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Zwar genügt die bloße Betreuerbestellung nicht, um allein deswegen eine Verteidigerbestellung auszusprechen. Gemäß § 140 Abs. 2 StPO liegt aber dann ein Fall der notwendigen Verteidigung vor, wenn der Angeklagte aufgrund seiner geistigen Fähigkeiten oder seines Gesundheitszustandes in seiner Verteidigungsfähigkeit eingeschränkt ist. Eine Pflichtverteidigerbestellung ist mithin schon dann notwendig, wenn an der Fähigkeit der Selbstverteidigung erhebliche Zweifel bestehen.
 
Zwar genügt die bloße Betreuerbestellung nicht, um allein deswegen eine Verteidigerbestellung auszusprechen. Gemäß § 140 Abs. 2 StPO liegt aber dann ein Fall der notwendigen Verteidigung vor, wenn der Angeklagte aufgrund seiner geistigen Fähigkeiten oder seines Gesundheitszustandes in seiner Verteidigungsfähigkeit eingeschränkt ist. Eine Pflichtverteidigerbestellung ist mithin schon dann notwendig, wenn an der Fähigkeit der Selbstverteidigung erhebliche Zweifel bestehen.
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====Aufgabenkreis des Betreuers====
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'''Landgericht Magdeburg, Beschluss vom 21.7.2022, 25 QS 53/22'''
Auch hier muss die Angelegenheit, um die es geht, vom [[Aufgabenkreis]] umfasst sein. Das ist immer dann der Fall, wenn dem Betreuer pauschal alle Angelegenheiten oder alle persönlichen Angelegenheiten übertragen sind. Ansonsten dürfte ein separater Aufgabenkreis „Beteiligung am / oder Vertretung im Strafverfahren“ notwendig sein.  
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Von einer notwendigen Verteidigung ist auszugehen, wenn der Beschuldigte unter Betreuung steht und zum Aufgabenkreis des Betreuers die Vertretung vor Behörden zählt .
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'''OLG Celle, Beschluss vom 04.05.2023, 2 Ws 135/23'''
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#Wurde einem Angeklagten ein Betreuer mit dem „Aufgabenkreis Vertretung gegenüber Behörden“ bestellt, liegen in der Regel zugleich die Voraussetzungen des § 140 Abs. 2 StPO vor.
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#Bei der Frage, ob die "Schwere der Tat" eine Pflichtverteidigerbestellung erfordert, sind neben der zu erwartenden Strafe auch sonstige schwerwiegende Nachteile zu berücksichtigen, wie beispielsweise die drohende Unterbringung in einer Entziehungsanstalt gemäß § 64 StGB.
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#Der von einem Angeklagten abgegebene Rechtsmittelverzicht in der Hauptverhandlung ist unwirksam, wenn der Angeklagte entgegen § 140 StPO nicht ordnungsgemäß verteidigt war.
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===Aufgabenkreis des Betreuers===
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Die Angelegenheit, um die es geht, vom [[Aufgabenkreis]] umfasst sein. Das ist immer dann der Fall, wenn dem Betreuer pauschal alle Angelegenheiten oder alle persönlichen Angelegenheiten übertragen sind. Ansonsten dürfte ein separater Aufgabenkreis „Beteiligung am / oder Vertretung im Strafverfahren“ notwendig sein.  
    
Daher haben mehrere Oberlandesgerichte den Fall, dass ein Betreuer für seinen Betreuten als Strafverteidiger tätig wird, nicht mehr von dem allgemeinen Aufgabenkreis der Vertretung gegenüber Behörden als gedeckt angesehen (vgl. OLG Schleswig, NJW RR 2008, 91 = MDR 2007, 1263 = FGPrax 2007, 231= FamRZ 2008, 187 (Ls.); OLG Frankfurt, NJW RR 2005, 1166; OLG Hamm, NJW 2006, 1144 = FamRZ 2006, 576 (Ls.); OLG Hamburg, Beschl. vom 17.6.2013, 2 Ws 23-25/13; a.A.: KG Berlin, Beschl. v. 21.03.2001 – 1 AR 239/01 – juris; OLG Düsseldorf, Beschl. v. 30.06.1995 – 1 Ws 516/95, Rpfleger 1996, 81).  
 
Daher haben mehrere Oberlandesgerichte den Fall, dass ein Betreuer für seinen Betreuten als Strafverteidiger tätig wird, nicht mehr von dem allgemeinen Aufgabenkreis der Vertretung gegenüber Behörden als gedeckt angesehen (vgl. OLG Schleswig, NJW RR 2008, 91 = MDR 2007, 1263 = FGPrax 2007, 231= FamRZ 2008, 187 (Ls.); OLG Frankfurt, NJW RR 2005, 1166; OLG Hamm, NJW 2006, 1144 = FamRZ 2006, 576 (Ls.); OLG Hamburg, Beschl. vom 17.6.2013, 2 Ws 23-25/13; a.A.: KG Berlin, Beschl. v. 21.03.2001 – 1 AR 239/01 – juris; OLG Düsseldorf, Beschl. v. 30.06.1995 – 1 Ws 516/95, Rpfleger 1996, 81).  
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Der Aufgabenkreis des Betreuung hinsichtich der vertretung gegenuber Behorden, Sozialleistungsträgern und Gerichten umfasst nicht die befugnis der einlegung von Rechtsmitteln im Strafverfahren; die Wahrnehmung der Interessen Angeklagter liegt insoweit allein in den Händen der Verteidigung.
 
Der Aufgabenkreis des Betreuung hinsichtich der vertretung gegenuber Behorden, Sozialleistungsträgern und Gerichten umfasst nicht die befugnis der einlegung von Rechtsmitteln im Strafverfahren; die Wahrnehmung der Interessen Angeklagter liegt insoweit allein in den Händen der Verteidigung.
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'''OLG Hamm, Beschluss vom 26.09.2023, 3 Ws 301/23'''
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Die nach § 68b Abs. 2 S. 4 i.V.m. § 56c Abs. 3 StGB erforderliche Einwilligung des Verurteilten ist keine höchstpersönliche Erklärung und kann auch – bei Vorliegen einer etwaig erforderlichen betreuungsgerichtlichen Genehmigung - wirksam von einem gesetzlichen Betreuer erteilt werden.
    
'''Geldstrafe vom Betreuer aus Barbetrag zu zahlen?'''
 
'''Geldstrafe vom Betreuer aus Barbetrag zu zahlen?'''
    
Das AG Gießen vertrat in einem Strafverfahren gegen einen Betreuer wegen Strafvereitelung kürzlich die Auffassung, dass der Betreuer dafür hätte sorgen müssen, dass die Geldstrafe des Betreuten aus dessen Sozialhilfe-Taschengeld gezahlt werde: [http://www.giessener-anzeiger.de/lokales/stadt-giessen/nachrichten-giessen/richter-zieht-schlussstrich_13679548.htm Pressemeldung dazu]
 
Das AG Gießen vertrat in einem Strafverfahren gegen einen Betreuer wegen Strafvereitelung kürzlich die Auffassung, dass der Betreuer dafür hätte sorgen müssen, dass die Geldstrafe des Betreuten aus dessen Sozialhilfe-Taschengeld gezahlt werde: [http://www.giessener-anzeiger.de/lokales/stadt-giessen/nachrichten-giessen/richter-zieht-schlussstrich_13679548.htm Pressemeldung dazu]
      
===Zulassung als Beistand nach § 149 StPO ?===
 
===Zulassung als Beistand nach § 149 StPO ?===

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