Grundrechte: Unterschied zwischen den Versionen

Aus Online-Lexikon Betreuungsrecht
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*Elsbernd/Stolz: Zwangsbehandlung und Zwangsernährung in der stat. Altenhilfe; BtPrax 2008, 57
 
*Elsbernd/Stolz: Zwangsbehandlung und Zwangsernährung in der stat. Altenhilfe; BtPrax 2008, 57
 
*Gusy: Freiheitsentziehung und Grundgesetz; NJW 1992, 567
 
*Gusy: Freiheitsentziehung und Grundgesetz; NJW 1992, 567
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*Holzhauer: Verfassungsrechtliche Beurteilung des Entwurfs eines Betreuungsgesetzes; ZRP 1989, 451
 
*Lachwitz: 40 Jahre Grundgesetz: Die Reform des Vormundschaftsrechts und die Grundrechte geistig behinderter Menschen, DAVorm 89, 343 und 453
 
*Lachwitz: 40 Jahre Grundgesetz: Die Reform des Vormundschaftsrechts und die Grundrechte geistig behinderter Menschen, DAVorm 89, 343 und 453
 
*Lang/Herkenhoff: Persönlichkeitsrechte und Menschenwürde im  Alten- und Pflegeheim; NJW 2005, 1905
 
*Lang/Herkenhoff: Persönlichkeitsrechte und Menschenwürde im  Alten- und Pflegeheim; NJW 2005, 1905

Version vom 21. Januar 2009, 12:04 Uhr

Grundgesetz.jpg

Betreuung und Grundrechte

Auch dem Betreuten stehen alle Grundrechte zu. Fraglich ist in Bezug auf das Betreuungsrecht jedoch, wem gegenüber. Als weitere Akteure kommt im wesentlichen neben dem Betreuer das Vormundschaftsgericht in Betracht, welches die Betreuung anordnet, den Betreuer auswählt und kontrolliert und ggf. einzelne Entscheidungen im Rahmen gerichtlicher Genehmigungspflichten trifft. Gegenüber dem Betreuer, der im Regelfall als Privatperson dem Betreuten entgegentritt, übt das Vormundschaftsgericht unmittelbare rechtsprechende Staatsgewalt aus und ist daher direkt an die Grundrechte gebunden. In Betracht kommen im betreuungsrechtlichen Umfeld neben dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht (Art. 2 GG) das Post- und Fernmeldegeheimnis (Art. 10 GG), das Recht auf Freizügigkeit (Art. 11 GG), das Wohnungsgrundrecht (Art. 13 GG), das Eigentumsgrundrecht (Art. 14 GG), der Anspruch auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG) und die Rechtsgarantien bei Freiheitsentzug (Art. 104 GG).

Eingriffsgrundlage

Das Grundgesetz garantiert jedem Menschen ein Leben in Würde. Selbstbestimmung, Freiheit der Person, körperliche Unversehrtheit und Gleichheit vor dem Gesetz gehören zu den wichtigsten Grundrechten. In diese Grundrechte darf per Gesetz eingegriffen werden, der Wesenskern muss aber erhalten bleiben. Daher ist das Wohl des Betreuten vorrangig durch ihn selbst zu bestimmen. In diese Grundrechte darf nur nach Maßstab der Verhältnismäßigkeit eingegriffen werden, wenn Rechte des Betreuten oder Dritter von gleichem Rang gefährdet sind. Hierin sind die Grenzen der „Freiheit zur Krankheit“ zu sehen, die das BVerfG bislang nicht eindeutig gezogen hat (BVerfGE 58, 208, 224 ff). In einem Beschluss vom 23.03.1998 (NJW 1998, 1774) hat das BVerfG bestätigt, dass auch dem psychisch Kranken „in gewissen Grenzen die ‚Freiheit zur Krankheit‘ belassen bleiben muss“. Der Schutz Dritter ist nicht Aufgabe des Betreuungsrechtes. Hierfür sind Ländergesetze zuständig.

