Prozessführung: Unterschied zwischen den Versionen

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Version vom 18. September 2020, 16:39 Uhr

„In seinem Aufgabenkreis vertritt der Betreuer den Betreuten gerichtlich und außergerichtlich.“, so die kurze Fassung des § 1902 BGB. Bei der praktischen Betreuertätigkeit handelt es sich im Regelfall um die außergerichtliche Vertretung, z.B. gegenüber Behörden, Vermietern, Heimleitungen, Ärzten, Gläubigern etc. Für die gerichtliche Vertretungstätigkeit des Betreuers gelten einige Besonderheiten.

Bei gerichtlichen Verfahren ist zu unterscheiden zwischen der Prozessfähigkeit (§ 51 ZPO), die sich an der Geschäftsfähigkeit orientiert und zwischen der Berechtigung, bestimmte Klagen erheben zu dürfen.

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Ehescheidung und Vaterschaft

Bei Letzterem gibt es besondere Bestimmungen bei familienrechtlichen Klageverfahren. So ist die Erhebung eines Klageantrags auf Ehescheidung oder Eheaufhebung nur dann durch einen Betreuer zulässig, wenn Geschäftsunfähigkeit des Vertretenen besteht (§ 125 FamFG). Darüber hinaus benötigt der Betreuer hierzu die Genehmigung des Betreuungsgerichtes. Eine Klage auf Herstellung des ehelichen Lebens kann niemals durch einen Betreuer geführt werden. Es sei an dieser Stelle auch darauf hingewiesen, dass die Ehescheidung bzw. -aufhebung eine familienrechtliche Angelegenheit ist. Der AufgabenkreisVermögenssorge“ würde daher hierzu nicht berechtigten. Dass mit einer derartigen Klage zwar meist auch vermögensrechtliche Fragen (Hausrat, Zugewinn- und Versorgungsausgleich) verbunden sind, spielt für die eigentliche Klage keine Rolle, denn bei diesen genannten Angelegenheiten handelt es sich nur um Scheidungsfolgesachen, die ggf. auch separat geltend gemacht werden können.

Bei einer Vaterschaftsanfechtung wird das Verfahren ebenfalls nur dann durch den gesetzlichen Vertreter geführt, wenn der Betroffene (Kind, Vater oder Mutter) geschäftsunfähig ist (§ 1600a BGB).

Sonstige Gerichtsverfahren

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Nach § 1902 BGB i.V.m. § 53 ZPO: fallt ein Prozess in den Aufgabenkreis des Betreuers, so ist er vor Gericht alleine vertretungsberechtigt. Auch der ansonsten geschäftsfähige Betreute gilt im gerichtlichen Verfahren, soweit die Vertretungsmacht des Betreuers reicht, als prozessunfähig. Erklärungen, die der Betreute im Verfahren bereits selbst getätigt hat, sind rechtsunwirksam.

Dies gilt nicht nur im Zivilprozess, sondern auch im Verfahren vor dem Verwaltungsgericht, vor dem Sozialgericht und dem Finanzgericht. Auch im Zwangsvollstreckungsverfahren gelten diese Grundsätze. Eidesstattliche Versicherungen sind daher durch den Betreuer abzugeben (auch der Betreute kann dazu verpflichtet werden, soweit er nicht eidesunfähig ist, § 393 ZPO). Auch Berufungen können nur durch den Betreuer eingelegt werden.

Zur Kontroverse, ob bereits der Aufgabenkreis des Betreuers reicht oder ob er sich speziell entscheiden muss, ein Verfahren tatsächlich zu übernehmen, siehe unter Prozessfähigkeit.

Rechtsprechung:

Abgabe der eidesstattlichen Versicherung

BGH, Beschluss vom 14.08.2008 - I ZB 20/08; FamRZ 2008, 2109 = NJW-RR 2009, 1 = MDR 2008, 1357 = WM 2008, 2264:

Wenn für die Vermögenssorge des Schuldners ein gesetzlicher Vertreter bestellt, nicht aber ein Einwilligungsvorbehalt gemäß § 1903 BGB angeordnet ist, hat das Vollstreckungsgericht nach pflichtgemäßem Ermessen zu bestimmen, ob der Vertreter oder der Schuldner die eidesstattliche Offenbarungsversicherung abzugeben hat. Im vorliegenden Fall wurde die Betreuerin verpflichtet, die eV. abzugeben.

