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'''BGH, Beschluss vom 09.07.1980, V ZB 16/79'''; BGHZ 78, 28 = NJW 1981, 109 = DNotZ 1981, 111 = ZMR 1981, 54:
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'''BGH, Beschluss vom 09.07.1980, V ZB 16/79'''; BGHZ 78, 28 = NJW 1981, 109 = DNotZ 1981, 111 = ZMR 1981, 54 = MDR 1981, 37 = JR 1981, 281 = WM 1980, 1193 = Rpfleger 1980, 463 = DB 1980, 2234:
    
Im Fall einer Schenkung von Wohnungseigentum von seiten des [[gesetzlicher Vertreter|gesetzlichen Vertreters]] an einen über sieben Jahre alten Minderjährigen ist die Frage, ob die Schenkung dem Minderjährigen lediglich einen rechtlichen Vorteil bringt, aus einer Gesamtbetrachtung des schuldrechtlichen und des dinglichen Vertrages heraus zu beurteilen. Sofern mit der Übertragung des dinglichen Rechts rechtliche Nachteile verbunden sind, ist deshalb auch dann, wenn der schuldrechtliche Vertrag dem Minderjährigen lediglich einen rechtlichen Vorteil bringt, der gesetzliche Vertreter nicht etwa im Hinblick auf § 181 letzter Halbsatz BGB befugt, den Minderjährigen bei der Annahme der Auflassung zu vertreten oder die von dem Minderjährigen selbst erklärte Auflassung zu genehmigen.  
 
Im Fall einer Schenkung von Wohnungseigentum von seiten des [[gesetzlicher Vertreter|gesetzlichen Vertreters]] an einen über sieben Jahre alten Minderjährigen ist die Frage, ob die Schenkung dem Minderjährigen lediglich einen rechtlichen Vorteil bringt, aus einer Gesamtbetrachtung des schuldrechtlichen und des dinglichen Vertrages heraus zu beurteilen. Sofern mit der Übertragung des dinglichen Rechts rechtliche Nachteile verbunden sind, ist deshalb auch dann, wenn der schuldrechtliche Vertrag dem Minderjährigen lediglich einen rechtlichen Vorteil bringt, der gesetzliche Vertreter nicht etwa im Hinblick auf § 181 letzter Halbsatz BGB befugt, den Minderjährigen bei der Annahme der Auflassung zu vertreten oder die von dem Minderjährigen selbst erklärte Auflassung zu genehmigen.  
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*[[wikipedia:de:Alkoholkrankheit|Alkoholkrankheit]] (siehe: [[wikipedia:de:Korsakov-Syndrom|Korsakow-Syndrom]]) oder Drogenmissbrauch, wenn infolge der Sucht bereits schwerwiegende [[wikipedia:de:cerebral|cerebral]]e Veränderungen eingetreten sind
 
*[[wikipedia:de:Alkoholkrankheit|Alkoholkrankheit]] (siehe: [[wikipedia:de:Korsakov-Syndrom|Korsakow-Syndrom]]) oder Drogenmissbrauch, wenn infolge der Sucht bereits schwerwiegende [[wikipedia:de:cerebral|cerebral]]e Veränderungen eingetreten sind
 
*[[wikipedia:de:Manie|Manie]], wenn die Person sich in einer akuten manischen Phase befindet
 
