deshalb trotz Ausschöpfung aller Aufklärungsmöglichkeiten nicht behebbare Zweifel, so muss von der Testierfähigkeit ausgegangen werden (BayObLG NJW-RR 2002, 1088; OLG Frankfurt NJW-RR 1998, 870f.; 1996, 1159).

Literatur

Bücher

Zeitschriftenbeiträge

  • Cypionka: Die Auswirkungen des BtG auf die Praxis des Notars, DNotZ 1991, 571
  • Hahn: Die Auswirkungen des Betreuungsrechtes auf das Erbrecht; FamRZ 1991, 27
  • Lange: Beseitigung von letztwilligen Verfügungen durch Betreuer, ZEV 2008, 313
  • Wetterling, T./ Neubauer, H und W.: Psychiatrische Gesichtspunkte zur Testierfähigkeit Dementer; ZEV 1995, 46

Weblinks

Vorlagen


Infos zum Haftungsausschluss