Bayerisches LSG, Beschluss vom 03.07.2006, L 13 R 352/06

Hat das Vormundschaftsgericht für Erklärungen, die den Aufgabenkreis der Betreuerin betreffen, keinen Einwilligungsvorbehalt angeordnet, bedürfen Erklärungen, die eine Betreute selbst gegenüber dem Rentenversicherungsträger oder dem Gericht abgibt, nicht der Einwilligung oder Genehmigung der Betreuerin. Allerdings bestimmt § 71 SGG i.V.m. § 53 ZPO, dass die in einem Rechtsstreit von einem Betreuer vertretene prozessfähige Person für diesen Rechtsstreit einer prozessunfähigen Person gleichsteht. Die Betreute ist in erster Instanz durch ihre Betreuerin vertreten worden. Diese Betreuerin hat durch ihre Mitteilung an das LSG zu erkennen gegeben, dass sie den Rechtsstreit nicht im Wege der Berufung fortsetzen will. Eine gegenteilige Prozesserklärung der Betreuten ist mangels Prozessfähigkeit unwirksam.

LSG NRW - Beschluss vom 12.09.2002, L 3 B 20/02 P:

Im Rahmen der Rechtsschutzverfahren der Pflegebedürftigen ist von deren erhaltener Fähigkeit zur freien Willensbildung auszugehen und diese zu respektieren, solange sie nicht unter Betreuung mit Einwilligungsvorbehalt (§ 1903 BGB) hinsichtlich der das Verfahren betreffenden Willenserklärung stehen oder sich konkrete Anhaltspunkte für eine Prozessunfähigkeit ergeben, denen das Sozialgericht dann gegebenenfalls durch Bestellung eines besonderen Vertreters (§ 72 SGG) Rechnung zu tragen hat. Die Beschränkung des Rechtsschutzes durch Verweigerung von Prozesskostenhilfe ist jedenfalls der falsche Weg. Ist zudem ein ohne Einwilligungsvorbehalt bestellter Vertreter in das Verfahren eingetreten und hat die Prozessführung gestützt, missachtet das Sozialgericht mit seiner Auslegung des Begriffes "mutwillige Prozessführung" zugleich dessen Rolle: Der Betreuer, nicht das Sozialgericht wacht im Rahmen des bestehenden Aufgabenkreises über die Interessen des Betreuten (§ 1901 BGB).

LSG Bayern, Beschluss vom 03.12.2012, L 2 P 65/12 B ER:

  1. Leistungen der Pflegeversicherung nach §§ 14 ff SGB XI stehen dem Versicherten und nicht dessen Pflegeperson zu. Ein Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung ohne Einwilligung des Betreuers der Pflegeperson und ohne wirksame Bevollmächtigung ist unzulässig.
  2. Bei Streit über die Festsetzung der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung ist die Pflegeperson antragsberechtigt.

LSG Baden-Württemberg, Beschluss vom 27.12.2012, L 8 U 1670/11:

Die im Prozesskostenhilfeverfahren erfolgte Beiordnung des vom Amtsgericht bestellten Betreuers des Klägers als Prozessbevollmächtigter verhindert nach dem Tod des Klägers für sich genommen noch nicht die Verfahrensunterbrechung. Die dem beigeordneten Anwalt wirksam erteilte Prozessvollmacht im Sinne des § 80 ZPO, wozu eine schriftliche Vollmacht nicht erforderlich ist, lässt dagegen die Verfahrensunterbrechung nicht eintreten. Der Kläger selbst ist durch das Betreuungsverhältnis nicht gehindert, seinem beigeordneten Betreuer Prozessvollmacht rechtlich wirksam zu erteilen.

Verwaltungsgericht Osnabrück, Beschul v 11.7.2013, 6 B 34/13, BtPrax 2013, 262:

Der Rechtsmittelverzicht eines Betreuten steht einer vom Betreuer innerhalb seines gerichtlich bestimmten Aufgabenkreises erhobenen Klage nicht entgegen.

OLG Frankfurt/Main, Beschluss vom 09.01.2014, 5 UF 406/13 , NJW 2014, 1393:

Die bloße Abgabe von Stellungnahmen durch den Betreuer stellt noch kein „Vertreten“ im Sinne des § 53 ZPO dar. Ist der Betreute mangels Vertre­tung in einem Gerichts­ver­fahren i.S.d. § 53 ZPO durch den Betreuer in seiner Verfah­rens­fä­hig­keit nicht beschränkt, kann er oder sie selbst wirksam Rechts­mittel einlegen. Das Ober­lan­des­ge­richt Frankfurt bestä­tigte die Verfah­rens­fä­hig­keit eines Betrof­fenen in einem fami­li­en­ge­richt­li­chen Verfahren, in dem der Betreuer keinen Antrag gestellt hatte.