*[[wikipedia:de:Manie|Manie]], wenn die Person sich in einer akuten manischen Phase befindet
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Unter Geschäftsfähigkeit ist nach dem BGB die Fähigkeit natürlicher Personen zu verstehen, Rechtsverhältnisse ihrem eigenen Willen entsprechend vollwirksam zu gestalten. Der Einzelne muss in der Lage sein, die Folgen seiner rechtsgeschäftlichen Erklärung zu verstehen (BGH NJW 1953, 1342; 1970, 1680).
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Die Rechtsprechung hat den die Geschäftsunfähigkeit auslösenden Zustand krankhafter Störung der Geistestätigkeit wie folgt definiert: "Die krankhafte Störung muss die freie Willensbildung ausschließen. Neben der Fähigkeit des Verstandes ist dabei vor allem die Freiheit des Willensentschlusses von Bedeutung. Es kommt darauf an, ob eine freie Prüfung der in Betracht kommenden Gesichtspunkte möglich ist. Umgekehrt kann von einer freien Willensbildung nicht gesprochen werden, wenn der Betroffene fremden Willenseinflüssen unterliegt oder seine Willensbildung durch unkontrollierte Triebe und Vorstellungen bestimmt wird (BayOlG NJW 1992, 2100)."
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Grundsätzlich wird die Geschäftsunfähigkeit im Rahmen eines Gerichtsverfahrens von einem Sachverständigen festgestellt. Zwar unterliegen auch die Gutachten von Sachverständigen der freien Beweiswürdigung durch das Gericht, d.h. das Gericht kann in seiner Entscheidung von dem Gutachten abweichen, jedoch muß es seine abweichende Überzeugung begründen und diese Begründung muss erkennen lassen, daß die abweichende Beurteilung nicht durch einen Mangel an Sachkunde beeinflußt ist (BGH NJW 1982, 2874). In der Regel werden jedoch die Gerichte dem Gutachten folgen oder ein neues bei einem neu zu bestellenden Gutachter in Auftrag geben.
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'''Krankheitsbilder, bei denen von der Rechtsprechung Geschaftsunfähigkeit angenommen wurde:'''
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Des öfteren taucht die Frage nach der Geschäftsunfähigkeit bei Trunksucht (Alkoholismus) auf. Bei Alkoholismus liegt eine krankhafte Störung der Geistestätigkeit im Sinne von § 104 Nr. 2 BGB entweder vor, wenn die Sucht als solche Symptom einer schon vorhandenen Geisteskrankheit oder Geistesschwäche ist oder der durch die Sucht verursachte Abbau der Persönlichkeit den Wert einer Geisteskrankheit oder Geistesschwäche erreicht hat. Der Begriff Alkohol- oder Trunksucht beinhaltet zwar ein kaum unterdrückbares, triebartiges, anomales Verlangen nach Alkohol, somit eine nachhaltige Störung der Willensbildung; dies bedeutet aber nicht schon in jedem Fall, daß damit bereits eine krankhafte Störung der Geistestätigkeit vorliegen würde.
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Bei der Vielfalt des Krankheitsbildes des Alkoholismus muß sich zunächst aus der Diagnose des medizinischen Sachverständigen die Suchtform und ihr Stadium ergeben, ob also z.B. nach der üblichen Einteilung des Alkoholismus von Dipsomanie, chronischem Alkoholismus, delirium tremens, Alkoholhalluzinose oder der Korsakowschen Krankheit (Saage-Göppinger, Freiheitsentziehung und Unterbringung, 2.Aufl., Teil III Rdnr. 108) auszugehen ist. Daneben können Form und Schwere der Alkoholkrankheit auch nach der von der Weltgesundheitsorganisation (WHO) vorgeschlagenen Typologie des Alkoholismus dargestellt werden, welche zwischen Alpha-, Beta-, Gamma-, Delta- und Epsilon-Alkoholismus unterscheidet (Langelüddecke-Bresser, Gerichtliche Psychiatrie, 4. Aufl., Teil III Das Bürgerliche Gesetzbuch, S. 383f.). Bei dieser Einteilung wird nur der Gamma- und Delta-Alkoholismus als Krankheit aufgefaßt. Jedoch ist ein Verwischen der Unterschiede mit fortschreitendem Persönlichkeitsabbau bei alkoholbedingter Hirnschädigung möglich.
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Aber auch die bloße Diagnose nach solchen Schemata läßt noch keinen sicheren Schluß im Hinblick auf die Geschäftsfähigkeit zu. Nur bei der Diagnose "Korsakowsche Krankheit" muß regelmäßig von Geschäftsunfähigkeit ausgegangen werden (BayOLG NJW 1990, 774). Symptome dieses Syndroms sind das gleichzeitige Auftreten von Gedächtnisstörungen (v.a. des Kurzzeitgedächtnisses), Desorientiertheit und Konfabulationen (erfundene Geschichten) als Zeichen einer Schädigung des Gehirns.
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Außer auf Alkoholismus kann die Geschäftsunfähigkeit auch auf Schädel-Hirn-Trauma, auf Vergiftung oder mangelnde Sauerstoffversorgung des Gehirns zurückzuführen sein. Des weiteren kann auch eine Demenzerkrankung zu der Annahme der Geschäftsunfähigkeit führen. Bei Demenzerkrankungen sind die primär-degenerativen von den sekundären Demenzen abzugrenzen. Während die primären Formen bei entsprechender Schwere zur Geschäftsunfähigkeit führen können, sind sekundäre behandelbar, d.h. grundsätzlich als reversibel anzusehen, und fallen somit unter § 105 Abs. 2 BGB.
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Die Mehrzahl der Demenzerkrankungen werden jedoch durch die primären Formen, die primär-degenerative Demenz vom Alzheimertyp, die vaskuläre Demenz sowie die Mischform der beiden gebildet. Die vaskuläre Demenz ist eine Folge von vielen kleinen oder weniger großen oder von strategisch ungünstig lokalisierten Hirninfarkten oder von anderen vaskulären Ereignissen (cereale Blutung, cereale Durchblutungsstörung durch Kreislaufschwäche - Hypoperfusion).Bei der Beurteilung der freien Willensbildung sind als Kriterien heranzuziehen: Die Ausprägung der Beeinträchtigung intellektueller Fähigkeiten, die Einschränkung lebenspraktischer Fähigkeiten sowie die Persönlichkeitsveränderung (OLG Düsseldorf FamRZ 1998, 1064). Es ist eine einigermaßen geschlossene Indizienkette aufzustellen, die einen entsprechenden Krankheits-verlauf belegt.
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Auch bei Debilität kommt eine Anwendung des § 104 Nr. 2 BGB in Betracht, jedoch in der Regel erst bei einem geringeren IQ (Intelligenzquotienten) als 60 (LG Düsseldorf VersR 1996, 1493). Debilität oder auch leichte Oligophrenie liegt bei einem Intelligenzquotienten von 50-69 vor. Die Betroffenen können hier, bei guter Förderung, auch nur partiell geschäftsunfähig sein und eine gewisse Unabhängigkeit bei der Selbstversorgung und bei einfacher, praktischer Arbeit erreichen. Bei einem IQ von 35-49 spricht man dann von einer Imbezillität oder auch mittelgradigen Oligophrenie. Die Betroffenen haben lediglich ein realitätsbezogenes Denken mit geringem Abstraktionsvermögen. Bei der schweren (IQ von 20-34) und der schwersten Oligophrenie (IQ von unter 20) reichen die sprachlichen Fähigkeiten meist zur Verständigung nicht mehr aus und die Betroffenen können grundlegende Anweisungen verstehen und einfache Forderungen formulieren.
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Letztlich entscheidet bei jedem der aufgezeigten Krankheitsbildern der Einzelfall. Eine Pauschalierung kann in keinem Fall vorgenommen werden, da der Betroffene vor Gericht  die, zur Geschäftsunfähigkeit führende, Krankheit schlüssig darlegen und beweisen muß. Die oben aufgeführte Auflistung ist vielmehr als Beispiel zu sehen, das helfen soll, die Formulierung des "die freie Willensbildung ausschließenden Zustand krankhafter Störung der Geistestätigkeit" zu erläutern.
    
Die Geschäftsunfähigkeit ist für Außenstehende nicht immer erkennbar. Das Gesetz schützt nicht den [[wikipedia:de:guter Glaube|guten Glauben]] an die Geschäftsfähigkeit des Geschäftsgegners, da der Schutz eines nicht unbeschränkt Geschäftsfähigen Vorrang hat. Das bedeutet, dass abgeschlossene [[wikipedia:de:Vertrag|Verträge]] auch dann unwirksam sind, wenn die Geschäftsunfähigkeit des Vertragspartners nicht erkennbar war. Ob letztlich tatsächlich Geschäftsunfähigkeit vorlag, kann nur in einem Gerichtsverfahren verbindlich festgestellt werden. Hierzu werden regelmäßig Sachverständigengutachten zum Gesundheitszustand des Betroffenen zum Zeitpunkt des Rechtsgeschäftes eingeholt, z. B. auch aus Akten des [[Betreuungsgericht]]es anlässlich einer [[Betreuerbestellung]]. Die [[wikipedia:de:Beweislast|Beweislast]] liegt bei dem, der Geschäftsunfähigkeit einwendet.
 
