PEG-Sonde
Allgemeines
Die perkutane endoskopische Gastrostomie (abgek.: PEG; gr. gaster = „Magen, Bauch" und gr.: stoma = „Mund“, „Öffnung“) ist ein endoskopisch angelegter direkter Zugang zum Magen, der die Bauchwand durchdringt und der bei Patienten mit Schluckstörungen unterschiedlichster Ursache die künstliche Ernährung über lange Zeit ermöglicht.
Die dabei verwendete PEG-Sonde ist ein elastischer Kunststoffschlauch, der im Rahmen einer Gastroskopie (Magenspiegelung) gelegt wird. Gegenüber der sog. nasalen Magensonde - das heißt einer Sonde, die über Nase, Rachen und Speiseröhre in den Magen reicht - besitzt die PEG-Sonde mehrere Vorteile. Unter anderem ist die Aspirationsgefahr verringert und der Patient kann zusätzlich zur verabreichten Sondennahrung ungestört schlucken.
Eine PEG ermöglicht somit die künstliche Ernährung mit Sondennahrung als enterale Ernährung, also eine Ernährung über den Magen-Darm-Trakt, die der parenteralen Ernährung, d.h. der Ernährung durch Infusionen, wiederum grundsätzlich vorzuziehen ist.
Das Legen einer solchen Sonde ist ein chirurgischer Eingriff, der zwar als unproblematisch angesehen wird, jedoch zwingend der Zustimmung des Patienten selbst oder beim nicht einwilligungsfähigen Menschen der Entscheidung seines Stellvertreters (Betreuer oder Bevollmächtigter) bedarf, denn gesundheitliche Risiken sind weder beim Legen noch bei der Anwendung der Sonde ganz auszuschließen. In der Regel muss eine PEG-Sonde nie notfallmäßig gelegt werden, sodass der Zwang der vorherigen Genehmigung praktisch ausnahmslos gilt.
Rechtlich-ethische Aspekte
Die Ernährung über eine PEG ist ein ärztlicher Eingriff in die Körperintegrität des Menschen. Der Arzt braucht deshalb die Einwilligung des Patienten bzw. seines Vertretungsberechtigten. Ob eine PEG noch erforderlich ist (oder „gezogen“ werden kann), muss in regelmäßigen Abständen geprüft werden. Auch wenn eine PEG häufig die einzige Möglichkeit darstellt, die Ernährung eines Menschen langfristig sicherzustellen, ist zu bedenken:
- Eine PEG allein garantiert nicht immer eine befriedigende Ernährungssituation. Nach einer vom Medizinischen Dienst der hessischen Krankenversicherungen 2003 veröffentlichten Studie waren fast 27% der langfristig über die PEG versorgten Menschen untergewichtig.
- Auch bei Anlage einer PEG sollen alle Möglichkeiten ausgeschöpft werden, natürlich zu essen oder zu trinken, soweit dem keine medizinischen Gründe entgegenstehen. Essen und Trinken sind wichtige soziale Akte und vermitteln entscheidende Lebensqualität. Sie gewähren die Zuwendung von Pflegenden und beüben die orale Aufnahme von Nahrung.
- Das Legen einer PEG-Sonde bei Sterbenden stellt eine lebensverlängernde Maßnahme dar. Liegt eine Patientenverfügung vor, in der der Patient eine solche ablehnt, dürfen nach einem Beschluss des Bundesgerichtshofs vom 17. März 2003, [1] keine lebensverlängernden Maßnahmen mehr ergriffen werden, also auch keine Ernährungssonden gelegt werden.
Am 08.06.2005 hat der Bundesgerichtshof diese Wertung dahingehend konkretisiert, dass eine gegen den Willen des Patienten durchgeführte künstliche Ernährung eine rechtswidrige Handlung sei, deren Unterlassung der Patient gemäß § 1004 Abs. 1 Satz 2 BGB (analog) in Verbindung mit § 823 Abs. 1 BGB verlangen kann, was auch dann gelte, wenn die begehrte Unterlassung zum Tode des Patienten führen würde (BGH-Beschluss vom 08.06.2005, [2]. Schwierig wird es, wenn der gesetzliche Vertreter des Patienten die Einstellung einer bereits vorgenommenen künstlichen Ernährung verlangt. Der BGH hat in dem erstgenannten Beschluss hierfür eine vormundschaftsgerichtliche Genehmigung für erforderlich gehalten.