OLG Hamm, Beschluss vom 15.05.2014, 6 UF 125/13:

  1. Ein Verfahrensbeteiligter ist verpflichtet, sorgfältig nach allen entscheidungsrelevanten Unterlagen zu forschen und schon leichte Fahrlässigkeit schließt die Zulässigkeit einer späteren Restitutionsklage aus. Dem Verfahrensbeteiligten ist überdies ein Verschulden seines Verfahrensbevollmächtigten und/oder seines gesetzlichen Betreuers zuzurechnen.
  2. Werden im (Erst)Verfahren auf Ausgleich des Zugewinns weder der Verfahrensbevollmächtigte noch der gesetzliche Betreuer des psychisch erkrankten Verfahrensbevollmächtigten tätig, um alle Unterlagen zum Anfangs- und Endvermögen vorzulegen, dann kann dies einen Verschuldensvorwurf begründen mit der Folge, dass ein späterer Restitutionsantrag unzulässig ist.

Zur Berufung im sozialgerichtlichen Verfahren

Betreute können ohne Mitwir­kung des Betreuers ein Rechts­mittel gegen eine gericht­liche Entschei­dung einlegen, wenn die Instanz gerichts­kos­ten­frei ist. Das Landes­so­zi­al­ge­richt Nord­rhein-West­falen  hat eine von einem Betreuten einge­legte Beru­fung zuge­lassen, nachdem die erste Instanz in der SGB-II-Ange­le­gen­heit vom Betreuer betrieben wurde (Beschluss vom 20.6.2012, L 12 AS 1880/11). In einer neuen Instanz gelte nicht das Verbot der Doppel­be­trei­bung eines öffent­lich-recht­li­chen Verfah­rens durch Betreuer und Betreuten.

Obwohl im entschie­denen Fall ein E­inwilligungs­vor­be­halt in Vermö­gens­sa­chen bestellt war, war die Einle­gung des Rechts­mit­tels als Rechts­ge­schäft für den Betrof­fenen ledig­lich recht­lich vorteil­haft, weil im Sozi­al­ge­richts­ver­fahren keine Gerichts­kosten anfallen. Betreute können bei einem Einwil­li­gungs­vor­be­halt in Vermö­gens­sorge unab­hängig vom Betreuer klagen oder Rechts­mittel einlegen, wenn das Gerichts­ver­fahren nach der Prozess­ord­nung kosten­frei ist. Das gilt jeden­falls in Sozi­al­ge­richts­ver­fahren, nicht in Zivil­pro­zessen (Quelle: BtDirekt

Verfahrensfähigkeit im Betreuungsverfahren

Lediglich im Betreuungs- und im Unterbringungsverfahren gilt eine abweichende Regelung; hier ist der Betreute selbst verfahrensfähig (§§ 66, 70a FGG) (der Betreuer hat hier eine eigenständige Verfahrensbeteiligung; diese soll aber nicht Gegenstand des Beitrags sein).

Aufgabenkreis zur Prozessführung

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Bei der Prüfung der Frage, ob er einen Rechtsstreit für den von ihm Betreuten führen kann oder darf, steht am Beginn die Überlegung, ob der dem Betreuer zugewiesene Aufgabenkreis die Führung des Rechtsstreits abdeckt. Dabei kann aus der Übertragung des Aufgabenbereichs der Vermögenssorge gem. § 1902 BGB auch die Berechtigung zur Führung von Rechtsstreitigkeiten über Vermögensangelegenheiten des Betreuten sowohl auf der Kläger - als auch auf der Beklagtenseite hergeleitet werden.

Streitig ist dies z.B. für Unterhaltsklagen des Betreuten: hier wird zum Teil argumentiert, dass wegen des personalen Bezugs des Unterhaltsrechts die Entscheidung des Betreuers, unterhaltsrechtlich gegen einen Angehörigen des Betreuten vorzugehen, jedenfalls einer besonderen Aufgabenzuweisung durch das Vormundschaftsgericht bedürfe (LG Zweibrücken FamRZ 2000, 1324 = NJW-RR 2001, 151 (mit Anm. Hellmann in Rechtsdienst der Lebenshilfe 2001,90).

Ähnliches gilt im Bereich des öffentlichen Rechts für den Antrag auf Gewährung von Sozialhilfe und gegebenenfalls ein entsprechendes Klageverfahren. In der Rechtsprechung wurde festgestellt, dass die Beantragung von Sozialhilfe zur Personensorge, nicht zur Vermögenssorge zählt (LG Köln FamRZ 1998, 919 mit Anm. Bienwald FamRZ 1998, 1567; OLG Köln FamRZ 1993, 850, zumindest zweifelnd: OVG NRW FamRZ 2001, 312). Überwiegend wird aber wohl davon ausgegangen, dass Sozialhilfeansprüche zur Vermögenssorge zu rechnen sind.