Die Geschäftsunfähigkeit ist für Außenstehende nicht immer erkennbar. Das Gesetz schützt nicht den [[wikipedia:de:guter Glaube|guten Glauben]] an die Geschäftsfähigkeit des Geschäftsgegners, da der Schutz eines nicht unbeschränkt Geschäftsfähigen Vorrang hat. Das bedeutet, dass abgeschlossene [[wikipedia:de:Vertrag|Verträge]] auch dann unwirksam sind, wenn die Geschäftsunfähigkeit des Vertragspartners nicht erkennbar war. Ob letztlich tatsächlich Geschäftsunfähigkeit vorlag, kann nur in einem Gerichtsverfahren verbindlich festgestellt werden. Hierzu werden regelmäßig Sachverständigengutachten zum Gesundheitszustand des Betroffenen zum Zeitpunkt des Rechtsgeschäftes eingeholt, z. B. auch aus Akten des [[Betreuungsgericht]]es anlässlich einer [[Betreuerbestellung]]. Die [[wikipedia:de:Beweislast|Beweislast]] liegt bei dem, der Geschäftsunfähigkeit einwendet.
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Die Mitgliedschaft in einer gesetzlichen Krankenversicherung kann vom Betreuer auch rückwirkend beantragt werden. Voraussetzung ist die Geschäftsunfähigkeit des Betroffenen für den Zeitpunkt fristgerechter Antragsstellung.
 
Die Mitgliedschaft in einer gesetzlichen Krankenversicherung kann vom Betreuer auch rückwirkend beantragt werden. Voraussetzung ist die Geschäftsunfähigkeit des Betroffenen für den Zeitpunkt fristgerechter Antragsstellung.
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'''Saarländisches OLG · Beschluss vom 3.3.2004 · Az. 4 UH 754/03, 4 UH 754/03 - 139''':
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Da die Geschäftsfähigkeit eines volljährigen Menschen die Regel und ihr Fehlen die Ausnahme ist, trägt derjenige, der sich auf Geschäftsunfähigkeit beruft, hierfür die Beweislast. Der Gegner muss das Vorliegen eines lichten Augenblicks nur dann beweisen, wenn ein Zustand feststeht, welcher geeignet ist, Geschäftsunfähigkeit gerade für den Zeitpunkt Abgabe der maßgeblichen Willenserklärung zu begründen (hirnorganisches Psychosyndrom).
    
'''OLG Karlsruhe vom 02.12.2008; 1 U 207/08:'''
 
'''OLG Karlsruhe vom 02.12.2008; 1 U 207/08:'''
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Das Risiko der Geschäftsunfähigkeit trägt der Geschäftspartner. Wenn im Prozess herauskommt, dass der Vollmachtgeber geschäftsunfähig war, trägt der Geschäftspartner sämtliche Kosten - auch die des Sachverständigen. Zusätzlich muss der Geschäftspartner auch schon für die Zeit Verzugszinsen zahlen, in der er nicht wusste, dass der Vollmachtgeber geschäftsunfähig ist.
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Das Risiko der Geschäftsunfähigkeit trägt der Geschäftspartner. Wenn im Prozess herauskommt, dass der Vollmachtgeber geschäftsunfähig war, trägt der Geschäftspartner sämtliche Kosten - auch die des Sachverständigen. Zusätzlich muss der Geschäftspartner auch schon für die Zeit Verzugszinsen zahlen, in der er nicht wusste, dass der Vollmachtgeber geschäftsunfähig ist. [http://www.openpr.de/drucken/282465/Rueckforderung-mit-Vorsorgevollmacht-bei-Geschaeftsunfaehigkeit.html Pressemeldung hierzu]
    
==== Partielle Geschäftsunfähigkeit ====
 
==== Partielle Geschäftsunfähigkeit ====
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In der Rechtsprechung wird die partielle − auf ein bestimmtes Gebiet bezogene − Geschäftsunfähigkeit allgemein anerkannt. Sie liegt dann vor, wenn eine [[wikipedia:de:psychische Krankheit|psychische Störung]] sich auf einen bestimmten Bereich bezieht, in dem der Betroffene z. B. [[wikipedia:de:Wahnerkrankung|Wahnvorstellungen]] entwickelt hat, sich aber im Geschäftsleben ansonsten "normal" gebärden kann.
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In der Rechtsprechung wird die partielle − auf ein bestimmtes Gebiet bezogene − Geschäftsunfähigkeit allgemein anerkannt. Sie liegt dann vor, wenn eine [[wikipedia:de:psychische Krankheit|psychische Störung]] sich auf einen bestimmten Bereich bezieht, in dem der Betroffene z. B. [[wikipedia:de:Wahnerkrankung|Wahnvorstellungen]] entwickelt hat, sich aber im Geschäftsleben ansonsten "normal" gebärden kann. So BGH, WM 1984, 1063;  BayObLG, BayObLGZ 1986, 214, sowie Beschluss vom 24.11.1988 - BReg. 3 Z 149/88, NJW 1989, 1678 = NJW-RR 1989, 839 (Ls.) = MDR 1989, 352 = FamRZ 1989, 664.
    