Nach den grundlegenden Prinzipien der Medizinalethik („Informierte Einwilligung“, Alleinrang der medizinischen Indikation) ist es nicht gerechtfertigt, eine PEG an einem Patienten zu stechen, nur um z.B. die zeitraubende Essensprozedur bei Demenzkranken (und damit Personalkosten) einzusparen. Trotzdem ist dies zumindest in der deutschen Pflegepraxis an der Tagesordnung.
Inwieweit man bei einem alten Patienten, der kein Essbedürfnis mehr entwickelt, von bewusster Nahrungsverweigerung oder nur von besonders schwerwiegender Appetitlosigkeit sprechen kann, ist fraglich (wo kein Bedürfnis besteht, kann auch nicht von einer Verweigerung gesprochen werden). Die beliebte eindimensionale Sichtweise, dass Patienten, die „nichts mehr essen wollen“, damit signalisierten, in den Tod gehen zu wollen, und jede künstliche Ernährung gegen den Patientenwillen verstieße, ist somit genauso problematisch wie das Zwangsernähren um jeden Preis. Eine Entscheidung über Sinn und Unsinn einer PEG-Sonde kann daher immer nur individuell Personen- und Situationsbezogen getroffen werden und ist nie einfach.
Rechtsprechung
- Beschluss des OLG Frankfurt/Main vom 20.11.2001, 20 W 419/01, NJW 2002, 689 = Betreuung Aktuell 4/2001, 16 = BtPrax 2002, 84 = FamRZ 2002, 575 = FGPrax 2002, 31
Der Senat hält an seiner Rechtsauffassung fest, dass bei einem irreversibel hirngeschädigten Betroffenen die Entscheidung des Betreuers über den Abbruch der Ernährung durch eine PEG-Magensonde in entsprechender Anwendung des § 1904 BGB der vormundschaftsgerichtlichen Genehmigung bedarf und als Kriterium für diese Entscheidung maßgeblich auf eine mutmaßliche Einwilligung des Betroffenen abzustellen ist, an deren Feststellung wegen des Lebensschutzes in tatsächlicher Hinsicht strenge Anforderungen zu stellen sind, während bei deren Nichtaufklärbarkeit die Genehmigung zu versagen ist.
- OLG Frankfurt/Main, Beschluss vom 08.06.2006, 20 W 52/06; BtMan 2007, 104 (LS) = BtPrax 2007, 91 = FamRB 2007, 15 (LS) = FamRZ 2007. 584 (LS) = FPR 2007, 99 (LS) = NJW 2006, 3436 = OLGR 2006, 1074
Verweigert ein Angehöriger für einen Pflegebedürftigen die Zustimmung zu lebensverlängernden Maßnahmen, so ist dieser nicht grundsätzlich ungeeignet, um als Betreuer des Pflegebedürftigen zu fungieren. Das hat das Oberlandesgericht Frankfurt entschieden (20 W 52/06). Ausschlaggebender im Rahmen der Zustimmungsverweigerung sei, ob diese Entscheidung dem Willen des Pflegebedürftigen entspreche.
Im vorliegenden Fall hatte eine Frau die Zustimmung zur künstlichen Ernährung ihrer pflegebedürftigen Mutter verweigert. Das Amtsgericht Darmstadt hatte daher die Bestellung der Frau zur Betreuerin der Mutter abgelehnt. Die Richter hielten die Frau in dieser Funktion für ungeeignet, weil sie ihre Mutter verhungern lassen wolle, und bestellten stattdessen einen Berufsbetreuer. Das Landgericht Darmstadt wiederum hatte den Sachverhalt anders beurteilt und der Bestellung der Frau zur Betreuerin stattgegeben.