Ein Ehescheidungsverfahren wird man ebenfalls nicht unter die „üblichen“ Aufgabenkreise (Vermögenssorge, Gesundheitssorge, Aufenthaltsbestimmung) fassen können, da die Ehe eine Institution familienrechtlicher Art ist. Hier wird der Betreuer einen eigenen Aufgabenkreis „Vertretung im Scheidungsverfahren“ o.ä. benötigen. Außerdem ist die vormundschaftsgerichtliche Genehmigung nach § 607 Abs. 2 ZPO bei Scheidungen erforderlich.

Bei Mietsachen ist die Vorschrift des § 1972 BGB zu beachten und erforderlichenfalls eine Genehmigung des Vormundschaftsgerichts einzuholen. Dies wäre etwa der Fall, wenn der Betreuer auf Feststellung klagen will, dass eine vom Betreuten ausgesprochene Kündigung seiner Wohnung wirksam war.

Stellt sich bei einem Klageverfahren heraus, dass ein Betroffener prozessunfähig ist und bisher kein Betreuer mit passendem Aufgabenkreis bestellt ist, so kann das Prozessgericht, wenn mit dem Verzug Gefahr verbunden wäre, einen besonderen Vertreter bestellen (§ 57 ZPO); dies kann auch der Betreuer sein, dessen bisherige Aufgabenkreise das Klageverfahren nicht umfassen. Der Betreuer wiederum wäre in einem solchen Falle verpflichtet, beim Betreuungsgericht die Erweiterung seiner Aufgabenkreise bez. des Klageverfahrens zu beantragen.

Im Innenverhältnis zu dem Betreuten ist der Betreuer nach den allgemeinen Bestimmungen natürlich verpflichtet, wichtige Angelegenheiten mit diesem zu besprechen.

Rechtsprechung:

BGH, Beschluss vom 24. Januar 2018 - XII ZB 141/17

Auch der Betreuer, der selbst Rechtsanwalt ist, muss den Wunsch des Betroffenen beachten, in einer bestimmten vom Aufgabenkreis der Betreuung umfassten Angelegenheit einen anderen Anwalt zu mandatieren.

Betreuer als Zeuge

LSG Baden-Württemberg, Beschl. vom 06.04.2017 - Az: L 6 VJ 1281/15

Ein Betreuer kann innerhalb seines Aufgabenkreises nicht als Zeuge im Prozess des Betreuten vernommen werden. Der Betreuer kann nur außerhalb seines Aufgabenkreises als Zeuge vernommen werden (Greger in: Zöller, Zivilprozessordnung, 31. Aufl. 2016, § 373 ZPO, Rz. 5). Bei einem Rechtsstreit um (Impfschadens-) Versorgung ist jedenfalls die Vermögenssorge betroffen. Auch eine Vernehmung als Partei kam nicht in Betracht. Die Parteivernehmung stellt im sozialgerichtlichen Verfahren kein Mittel der Sachaufklärung dar, mit dem ein Vollbeweis für eine behauptete Tatsache erbracht werden könnte. Dies ergibt sich daraus, dass § 118 Abs. 1 SGG nicht auf die Bestimmungen der §§ 445 ff. ZPO, die die Parteivernehmung regeln, verweist. Die Parteivernehmung stellt damit nach herrschender Meinung in der Literatur im sozialgerichtlichen Verfahren kein förmliches Beweismittel und somit kein Mittel der Sachaufklärung dar.

PKH bei Prozessführung durch anwaltlichen Betreuer

LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 04.03.2009, L 5 B 2325/08 AS PKH

Einer Bewilligung von Prozesskostenhilfe steht nicht entgegen, dass der Prozessbevollmächtigte der Partei gleichzeitig dessen berufsmäßig bestellter Betreuer und auch mit der Vertretung in gerichtlichen Verfahren betraut ist. Der Rechtsanwalt, der eine Betreuertätigkeit nach anwaltlichem Gebührenrecht abrechnen kann, wenn sich die zu bewältigende Aufgabe als für den Beruf des Rechtsanwalts spezifische Tätigkeit darstellt, ist unter dem Gesichtspunkt einer kostensparenden Amtsführung dazu verpflichtet, für die gerichtliche Vertretung des von ihm Betreuten Prozesskostenhilfe zu beantragen, weil er im Fall ihrer Bewilligung (nur) die Gebühren eines beigeordneten Rechtsanwalts nach dem Rechtsanwaltsvergütungsgesetz erhält.