==== Relative Geschäftsfähigkeit ====
 
==== Relative Geschäftsfähigkeit ====
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Demgegenüber lehnte die Rechtslehre eine "relative Geschäftsfähigkeit" ab, die sich darauf bezieht, dass Rechtsgeschäfte unterschiedlich schwierig sein können (z. B. geringfügiger Barkauf ggü. Grundstückskauf) und sonst Geschäftsunfähigen einfachere Rechtsgeschäfte einsichtig sein können. Mit dem zum 1. August 2002 eingefügten {{Zitat de §|105a|bgb}} BGB sind aber solche "einfachen" Geschäfte des täglichen Lebens nunmehr für wirksam erklärt worden.  
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Demgegenüber lehnte die Rechtslehre eine "relative Geschäftsfähigkeit" ab, die sich darauf bezieht, dass Rechtsgeschäfte unterschiedlich schwierig sein können (z. B. geringfügiger Barkauf ggü. Grundstückskauf) und sonst Geschäftsunfähigen einfachere Rechtsgeschäfte einsichtig sein können. Eine teilweise, relative Geschäftsunfähigkeit nur in Bezug auf besonders schwierige oder komplexe Lebenssachverhalte existiert jedoch nicht (BGH NJW 1970, 1680, 1681; BayObLG NJW 1989, 1678, 1679). Mit dem zum 1. August 2002 eingefügten {{Zitat de §|105a|bgb}} BGB sind aber "einfache" Geschäfte des täglichen Lebens nunmehr für wirksam erklärt worden. Die Ablehnnung der Lehre der relativen Geschäftsfähigkeit betrifft auch das Sozialrecht:  LSG Nordrhein-Westfalen, Beschl. Vom 29.11.2011 - L 18 R 37/06.
    
====Geschäfte des täglichen Lebens====
 
====Geschäfte des täglichen Lebens====
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Siehe hierzu den separaten Artikel unter: [[Alltagsgeschäfte]].
 
Siehe hierzu den separaten Artikel unter: [[Alltagsgeschäfte]].
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====Abschluss von Heimverträgen====
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====Abschluss von Heimverträgen und Werkstattverträgen====
Besonderheit: seit dem 01.08.2002 sind [[Altenheim|Heimverträge]], die von Geschäftsunfähigen abgeschlossen werden, als rechtswirksam anzusehen, soweit bereits Leistungen erbracht wurden ({{Zitat de §|5|heimg}} Nr. 12 [[wikipedia:de:Heimgesetz|Heimgesetz]]).
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Besonderheit: seit dem 01.08.2002 sind [[Altenheim|Heimverträge]], die von Geschäftsunfähigen abgeschlossen werden, als rechtswirksam anzusehen, soweit bereits Leistungen erbracht wurden ({{Zitat de §|5|heimg}} Nr. 12 [[wikipedia:de:Heimgesetz|Heimgesetz]], § 4 Abs. 2 WBVG).
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Im Regierungsentwurf eines künftigen Wohn- und Betreuungsvertragsgesetzes, das die vertraglichen Grundlagen neu regelt, da das Heimrecht ansonsten durch Landesbestimmungen abgelöst wird, ist in § 4 Abs. 2 eine neue Rechtskonstruktion für den Vertragabschluss durch Geschäftsunfähige vorgesehen, die eine schwebende Unwirksamkeit für diese Vertragsart einführt und ausdrücklich auf eine spätere Genehmigung durch Betreuer oder Bevollmächtigten abstellt.
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Im neuen Wohn- und Betreuungsvertragsgesetz (WBVG), das die vertraglichen Grundlagen neu regelt, da das Heimrecht ansonsten durch Landesbestimmungen abgelöst wird, ist in § 4 Abs. 2 eine neue Rechtskonstruktion für den Vertragabschluss durch Geschäftsunfähige vorgenommen worden, die eine schwebende Unwirksamkeit für diese Vertragsart einführt und ausdrücklich auf eine spätere Genehmigung durch Betreuer oder Bevollmächtigten abstellt.
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Der Gesetzentwurf im Wortlaut:
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Der Gesetzestext im Wortlaut:
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(2) War der Verbraucher bei Abschluss des Vertrags geschäftsunfähig, so hängt die
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''(2) War der Verbraucher bei Abschluss des Vertrags geschäftsunfähig, so hängt die Wirksamkeit des Vertrags von der Genehmigung eines Bevollmächtigten oder Betreuers ab. § 108 Absatz 2 des Bürgerlichen Gesetzbuchs ist entsprechend anzuwenden. In Ansehung einer bereits bewirkten Leistung und deren Gegenleistung gilt der Vertrag als wirksam geschlossen. Solange der Vertrag nicht wirksam geschlossen worden ist, kann der Unternehmer das Vertragsverhältnis nur aus wichtigem Grund für gelöst erklären; die §§ 12 und 13 Absatz 2 und 4 sind entsprechend anzuwenden.''
Wirksamkeit des Vertrags von der Genehmigung eines Bevollmächtigten oder Betreuers
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ab. § 108 Absatz 2 des Bürgerlichen Gesetzbuchs ist entsprechend anzuwenden. In An4
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sehung einer bereits bewirkten Leistung und deren Gegenleistung gilt der Vertrag als
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wirksam geschlossen. Solange der Vertrag nicht wirksam geschlossen worden ist, kann
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der Unternehmer das Vertragsverhältnis nur aus wichtigem Grund für gelöst erklären; die
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§§ 12 und 13 Absatz 2 und 4 sind entsprechend anzuwenden.
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[http://www.vdk.de/cms/mime/2172D1235636035.pdf Kompletter Wortlaut des Gesetzentwurfs (PDF)]
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Verträge mit Werkstätten für behinderte Menschen sind von einer ähnlichen Regelung betroffen. Sie findet sich in § 138 Abs. 5  und 6 SGB IX. Sie lauten:
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''(5) Ist ein volljähriger behinderter Mensch gemäß Absatz 1 in den Arbeitsbereich einer anerkannten Werkstatt für behinderte Menschen im Sinne des § 136 aufgenommen worden und war er zu diesem Zeitpunkt geschäftsunfähig, so gilt der von ihm geschlossene Werkstattvertrag in Ansehung einer bereits bewirkten Leistung und deren Gegenleistung, soweit diese in einem angemessenen Verhältnis zueinander stehen, als wirksam.''
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''(6) War der volljährige behinderte Mensch bei Abschluss eines Werkstattvertrages geschäftsunfähig, so kann der Träger einer Werkstatt das Werkstattverhältnis nur unter den Voraussetzungen für gelöst erklären, unter denen ein wirksamer Vertrag seitens des Trägers einer Werkstatt gekündigt werden kann.''
    