Das OLG Frankfurt bestätigte die Entscheidung des Landgerichts Darmstadt. Beide Gerichte halten es für notwendig, dass bei der Auswahl eines Betreuers die verwandtschaftlichen und persönlichen Beziehungen berücksichtigt werden. Es sei erforderlich, das Wohl des zu betreuenden Pflegebedürftigen zu wahren. Das Wohl eines Betreuten sei nicht in Gefahr, wenn ein Betreiber gemäß den Wünschen und dem Willen des Pflegebedürftigen lebensverlängernde Maßnahmen ablehnt. (Quelle: ALTENPFLEGE 02/2007; NJW 2006, 3436)
- Landgericht Siegen Beschluss vom 28.11.2007; 4 T 344/07 und vorhergehender Beschluss des AG Siegen zum Ernährungsabbruch
Siehe auch
Patientenverfügung, Genehmigung der Heilbehandlung, Sterbehilfe, Sterbehilfedokumente
Weblinks
- PEG-Beitrag in der Wikipedia
- DGEM-Leitlinien: ethische und rechtliche Aspekte der PEG-Anlage (PDF)
- Klinikum Schwabing - Leitfaden zur PEG (PDF)
- Holland: Künstliche Ernährung – Fluch oder Segen der modernen Medizin? (PDF)
- Peintinger: Künstliche Ernährung – Ethische Entscheidungsfindung in der Praxis (PDF)
- Infoseite Nahrungsverweigerung von Demenzkranken
Literatur
- Barth: Ethische Auseinandersetzung PEG -Ernährung bei Personen mit fortgeschrittener Demenz (PDF)
- Coeppicus: Aktive und passive Sterbehilfe – Abbruch von Behandlung und Ernährung aus vormundschaftsgerichtlicher Sicht, FPR 2007, 63
- ders.: Behandlungsabbruch, mutmaßlicher Wille und Betreuungsrecht; NJW 1998, 3381
- Eibach: Künstliche Ernährung um jeden Preis? Ethische Überlegungen zur Ernährung durch „percutane enterale Gastostomie“ (PEG-Sonden), MedR 2002, 123
- Gahl/Simon: Künstliche Ernährung – lebensnotwendig oder verzichtbar?, Eth Med 2007, 226
- Hubert-Fehler/Hollmann: Entscheidung des Betreuers für oder gegen PEG, BtPrax 1996, 210; sowie Leserbrief Müller-Bohlen, BtPrax 1997, 22
- Liebermeister/Kutzer: Essen und Trinken im Rahmen der Patientenverfügung, Akt Ernähr Med 2007, 237
- Marckmann: PEG-Sondenernährung: Ethische Grundlagen der Entscheidungsfindung; Ärzteblatt 2007, 23
- Meier: PEG-Sonde und Sterbehilfe, BdB-aspekte 25/2000, 5
- Müller-Bohlen/Paape: PEG – über die Notwendigkeit einer künstlichen Ernährung; BtPrax 2000, 183
- Paape/Müller-Bohlen: PEG = percutane endoskopisch kontrollierte Gastrostomie - Entscheidungshilfe für die betreuungsrechtliche Praxis (PDF)
- Ridder: Sondenernährung steigert nur selten die Lebensqualität; Dt. Ärzteblatt Nr. 9/2008, S. A449
- Schönfelder: PEG-Ernährung bei Personen mit fortgeschrittener Demenz; Die Schwester/Der Pfleger, 08/2008, S. 700
- Schmidt-Recla: Voluntas et vita: tertium non datur. Über Behandlungsabbruch, Patientenverfügung und artifizielle Ernährung, MedR 2008, 181
- Schreiber: Probleme bei dem Gebrauch einer PEG-Sonde, BtPrax 2003, 148
- Synofzik: PEG-Ernährung bei fortgeschrittener Demenz, Der Nervenarzt 2007, 418
- Synofzik/Marckmann: Perkutane Endoskopische Gastrostomie. Ernährung bis zuletzt?, Dtsch Arztebl 2007, 104 (49): A 3390-3