SG Berlin, Beschluss vom 02.09.2010, S 127 SF 332/09 E, S 164 SF 332/09 E:

  1. Wird ein Rechtsanwalt im Widerspruchsverfahren lediglich als Betreuer des Mandaten tätig, führt dann aber das anschließende Klageverfahren in seiner Eigenschaft als Rechtsanwalt, so ist die Abrechnung der Verfahrensgebühr auf der Grundlage der Nr 3102 RVG-VV vorzunehmen.
  2. Der den Ansatz eines niedrigeren Gebührenrahmens rechtfertigende Synenergieffekt kann nur dann angenommen werden, wenn die Tätigkeiten im Verwaltungs- bzw. Widerspruchsverfahren und gerichtlichen Verfahren vergleichbar sind. Eine bloße Mitwirkung als Betreuer in einem vorausgegangenen Verwaltungs- bzw. Widerspruchsverfahren vermittelt nicht annähernd so viele Kenntnisse der Sach- und Rechtslage wie das bei einem zuvor beauftragten Rechtsanwalt regelmäßig der Fall ist.
  3. Eine überdurchschnittliche Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit lässt sich nicht aus der Befassung mit bereits bekannten und in schriftlichen Stellungnahmen bewerteten medizinischen Unterlagen herleiten.

SG Berlin, Beschluss v. 02.09.2010, S 127 SF 332/09 E:

Betreuertätigkeit eines Rechtsanwalts in Verwaltungsverfahren rechtfertigt keine Minderung der Verfahrensgebühr in späterem Gerichtsverfahren:

Wird ein Rechtsanwalt im Widerspruchsverfahren lediglich als Betreuer des Mandaten tätig, führt dann aber das anschließende Klageverfahren in seiner Eigenschaft als Rechtsanwalt, so ist die Abrechnung der Verfahrensgebühr auf Grundlage allgemeinen Vorschrift über die Verfahrensgebühr vorzunehmen, ohne dass die Verfahrensgebühr wegen einer Vorbefassung gemindert wird. Der den Ansatz eines niedrigeren Gebührenrahmens rechtfertigende Synergieeffekt kann nur dann angenommen werden, wenn die Tätigkeiten im Verwaltungs- beziehungsweise Widerspruchsverfahren und gerichtlichen Verfahren vergleichbar sind. Eine bloße Mitwirkung als Betreuer in einem vorausgegangenen Verwaltungs- oder Widerspruchsverfahren vermittelt nicht annähernd so viele Kenntnisse der Sach- und Rechtslage wie das bei einem zuvor beauftragten Rechtsanwalt regelmäßig der Fall ist.

Zustellungen des Gerichtes

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Gerichtliche Zustellungen stets an den Betreuer vorzunehmen sind. Dies gilt in jedem Fall, wenn der Betreute geschäftsunfähig ist oder ein Einwilligungsvorbehalt besteht, der den Prozess betrifft (meist also Vermögenssorge). Erfolgen Zustellungen an Betreute, evtl. deshalb, weil dem jeweiligen Gericht nicht bekannt ist, dass ein Betreuer bestellt ist, ist die Zustellung unwirksam und können demnach Fristen nicht ablaufen. So § 170 ZPO: „Bei nicht prozessfähigen Personen ist an ihren gesetzlichen Vertreter zuzustellen. Die Zustellung an die nicht prozessfähige Person ist unwirksam.“

Der Bundesgerichtshof hat allerdings seine Rechtsprechung bestätigt, wonach die Zustellung eines Vollstreckungsbescheids an eine – aus dem zuzustellenden Titel nicht erkennbar – prozessunfähige Partei die Einspruchsfrist in Gang setzt (Urteil des BGH vom 19.03.2008, XIII ZR 68/07 .

Für Betreuer bedeutet dies: sobald sie durch andere Umstände Kenntnis von einem Gerichtsverfahren erhalten, das ihren Aufgabenkreis tangiert (z.B. Übergabe von Schriftstücken durch den Betreuten oder dritte Personen), wird empfohlen, dem Gericht unverzüglich Kenntnis von der Betreuerbestellung zu geben und darauf hinzuweisen, dass die bisherigen Verfahrenshandlungen gegenüber dem Betreuer nachzuholen sind.

Ist ein Gerichtsverfahren, das ohne Kenntnis des Betreuers ablief, bereits rechtskräftig abgeschlossen, sollte Nichtigkeitsklage wegen mangelnder gesetzlicher Vertretung erhoben werden, sofern bei einer Wiederaufnahme eine Chance besteht, den Prozess zu gewinnen. Anwaltliche Beratung ist dringend angeraten. Hierfür ist eine Frist von einem Monat gegeben, diese beginnt ab Kenntnis des Betreuers vom dem Urteil.