==Vergleichbare Regelungen==
 
==Vergleichbare Regelungen==
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Ob bei einem Volljährigen (egal, ob dieser einen Betreuer hat oder nicht) Geschäftsunfähigkeit nach {{Zitat de §|104|bgb}} Nr. 2 BGB vorliegt, kann im Streitfall verbindlich nur im einem gerichtlichen Streitverfahren durch einen Richter getroffen werden. Entsprechende Aussagen in einem medizinischen [[Sachverständigengutachten]] oder einem Attest können daher nur ein Hinweis sein.
 
Ob bei einem Volljährigen (egal, ob dieser einen Betreuer hat oder nicht) Geschäftsunfähigkeit nach {{Zitat de §|104|bgb}} Nr. 2 BGB vorliegt, kann im Streitfall verbindlich nur im einem gerichtlichen Streitverfahren durch einen Richter getroffen werden. Entsprechende Aussagen in einem medizinischen [[Sachverständigengutachten]] oder einem Attest können daher nur ein Hinweis sein.
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Rechtsprechung:
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'''OLG Bamberg, Hinweisbeschluss v. 12.01.2018 – 8 U 175/17
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# Zweifel iSd § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO liegen dann vor, wenn aus der für das Berufungsgericht gebotenen Sicht eine gewisse - nicht notwendig überwiegende - Wahrscheinlichkeit dafür besteht, dass im Fall der Beweiserhebung die erstinstanzliche Feststellung keinen Bestand haben wird, sich also deren Unrichtigkeit herausstellt (BGH BeckRS 2014, 14141).
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# Eine krankhafte Störung iSd § 104 Nr. 2 BGB muss die freie Willensbestimmung ausschließen, so dass der Betroffene nicht mehr in der Lage ist, seine Entscheidung von vernünftigen Erwägungen abhängig zu machen (BGH BeckRS 1984, 31071102).
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# Bei einem Volljährigen ist die Geschäftsfähigkeit als Regel zu unterstellen und ihr Fehlen die Ausnahme; wer sich auf Geschäftsunfähigkeit beruft, hat ihre Voraussetzungen zu beweisen.
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'''OLG Brandenburg, Urteil vom 23.07.2020, 5 U 158/19''' [https://btdirekt.de/betreuungs-sozialrecht/ein-beitrag-zum-thema-geschaeftsfaehigkeit-rueckwaertsprognose/ Kommentar zu diesem Urteil]
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# Der Nachweis einer Geschäftsunfähigkeit zu einem bestimmten Zeitpunkt in der Vergangenheit (hier: Notartermin im Rahmen der Beurkundung eines Schenkungsvertrages) ist im Wege einer "Rückwärtsprognose" zu erbringen.
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# Dabei ist die Behauptung einer Geschäftsunfähigkeit durch Einholung eines medizinischen Sachverständigengutachtens zu klären, in dessen Rahmen die Aussagen von Zeugen, aber auch die Befunde eines Gutachtens für das Betreuungsgericht als Anknüpfungstatsachen für eine Bewertung herangezogen werden können.
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# Das Landgericht ist nach § 144 Abs. 1 S. 1 ZPO nicht verpflichtet, von Amts wegen ein [[Sachverständigengutachten]] einzuholen; die Anordnung steht dabei im pflichtgemäßen Ermessen. Es obliegt in erster Linie der beweisbelasteten Partei, selbst darüber zu entscheiden, welche Beweismittel angeboten werden.
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# Da die Geschäftsfähigkeit den Regelfall darstellt, trifft für das Vorliegen der Geschäftsunfähigkeit denjenigen die volle Darlegungs- und Beweislast, der sich hierauf beruft.
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'''OLG München, Beschluss v. 30.04.2020 – 13 W 463/20'''
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Grundsätzlich muss derjenige, der sich auf die Geschäftsunfähigkeit beruft, diese dartun und beweisen. Anders ist dies aber dann, wenn die Geschäftsunfähigkeit nachgewiesen oder unstreitig ist. Dann muss derjenige, der sich auf die Wirksamkeit eines Rechtsgeschäfts infolge eines lichten Moments beruft, diesen darlegen und beweisen.
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'''BGH, Beschluss vom 29. Juli 2020 - XII ZB 106/20'''
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# Kann die Unwirksamkeit einer Vorsorgevollmacht nicht positiv festgestellt werden, bleibt es bei der wirksamen Bevollmächtigung (im Anschluss an Senatsbeschluss vom 3. Februar 2016 - XII ZB 425/14 - FamRZ 2016, 701).
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# Die Frage, ob der Betroffene im Zeitpunkt der Vollmachterteilung nach § 104 Nr. 2 BGB geschäftsunfähig war, hat das Gericht nach § 26 FamFG von Amts wegen aufzuklären. Dabei ist die Geschäftsunfähigkeit nach § 104 Nr. 2 BGB kein medizinischer Befund, sondern ein Rechtsbegriff, dessen Voraussetzungen das Gericht unter kritischer Würdigung des Sachverständigengutachtens festzustellen hat.
    
==Auswirkungen auf Verträge==
 
==Auswirkungen auf Verträge==
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Bei der Beurkundung einer Willenserklärung durch einen Notar hat dieser Feststellungen über die Geschäftsfähigkeit der Beteiligten zu treffen (§ 11 Beurkundungsgesetz). Bei Zweifeln an der Geschäftsfähigkeit soll der Notar dies in der Urkunde vermerken. Letztlich ist eine notarielle Feststellung zwar nicht verbindlich bei gerichtlichen Auseinandersetzungen, allerdings hilfreich.
 
