Sozialhilfe: Unterschied zwischen den Versionen
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Version vom 4. November 2009, 16:32 Uhr
Sozialhilfe und Betreuung
Rund 3/4 aller betreuten Menschen sind sozialhilfebedürftig. Daher ist die Beantragung von Sozialhilfeleistungen eine Standardaufgabe vieler Betreuer. Im folgenden wird unter Sozialhilfe der Gesamtbereich der Leistungen zum Lebensunterhalt angesehen:
- Hilfe zum Lebensunterhalt (§§ 27 ff SGB XII)
- Grundsicherung für erwerbsgeminderte und alte Menschen (§§ 41 ff SGB XII)
- Hilfen in besonderen Lebenslagen (SGB-XII), insbesondere
- Gesundheitshilfe (§§ 47 ff SGB XII)
- Hilfe zur Pflege (§§ 61 ff SGB XII)
- Eingliederungshilfe (§§ 53 ff SGB XII)
- Leistungen zur Grundsicherung für Arbeitssuchende (ALG-II, "Hartz IV"; SGB-II)
- Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz
- Leistungen der Kriegsopferfürsorge (KOF)
Aufgabenkreis zur Sozialhilfebeantragung
Zur Beantragung von Sozialhilfeleistungen benötigt der Betreuer gem. § 1902 BGB einen passenden Aufgabenkreis. Folgende Aufgabenkreise sind allgemein üblich
- Beantragung, Entgegennahme und Verwaltung von Sozial(hilfe)leistungen
- Vertretung gegenüber Ämtern und Behörden
- Vermögenssorge.
In der Rechtsprechung wurde festgestellt, dass die Beantragung von Sozialhilfe zur Personensorge, nicht zur Vermögenssorge zählt. Ein Betreuer, der allein die Vermögenssorge (ohne Zusätze) innehat, kann daher schon deshalb nicht für eine verspätete Sozialhilfeantragstellung haften (LG Köln FamRZ 1998, 919 mit Anm. Bienwald FamRZ 1998, 1567; zumindest zweifelnd: OVG NRW FamRZ 2001, 312).
Da diese Frage bisher nicht eindeutig geklärt ist, sollten Betreuer, die nur den Aufgabenkreis Vermögenssorge haben, mit dem Betreuungsgericht klären, ob sie in Sozialhilfeangelegenheiten vertretungsberechtigt sind. Das Vormundschaftsgericht ist gem. § 1837 Abs. 1 BGB zur Unterstützung und Rechtsberatung verpflichtet.
Der Betreuer hat als gesetzlicher Vertreter des Antragstellers bzw. Hilfeempfängers auch dessen sozialrechtliche Mitwirkungspflichten (§§ 60 ff SGB I), insbesondere hat er Änderungen an den persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen des Betreuten unaufgefordert dem Sozialhilfeträger mitzuteilen.
Vorlage von Kontoauszügen im Falle eines Antrags auf ALG II
Wer Arbeitslosengeld II beantragt, muss auf Verlangen die Kontoauszüge der letzten 3 Monate vorlegen. Nach einer Entscheidung des LSG Baden-Württemberg (Beschluss vom 3.1.2008 mit dem Az. L 8 AS 5486/07 ER-B) muss dieses vollständig erfolgen, der Antragsteller darf nicht unter Berufung das informationelle Selbstbestimmungsrecht Schwärzungen auf den Kontoauszügen vornehmen. Die Angaben auf den Kontoauszügen seien geeignet, Aufschluss über die finanziellen Verhältnisse des Betroffenen zu geben und die Bedürftigkeit zu beurteilen. Es sei nicht zu beanstanden, wenn der Staat nur solchen Personen steuerfinanzierte Leistungen gewähren will, die wirklich bedürftig und bereit sind, entsprechende Auskünfte zu geben.
Haftung bei überhöht gezahlter Sozialhilfe
SozG Karlsruhe, Urteil vom 27.08.2009, S 1 SO 182/09:
Kein Vertrauenstatbestand für Betreuer, der rechtswidrigen Bewilligungsbescheid weder gelesen noch zur Kenntnis genommen hat:
Leitsätze:
- Bei vollständigen und richtigen Angaben des Hilfeempfängers im Verwaltungsverfahren besteht grundsätzlich keine Verpflichtung des Adressaten, den Verwaltungsakt des Näheren und umfassend auf seine Richtigkeit zu überprüfen.
- Allerdings ist der Adressat eines Verwaltungsakts verpflichtet, diesen zu lesen und zur Kenntnis zu nehmen.
- Grob fahrlässige Unkenntnis der Rechtswidrigkeit eines Verwaltungsakts liegt vor, wenn der Adressat bereits bei einfachsten und naheliegenden Überlegungen sicher hätte erkennen können, dass der zuerkannte Anspruch nicht oder nicht in der konkreten Höhe besteht.
- Ein unter Betreuung stehender Hilfeempfänger muss sich Verfahrenshandlungen sowie die Kenntnis oder das Kennenmüssen seines Betreuers wie eigenes Handeln und eigene Kenntnis bzw. eigenes Kennenmüssen zurechnen lassen.
Anmerkung: im o.g. Fall war einer Betreuten seitens des Sozialhilfeträgers über einen längeren Zeitraumn mtl. ca 100 Euro zuviel gezahlt worden. Der Antrag war durch den Betreuer zwar korrekt gestellt worden, allerdings hatte das Sozialamt die angegebene Warmmiete versehentlich als Kaltmiete angesehen und ca. 100 Euro Nebenkosten auf diese Weise "doppelt" gazahlt. Der Betreuer hat auf die plötzliche Erhöhung der Gesamtzahlung nicht reagiert, das Geld wurde durch den Hilfeempfänger verbraucht. Das Sozialgericht verpflichtete den Betreuer gem. § 104 SGB XII zur Erstattung der an den Betreuten zu Unrecht gezahlten Sozialhilfe. Die fehlerhafte Zahlung hätte vom Betreuer ohne weiteres erkannt werden und dem Sozialamt gem. § 60 SGB I gemeldet werden müssen.
Siehe auch
Weblinks
- Text des SGB-XII - Sozialhilfe
- Hinweise zum neuen Sozialhilferecht mit Rechtsprechung
- Tacheles-Sozialhilfe - Beratungsseiten
- Rechtsprechungsdatenbank Sozialhilfe + ALG 2
Literatur
Bücher
- Lehr- und Praxiskommentar zum Sozialhilferecht, Neuauflage 2008
- Leitfäden der AG Tuwas (FH Frankfurt) zur Sozialhilfe und zu ALG 2
Zeitschriftenbeiträge
- Bienwald: Persönliches Budget und rechtl. Betreuung; FamRZ 2005, 254
- Rosenow: Der neue Kostenersatzanspruch gegen den Vertreter des Sozialhilfeempfängers; BtMan 2005, 29
- Rosenow: Aktuelles zum Grundsicherungsrecht; BtMan 2008, 23
- Schulte: Betreungsrecht und soziale Grundsicherung, BtPrax 2006, 210
- Ungewitter: Probleme des Schadensbegriffs bei entgangener Sozialhilfe, VersR 1996, 1466
Vordrucke
Sozialhilfe
- Antrag auf Heimkostenübernahme
- Sozialhilfeantrag für Heimbewohner
- Merkblatt zum Sozialhilfeantrag
- Erstantrag Grundsicherung
- Folgeantrag Grundsicherung
- Weiterer Antrag auf Grundsicherung (Erstantrag)
- Weiterer Antrag auf Grundsicherung (Folgeantrag)