Ausnahme:

BGH, Urt v 15.1.2014 - VIII ZR 100/13 -

Die unter Verstoß gegen § 170 I ZPO erfolgte Zustellung eines Vollstreckungsbescheids an eine aus dem zuzustellenden Titel nicht erkennbar prozessunfähige Partei setzt die Einspruchsfrist in Gang (Bestätigung von BGH, Urt v 25.3.1988 - V ZR 1/87, BGHZ 104, 109; v 19.3.2008 - VIII ZR 68/07, BGHZ 176, 74 Rn. 9).

Der prozessunfähigen Partei, die den Nichtigkeitsgrund der mangelhaften Vertretung geltend macht, kann nicht entgegengehalten werden, sie hätte den Verfahrensmangel durch ein Rechtsmittel geltend machen müssen. Hierbei macht es keinen Unterschied, ob die Partei von vornherein von einem Rechtsmittel abgesehen oder ob sie ein zunächst eingelegtes Rechtsmittel zurückgenommen hat (Fortführung von BGH, Urt v 5.5.1982 - IVb ZR 707/80, BGHZ 84, 24, 27).

Haftungsfragen

Haftungsrechtliche Folgen im Rahmen der Führung von Prozessen für den Betreuten können u.a. ausgelöst werden durch: -die Führung eines aussichtslosen Prozesses ; -die fehlerhafte Führung eines Prozesses ; -das Versäumen eines Prozesskostenhilfeantrags ; -das Unterlassen einer Klage vor Ablauf der Verjährungsfrist ; -das Unterlassen einer Mitteilung über finanzielle Verpflichtungen des Betreuten infolge verlorener Prozesse.

Es soll insbesondere darauf hingewiesen werden, dass auch dann ein Prozesskostenhilfeantrag nötig ist, wenn der Betreute der Beklagte ist, sofern die wirtschaftlichen Verhältnisse dies rechtfertigen .

Anwaltliche Beratung

Ansonsten wird zu empfehlen sein, dass sich der Betreuer vor einer Klageerhebung i.d.R. anwaltlichen Rat einholen sollte; erfüllt der Betreute die Prozesskostenhilfevoraussetzungen, kann die Anwaltsberatung im Wege der Beratungshilfe finanziert werden. Auch ist an eine rechtliche Beratung durch das Betreuungsgericht zu denken. Gerade in sozialrechtlichen Angelegenheiten ist auch eine Beratung durch Betreuungsbehörde oder Betreuungsverein ratsam.

Mit der Prozessführung selbst wird der Betreuer im Regelfall einen Rechtsanwalt betrauen; geht der Prozess infolge von Fehlern des Anwaltes verloren, kann ein Haftungsproblem für den Betreuer bestehen.

Nach einer Meinung haftet der Betreuer stets nur dann, wenn ihm bezüglich der Auswahl, Unterweisung oder Beaufsichtigung ein Verschulden nachgewiesen werden kann. Dies wäre z. B. dann der Fall, wenn der Betreuer dem Anwalt keine vollständigen Auskünfte und Unterlagen gegeben hätte oder einen auf dem speziellen Rechtsgebiet unerfahrenen Neuling mit der Vertretung beauftragt hätte.

Die Gegenansicht differenziert: Liegt eine Angelegenheit vor, die der Betreuer auch selbst hätte wahrnehmen können, haftet er analog § 278 BGB für ein Verschulden des Dritten, wie wenn es sein eigenes Verschulden wäre. Handelt es sich dagegen um ein Geschäft, bei dem die Heranziehung des Dritten notwendig war, haftet der Betreuer nur für ein Auswahl- und Überwachungsverschulden. Dies betrifft den Anwalt im Anwaltsprozess , jedoch nicht den Anwalt in einem Verfahren, für den ein Anwalt im Sinne des Prozessrechtes nicht notwendig gewesen wäre.