Bei der Beurkundung einer Willenserklärung durch einen Notar hat dieser Feststellungen über die Geschäftsfähigkeit der Beteiligten zu treffen (§ 11 Beurkundungsgesetz). Bei Zweifeln an der Geschäftsfähigkeit soll der Notar dies in der Urkunde vermerken. Letztlich ist eine notarielle Feststellung zwar nicht verbindlich bei gerichtlichen Auseinandersetzungen, allerdings hilfreich.
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'''OLG Stuttgart, Beschluss vom 22.04.1985 - 8 W 68/85''', MDR 1985, 848 = NJW-RR 1986, 243:
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Ist ein Wohnungseigentümer zum Zeitpunkt der Einberufung und Abhaltung einer Wohnungseigentümerversammlung geschäftsunfähig, so begründet dieser Umstand nicht die Nichtigkeit eines in dieser Versammlung gefaßten Beschlusses.
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'''KG Berlin, Urteil vom 13.03.1998''', 17 U 9667/97, DStR 1998, 1401 = JurionRS 1998, 30855 = NJW 1998, 2911 =VersR 1999, 1026:
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Beruht die Nichtigkeit des Darlehensvertrages gerade auf der Geschäftsunfähigkeit des ohne einen gesetzlichen Vertreter handelnden, so ist es dem Darlehensnehmer nicht verwehrt, sich gegenüber dem Rückzahlungsanspruch des Darlehensgeber auf einen Wegfall der Bereicherung zu berufen; die verschärfte Haftung des 819 I BGB greift nicht ein.
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'''LG Nürnberg-Fürth, Beschluss vom 22.12.2011, 12 T 7607/11''':
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Wird der Notar im Rahmen der Beurkundung einer [[Vorsorgevollmacht]] angewiesen, dem Bevollmächtigten eine weitere Ausfertigung der Urkunde nur auf schriftliche Anweisung des Vollmachtgebers zu erteilen, darf er sich hierüber nicht allein deshalb hinwegsetzen, weil der Vollmachtgeber zwischenzeitlich dauerhaft [[Geschäftsfähigkeit|geschäftsunfähig]] ist.
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'''LG Freiburg i.Br., Urteil vom 05.07.2012, 3 S 48/12''':
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Der beharrliche Verstoß gegen das in einem Heimvertrag festgelegte Rauchverbot kann ein Kündigungsgrund iSd § 12 Abs.1 Satz 3 Nr.3 WBVG auch bei eingeschränkter Steuerungs- und Einsichtsfähigkeit des Heimbewohners sein.
    
'''Rechtsprechung zur ungerechtfertigten Bereicherung'''
 
'''Rechtsprechung zur ungerechtfertigten Bereicherung'''
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# Beruft sich ein Geschäftsunfähiger auf den Wegfall der Bereicherung, so obliegt ihm, nicht anders als einem Geschäftsfähigen, die Darlegungs- und Beweislast hinsichtlich der den Wegfall der Bereicherung begründenden Umstände.
 
# Beruft sich ein Geschäftsunfähiger auf den Wegfall der Bereicherung, so obliegt ihm, nicht anders als einem Geschäftsfähigen, die Darlegungs- und Beweislast hinsichtlich der den Wegfall der Bereicherung begründenden Umstände.
 
# Der Verbrauch von Geld zur Bestreitung des allgemeinen Lebensbedarfs kann zum Wegfall der Bereicherung führen; Voraussetzung ist aber, daß das empfangene Geld restlos für die Lebensbedürfnisse aufgewendet wurde und nicht in anderer Form, etwa durch Bildung von Ersparnissen, durch Anschaffungen oder auch durch Tilgung von Schulden, noch im Vermögen vorhanden ist.
 
# Der Verbrauch von Geld zur Bestreitung des allgemeinen Lebensbedarfs kann zum Wegfall der Bereicherung führen; Voraussetzung ist aber, daß das empfangene Geld restlos für die Lebensbedürfnisse aufgewendet wurde und nicht in anderer Form, etwa durch Bildung von Ersparnissen, durch Anschaffungen oder auch durch Tilgung von Schulden, noch im Vermögen vorhanden ist.
      
'''Rechtsprechung zur Wirksamkeit einer Vollmacht'''
 
'''Rechtsprechung zur Wirksamkeit einer Vollmacht'''
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Sind zum Zeitpunkt der Erteilung einer Vorsorgevollmacht für die soziale Umgebung des Vollmachtgebers einschließlich seiner Hausärztin keine geistigen Beeinträchtigungen bei ihm erkennbar, unterliegt die rückschauende Diagnose der Geschäftsunfähigkeit durch einen [[Sachverständigengutachten|Sachverständigen]], der den Betroffenen erstmals nach mehr als vier Monaten seit der Vollmachterteilung untersucht, strengen Anforderungen. Eine "graduell fortschreitende dementielle Erkrankung" nach Einlieferung in eine psychiatrische Klinik wegen akut aufgetretener Verwirrtheit und Orientierungsstörungen lässt für sich genommen keinen hinreichenden Schluss auf den Zustand zum Zeitpunkt der Vollmachterteilung zu.
 
Sind zum Zeitpunkt der Erteilung einer Vorsorgevollmacht für die soziale Umgebung des Vollmachtgebers einschließlich seiner Hausärztin keine geistigen Beeinträchtigungen bei ihm erkennbar, unterliegt die rückschauende Diagnose der Geschäftsunfähigkeit durch einen [[Sachverständigengutachten|Sachverständigen]], der den Betroffenen erstmals nach mehr als vier Monaten seit der Vollmachterteilung untersucht, strengen Anforderungen. Eine "graduell fortschreitende dementielle Erkrankung" nach Einlieferung in eine psychiatrische Klinik wegen akut aufgetretener Verwirrtheit und Orientierungsstörungen lässt für sich genommen keinen hinreichenden Schluss auf den Zustand zum Zeitpunkt der Vollmachterteilung zu.
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'''BGH, Urteil vom 21. April 2015 - XI ZR 234/14:'''
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Die Zahlung der Bank an eine Person, für die ein Betreuer bestellt und ein Einwilligungsvorbehalt für den Bereich der Vermögenssorge angeordnet ist, hat keine Erfüllungswirkung. Ein vertraglicher Schadensersatzanspruch der Bank gegen den Betreuten wegen der unterlassenen Mitteilung des Einwilligungsvorbehaltes oder der Abhebung des Geldes ohne Zustimmung des Betreuers scheidet mangels Pflichtverletzung im Sinne des § 280 Abs. 1 BGB aus. Der Betreute war nicht verpflichtet, die Bank ungefragt über die bestehende Betreuung oder den angeordneten Einwilligungsvorbehalt aufzuklären. Er ist als unter Einwilligungsvorbehalt stehender Betreuter auch in diesem Zusammenhang von Gesetzes wegen wie ein beschränkt Geschäftsfähiger zu behandeln. Ein solcher haftet nicht aus Verschulden bei Vertragsverhandlungen, wenn er seine Minderjährigkeit verschweigt. Wegen des Fehlens eines Gutglaubensschutzes im Hinblick auf die Geschäftsfähigkeit besteht grundsätzlich keine Pflicht zur ungefragten Aufklärung des Vertragspartners über die fehlende Geschäftsfähigkeit
    