Betreuungsverfahren

Während das frühere Entmündigungsverfahren deutliche Defizite in Bezug auf die obigen Grundrechte aufwies, sind das Betreuungsverfahren und das Unterbringungsverfahren mit zahlreichen Verfahrensvorschriften (insbesondere zur Verfahrensfähigkeit, zur Verfahrenspflegerbestellung und persönlichen Anhörung) prinzipiell geeignet, dem Grundrechtsschutz Genüge zu tun. Ob dieses in der Rechtsprechungswirklichkeit immer der Fall ist, ist hierbei eine andere Sache. Durch das 1. Betreuungsrechtsänderungsgesetz wurde zum 1. Januar 1999 insoweit ein Rückschritt bei den Verfahrensgarantien vollzogen, dass bei der Genehmigung gefährlicher Heilbehandlungen nach § 1904 BGB das vorher ausnahmslose Verbot der Bestellung des behandelnden Arztes zum Sachverständigen in § 69d Abs. 2 FGG durch eine Sollbestimmung und die Öffnungsklausel „in der Regel“ ersetzt wurde. Im Rahmen des 2. Betreuungsrechtsänderungsgesetzes wurde zum 01.07.2005 der mögliche Verzicht auf eine Begutachtung durch Sachverständige beim Vorhandensein eines MDK-Gutachtens in § 68b Abs. 1a FGG aufgenommen. Außerdem wurde die längstmögliche Überprüfungsfrist bei der Betreuerbestellung von fünf auf sieben Jahre verlängert (§ 69 FGG).

Verhältnis Betreuer - Betreuter

Im Verhältnis zwischen dem Betreuten und dem Betreuer muss differenziert werden. Eindeutig ist eine Drittwirkung der Grundrechte gegeben. Da der Betreuer nicht nur bei speziellen Genehmigungspflichten, sondern auch allgemein der Aufsicht des Vormundschaftsgerichtes unterliegt (und mit Ge- und Verboten einschließlich Zwangsgeldern belegt werden kann, vgl. § 1837 Abs. 2 und 3 BGB), hat das Gericht die Beachtung der Grundrechte durch den Betreuer im Rahmen seiner Aufsicht einzubeziehen. Auch eine mögliche Betreuerentlassung nach § 1908b Abs. 1 BGB kann sich darauf stützen.

Durchsetzung von Grundrechten durch Betreuer

Ansonsten gilt für den Betreuer, dass dieser dem Betreuten auf privatrechtlicher Basis als dessen gesetzlicher Vertreter gegenübersteht und in diesem Rahmen auch Verantwortung dafür trägt, dass die Grundrechte des Betreuten nicht durch andere staatliche Stellen (Behörden, Gerichte) beeinträchtigt werden. Hierfür hat er mit Rechtsmitteln aller Art einschl. Strafanzeigen sowie Amtshaftungsansprüchen nach § 839 BGB i.V.m. (Art. 34 GG zu sorgen. Im Innenverhältnis zwischen Betreuer und Betreutem strahlen die Grundrechte im Rahmen der Bestimmung des § 1901 Abs. 2 und 3 BGB aus.

Wünsche des Betreuten und Grundrechte

Die Berücksichtigung von Wünschen des Betreuten im Rahmen der Betreuertätigkeit sowie dessen Beteiligung an Betreuerentscheidungen im Rahmen der dort genannten Besprechungspflicht sind (auch) unter den Aspekten des Grundrechtsschutzes des Betreuten zu sehen. Indes muss klar gesagt werden, dass die Bildung eines freien (von Krankheiten) unbeeinträchtigten Willens bei vielen Betreuten beeinträchtigt ist, sodass der Betreuer einen Entscheidungsspielraum besitzt, diese Wünsche beim Widerspruch mit dem objektiven Wohl des Betreuten nicht beachten zu müssen. Insoweit ist Betreuertätigkeit stets eine janusköpfige Angelegenheit, auf der einen Seite Hilfe für den Betreuten, auf der anderen Seite Schutz vor sich selbst.

Siehe auch

Postkontrolle, Anhörung, Vorführung, Zwangsbehandlung, Freier Wille, Verhältnismäßigkeitsprinzip

Literatur

  • Elsbernd/Stolz: Zwangsbehandlung und Zwangsernährung in der stat. Altenhilfe; BtPrax 2008, 57
  • Gusy: Freiheitsentziehung und Grundgesetz; NJW 1992, 567
  • Holzhauer: Verfassungsrechtliche Beurteilung des Entwurfs eines Betreuungsgesetzes; ZRP 1989, 451
  • Lachwitz: 40 Jahre Grundgesetz: Die Reform des Vormundschaftsrechts und die Grundrechte geistig behinderter Menschen, DAVorm 89, 343 und 453
  • Lang/Herkenhoff: Persönlichkeitsrechte und Menschenwürde im Alten- und Pflegeheim; NJW 2005, 1905
  • Lipp: Rechtliche Betreuung und das Recht auf Freiheit; BtPrax 2008, 51
  • Rausch, Hans und Jens: Betreuung Geschäftsfähiger gegen ihren Willen? NJW 1992, 274
  • Renn: BtG und Menschenwürde; Sozialmagazin 1/90, 45
  • Schumacher: Hypertrophie der Verfahrensgarantien im BtG-Entwurf; ZRP 1991, 270
  • Seitz: Heile mit Weile - oder Recht und Freiheit zur Krankheit? NJW 1998, 3694


Infos zum Haftungsausschluss



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