Rechtsprechung:

AG Tempelhof-Kreuzberg, Beschluss vom 07.11.2013 – Az.: 70 a II 3276/13: Anwaltlicher Betreuer muss Beratungshilfe in Anspruch nehmen

Ein Rechtsanwalt als Berufsbetreuer hat nach den Grundsätzen der kostensparenden Amtsführung für den von ihm Betreuten Beratungshilfe in Anspruch zu nehmen. Zu einer kostenfreien Rechtsberatung ist der Anwalt nicht verpflichtet. Ein Rechtsanwalt, der als Berufsbetreuer tätig war, hat für den von ihm Betreuten Beratungshilfe für die Vertretung in einem Widerspruchsverfahren – es ging um einen Bescheid über gewährte Pflegeleistungen – beantragt. Der Aufgabenkreis des Betreuers umfasste u.a. auch die Vertretung gegenüber Behörden und Gerichten. Der Antrag auf Beratungshilfe wurde zurückgewiesen. Zur Begründung wurde darauf hingewiesen, dass der Betreuer im Rahmen seines Aufgabenkreises tätig geworden sei.

Da die zuständige Rechtspflegerin der gegen die zurückweisende Entscheidung eingelegte Erinnerung nicht abhalf, befasste sich das Amtsgericht Tempelhof- Kreuzberg mit der Sache. Das AG führte aus, dass ein zum Berufsbetreuer bestellter Rechtsanwalt unter dem Gesichtspunkt der kostensparenden Amtsführung für die außergerichtliche Beratung und Vertretung des Betreuten Beratungshilfe in Anspruch zu nehmen habe. Gegenüber erkennbar mittellosen Mandanten habe der Rechtsanwalt die Pflicht, auf die Möglichkeit der Beratungshilfe hinzuweisen. In Bezug auf mittellose Betreute könne nichts anderes gelten. Für den Betreuten sei die Beratungshilfe schon deshalb von Interesse, weil es auch bei der Verbesserung von wirtschaftlichen Verhältnissen keine Nachzahlungsanordnung gebe und die einmal gewährte Beratungshilfe dem Betroffenen unentgeltlich verbleibe.

Auch die Subsidiaritätsklausel des § 1 Abs. 1 Nr. 2 BerHG lasse keine andere Beurteilung der Sache zu. Die rechtliche Betreuung sei keine „andere zumutbare Hilfsmöglichkeit“ in diesem Sinne. Eine andere Hilfsmöglichkeit käme lediglich in Betracht, wenn die Rechtsberatung kostenfrei bzw. ohne nennenswerte Gegenleistung erlangt werden könne. Zu einer kostenfreien Rechtsberatung sei ein anwaltlicher Berufsbetreuer aber gerade nicht verpflichtet. Er können jedenfalls Aufwendungsersatz nach §§ 1853 Abs. 3, 1908i Abs. Satz 1 BGB geltend machen.

KG · Beschluss vom 13. September 2011 · Az. 1 W 462/10

Der anwaltliche Berufsbetreuer, der für den Betroffenen Dienste erbringt, für die ein nichtanwaltlicher Betreuer einen Rechtsanwalt hinzugezogen hätte, kann wählen, ob er insoweit Aufwendungsersatz nach § 1835 Abs. 3 BGB verlangt oder eine Betreuervergütung geltend macht, wenn sich die allgemeine und die berufsbezogen qualifizierte Amtsführung nicht klar voneinander abgrenzen lässt. Bereitet der anwaltliche Berufsbetreuer für den bedürftigen Betroffenen ein Regelinsolvenzverfahren vor, richtet sich der Aufwendungsersatzanspruch nach den Gebührensätzen des Beratungshilfegesetzes.

Genehmigung von Vergleichen

Der Abschluss von Vergleichen in gerichtlichen Verfahren ist durch den Betreuer vormundschaftsgerichtlich genehmigen zu lassen (§ 1822 Nr. 13 BGB); die Genehmigungspflicht entfällt, wenn der Wert des Streitgegenstandes (nicht die Höhe der Vergleichssumme) 3.000 Euro nicht übersteigt oder das Gericht selbst den Vergleichsvorschlag unterbreitet hat.

Entschädigungsansprüche des Betreuers

LSG Bayern, Beschluss vom 16.07.2012, L 15 SF 42/11:

  1. Ein Betreuer, der nach Anordnung des persönlichen Erscheinens durch das Gericht an einem Gerichtstermin teilnimmt, hat keinen Anspruch auf Entschädigung für Verdienstausfall gem. § 22 JVEG. Die Teilnahme am Gerichtstermin ist im Rahmen seiner pauschal gemäß §§ 4, 5 VBVG vergüteten Tätigkeit erfolgt; einen Verdienstausfall hat er daher nicht erlitten.
  2. Ein Betreuer, der nach Anordnung des persönlichen Erscheinens durch das Gericht an einem Gerichtstermin teilnimmt, hat keinen Anspruch auf Entschädigung für Zeitversäumnis gem. § 20 JVEG. Der Annahme einer Zeitversäumnis steht entgegen, dass die Zeit für den Gerichtstermin durch die pauschal vergütete Betreuertätigkeit in Anspruch genommen worden ist.