==Auswirkungen auf Zustellungen und Verjährungen==
 
==Auswirkungen auf Zustellungen und Verjährungen==
An Geschäftsunfähige kann nicht wirksam zugestellt und bekannt gegeben werden. Dies ergibt sich im Zivilrecht aus § 131 BGB, im Prozessrecht aus § 170 ZPO und im Verwaltungsrecht aus § 6 Verwaltungszustellungsgesetz. Der Bundesgerichtshof hat allerdings seine Rechtsprechung bestätigt, wonach die Zustellung eines Vollstreckungsbescheids an eine – aus dem zuzustellenden Titel nicht erkennbar – prozessunfähige Partei die Einspruchsfrist in Gang setzt ([http://juris.bundesgerichtshof.de/cgi-bin/rechtsprechung/document.py?Gericht=bgh&Art=en&sid=e5104cfbc0f2164bdcc471ac366e396c&client=%5B%2713%27%2C+%2713%27%5D&client=%5B%2713%27%2C+%2713%27%5D&nr=43659&pos=0&anz=1 Urteil des BGH vom 19.03.2008], XIII ZR 68/07).  
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An Geschäftsunfähige kann nicht wirksam zugestellt und bekannt gegeben werden. Dies ergibt sich im Zivilrecht aus § 131 BGB, im Prozessrecht aus § 170 ZPO und im Verwaltungsrecht aus § 6 Verwaltungszustellungsgesetz. Der Bundesgerichtshof hat allerdings seine Rechtsprechung bestätigt, wonach die Zustellung eines Vollstreckungsbescheids an eine – aus dem zuzustellenden Titel nicht erkennbar – prozessunfähige Partei die Einspruchsfrist in Gang setzt ([http://juris.bundesgerichtshof.de/cgi-bin/rechtsprechung/document.py?Gericht=bgh&Art=en&sid=e5104cfbc0f2164bdcc471ac366e396c&client=%5B%2713%27%2C+%2713%27%5D&client=%5B%2713%27%2C+%2713%27%5D&nr=43659&pos=0&anz=1 Urteil des BGH vom 19.03.2008], XIII ZR 68/07), erneut bestätigt durch Urteil des BGH vom 15.01.2014 - VIII ZR 100/13 .
    
Ist ein Geschäftsunfähiger ohne [[gesetzlicher Vertreter|gesetzlichen Vertreter]], verjähren auch keine Forderungen, egal ob er den Anspruch hat oder sich der Anspruch gegen ihn richtet, § 210 BGB. Erst mit Wiedereintritt der Geschäftsfähigkeit oder mit Bestellung eines gesetzlichen Vertreters, insbesondere eines Betreuers mit passendem [[Aufgabenkreis]], hier meist [[Vermögenssorge]], kann die Verjährungsfrist enden (meist 6 Monate nach Wegfall des Vertretungsmangels]].
 
Ist ein Geschäftsunfähiger ohne [[gesetzlicher Vertreter|gesetzlichen Vertreter]], verjähren auch keine Forderungen, egal ob er den Anspruch hat oder sich der Anspruch gegen ihn richtet, § 210 BGB. Erst mit Wiedereintritt der Geschäftsfähigkeit oder mit Bestellung eines gesetzlichen Vertreters, insbesondere eines Betreuers mit passendem [[Aufgabenkreis]], hier meist [[Vermögenssorge]], kann die Verjährungsfrist enden (meist 6 Monate nach Wegfall des Vertretungsmangels]].
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'''OLG Schleswig, Urteil vom 28.04.2016, 5 U 36/15''', FamRZ 2016, 1972
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# Informationspflichten gemäß § 676b Abs. 2 Satz 2 BGB kann die Bank Geschäftsunfähigen gegenüber nur dadurch erfüllen, dass sie die entsprechende Information im Sinne von § 131 Abs. 1 BGB an den gesetzlichen Vertreter richtet. Die damit einhergehende fehlende Rechtssicherheit bei Rechtsgeschäften mit unerkannt Geschäftsunfähigen entspricht der grundlegenden Wertentscheidung des Gesetzgebers zugunsten der Interessen der aufgrund persönlicher Eigenschaften typischerweise schwächeren Teilnehmerinnen und Teilnehmer am rechtsgeschäftlichen Verkehr.
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# Dem Einwand der Entreicherung einer Geschäftsunfähigen steht nicht entgegen, dass ein Erstattungsanspruch gegen die kontoführende Bank wegen einer verschuldeten Versäumung der Frist des § 676b Abs. 2 Satz 1 BGB ausgeschlossen ist.
    
==Geschäftsunfähigkeit auch bei Abmahnungen zu beachten==
 
==Geschäftsunfähigkeit auch bei Abmahnungen zu beachten==
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* [http://www.amazon.de/exec/obidos/ASIN/3830037465/internetsevon-21  Reck: Die Geschäfte des täglichen Lebens volljähriger Geschäftsunfähiger: § 105a BGB; 2008 ], ISBN 3830037465
 
* [http://www.amazon.de/exec/obidos/ASIN/3830037465/internetsevon-21  Reck: Die Geschäfte des täglichen Lebens volljähriger Geschäftsunfähiger: § 105a BGB; 2008 ], ISBN 3830037465
 
* [http://www.amazon.de/exec/obidos/ASIN/3161471709/internetsevon-21  Sachsen-Gessaphe: Der Betreuer als gesetzlicher Vertreter für eingeschränkt Selbstbestimmungsfähige], ISBN 3161471709
 