Strafverfahren

Für Strafverfahren gelten die vorstehenden Ausführungen nicht. Hier hat der Betreuer eine eigenständige Position.

Trotz seiner Stellung als gesetzlicher Vertreter bedarf es nicht der Beteiligung des Betreuers. Zur Einlegung eines Rechtsmittels nach § 304, § 298 StPO ist der Betreuer allerdings befugt, wenn sich eine diesbezüglich Vertretungsmacht aus dem übertragenen Aufgabenkreis ergibt. Ist z.B. der Aufgabenkreis Vertretung in Behördenangelegenheiten eingerichtet, so ist der Betreuer berechtigt, gegen eine die Bewährungszeit verlängernde gerichtliche Entscheidung Beschwerde einzulegen. Dies ist allerdings strittig. Das OLG Schleswig hält den Aufgabenkreis Vertretung gegenüber Behörden nicht für ausreichend, um im Strafprozess aufzutreten: OLG Schleswig, Beschluss vom 15.03.2007, 2 W 20/07 , FGPrax 2007, 231 = BtPrax 2007, 268 (Ls).

Es wird auf die diesbezüglichen Beiträge von Elzer für Strafsachen allgemein sowie von Stahl/Carle für Steuerstrafverfahren verwiesen.

Rechtsprechung:

Kammergericht Berlin, Urteil vom 21.1.2005, 1 Ss 475/04, (5) 1 Ss 475/04 (73/04):

Dem nach §§ 1896 ff. BGB bestellten Berufsbetreuer sollen nach § 149 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 2 StPO Zeit und Ort der Hauptverhandlung rechtzeitig mitgeteilt werden. Die Mitteilungspflicht, die eine förmliche Ladung nicht voraussetzt, entsteht aber erst dann, wenn der Betreuer seine Bestellung als Beistand beantragt hat. Eine Bestellung von Amts wegen kommt nicht in Betracht. Ob die Verletzung der Mitteilungspflicht revisibel ist, bleibt offen.

OLG Hamm, Beschluss vom 14.08.2003, 2 Ss 439/03:

Leitsatz: Einem 80-jährigen Angeklagten, der seit sieben Jahren unter Betreuung steht, ist auch dann, wenn nur die Verurteilung zu einer geringfügigen Geldstrafe droht, ein Pflichtverteidiger beizuordnen.

Siehe auch

Prozessfähigkeit (ausführliche Darstellung), Vertretung gegenüber Behörden, Strafprozess, Verfahrensfähigkeit

Literatur

Bücher im Bundesanzeiger-Verlag

Weitere Bücher

Zeitschriftenbeiträge

  • Adolph/Förster: Prozessfähigkeit und unerwünschte Prozesse; BtPrax 2005, 126
  • Bienwald: Zur Vertretung des Betreuten vor Gericht; BtPrax 2001, 150;
  • Bienwald: Der materiall-rechtlich Bevollmächtigte als Verfahrensbevollmächtigter seines Auftraggebers im Verfahren zur Bestellung eines Betreuers gem. § 1896 Abs. 3 BGB; Rpfleger 2009, 290
  • Bork: Die Prozessfähigkeit nach neuem Recht; MDR 1991, 97;
  • Deinert: Die gerichtliche Vertretung von Betreuten; BtPrax 2001, 66;
  • ders.: Eintritt des Betreuers in Gerichtsverfahren nötig? BtPrax 2001, 146;
  • ders.: Die Handlungs- und Prozessfähigkeit betreuter Menschen; BtMan 2007, 182
  • Elzer: Die Teilnahme von Betreuern an Strafverfahren; BtPrax 2000, 139
  • Harnecke: Zwangsvollstreckung gegen Personen, die unter Betreuung stehen; DGVZ 2000, 161
  • Kropp: Die Tätigkeit des Betreuers in Strafverfahren; BdB-Verbandszeitung 36/2001, 28;
  • Lube: Die Prozessfähigkeit eines Querulanten im Verfahren; MDR 2009, 63
  • Stahl/Carle: Die steuerliche Rechtsstellung des Betreuers eines steuerunehrlichen Betreuten und steuerstrafrechtliche Folgen; DStR 2000, 1245
  • Weithase: Vorschuss des Gläubigers für Prozesspflegschaft? Rpfleger 1993, 143
  • Wesche: Der Betreute in der Zwangsvollstreckung; BtPrax 2006, 3

Vordrucke

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Formulare zur Zeugenentschädigung



Infos zum Haftungsausschluss