* [http://www.amazon.de/exec/obidos/ASIN/3161471709/internetsevon-21  Sachsen-Gessaphe: Der Betreuer als gesetzlicher Vertreter für eingeschränkt Selbstbestimmungsfähige], ISBN 3161471709
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*[http://www.amazon.de/exec/obidos/ASIN/3832955070/internetsevon-21  Schmoeckel: Demenz und Recht: Bestimmung der Geschäfts- und Testierfähigkeit; Nomos-Verlag 2010], ISBN 978-3832955076
 
* [http://www.amazon.de/exec/obidos/ASIN/3214069020/internetsevon-21 Schwimann: Die Institution der Geschäftsfähigkeit ], ISBN 3214069020
 
* [http://www.amazon.de/exec/obidos/ASIN/3214069020/internetsevon-21 Schwimann: Die Institution der Geschäftsfähigkeit ], ISBN 3214069020
 
* [http://www.amazon.de/exec/obidos/ASIN/3503060251/internetsevon-21  Spring: Geschäftsfähigkeit und Verfügungsberechtigung bei Grundstücksverfügungen  ], ISBN 3503060251
 
* [http://www.amazon.de/exec/obidos/ASIN/3503060251/internetsevon-21  Spring: Geschäftsfähigkeit und Verfügungsberechtigung bei Grundstücksverfügungen  ], ISBN 3503060251
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*[http://www.amazon.de/exec/obidos/ASIN/3170293788/internetsevon-21 Wetterling: Freier Wille und neuropsychiatrische Erkrankungen: Ein Leitfaden zur Begutachtung der Geschäfts- und Testierfähigkeit], ISBN 3170293788
    
===Zeitschriftenbeiträge===
 
===Zeitschriftenbeiträge===
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*Heim: Gesetzgeberische Modifizierung der Auswirkungen der Geschäftsunfähigkeit Volljähriger beim Vertragsschluss, JuS 2003, 141
 
*Heim: Gesetzgeberische Modifizierung der Auswirkungen der Geschäftsunfähigkeit Volljähriger beim Vertragsschluss, JuS 2003, 141
 
*Hoffmann: Die Saldotheorie im Bereicherungsrecht, Jura 1997, 416
 
*Hoffmann: Die Saldotheorie im Bereicherungsrecht, Jura 1997, 416
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*Humm: Relative Geschäfts- und Testierunfähigkeit; ZEV 2022, 253
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*[https://dopus.uni-speyer.de/frontdoor/deliver/index/docId/1500/file/1500_Janda_FamRZ_2013-1_zivilrechtl_Handlungsf.pdf Janda, Grundlagen der Einschränkung der zivilrechtlichen Handlungsfähigkeit; FamRZ 2013, 16 (PDF)]
 
*Joussen: Die Rechtsgeschäfte des Geschäftsunfähigender neue § 105 a BGB, ZGS 2003, 101.
 
*Joussen: Die Rechtsgeschäfte des Geschäftsunfähigender neue § 105 a BGB, ZGS 2003, 101.
 
*Jurgeleit:  Der geschäftsunfähige Betreute unter [[Einwilligungsvorbehalt]]; Rpfleger 1995, 282
 
*Jurgeleit:  Der geschäftsunfähige Betreute unter [[Einwilligungsvorbehalt]]; Rpfleger 1995, 282
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*Kostorz: Schutz dementer Personen im bürgerlichen Recht - Geschäfts(un)fähigkeit, Betreuung, [[Einwilligungsvorbehalt]] und Unterbringung nach dem BGB; PflegeR 2011, 447
 
*Leenen: Die Heilung fehlender Zustimmung gemäß § 110 BGB, FamRZ 2000, 863
 
*Leenen: Die Heilung fehlender Zustimmung gemäß § 110 BGB, FamRZ 2000, 863
 
*Lipp: Die neue Geschäftsfähigkeit Erwachsener; FamRZ 2003, 721
 
*Lipp: Die neue Geschäftsfähigkeit Erwachsener; FamRZ 2003, 721
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*Röthel/Krackhardt: Lediglich rechtlicher Vorteil und Grunderwerb, Jura 2006, 161
 
*Röthel/Krackhardt: Lediglich rechtlicher Vorteil und Grunderwerb, Jura 2006, 161
 
*Schmitt: Der Begriff der lediglich rechtlich vorteilhaften Willenserklärung i.S. des § 107 BGB; NJW 2005, 1090
 
*Schmitt: Der Begriff der lediglich rechtlich vorteilhaften Willenserklärung i.S. des § 107 BGB; NJW 2005, 1090
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*Schmoeckel: Die Geschäfts- und Testierfähigkeit von Demenzerkrankten, NJW 2016, 433
 
*Schreiber: Geschäftsfähigkeit; Jura 1991, 24
 
*Schreiber: Geschäftsfähigkeit; Jura 1991, 24
 
*Stacke: Der minderjährige Schwarzfahrer: Sind ihm wirklich Tür und Tor geöffnet?, NJW 1991, 875
 
*Stacke: Der minderjährige Schwarzfahrer: Sind ihm wirklich Tür und Tor geöffnet?, NJW 1991, 875
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*Steenbreker: Zivilrechtliche Unbeachtlichkeit eines "natürlichen Willens" für den Widerruf der [[Patientenverfügung]]; NJW 2012, 3207
 
*Stolz/Warmbrunn: Wann ist der Wille "frei"?, BtPrax 2006, 167
 
*Stolz/Warmbrunn: Wann ist der Wille "frei"?, BtPrax 2006, 167
 
*Stürner: Der lediglich rechtliche Vorteil“; AcP 173 (1973), 402
 
*Stürner: Der lediglich rechtliche Vorteil“; AcP 173 (1973), 402
 
*Ulrici: Alltagsgeschäfte volljähriger Geschäftsunfähiger, Jura 2003, 520
 
*Ulrici: Alltagsgeschäfte volljähriger Geschäftsunfähiger, Jura 2003, 520
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*Wedemann: Die Rechtsfolgen der Geschäftsunfähigkeit; AcP 2009, 668
 
*Wesche: Geschäftsfähigkeit und Betreuung; Handeln im Spannungsfeld der Ungewissheit; Rpfleger 2008, 449
 
*Wesche: Geschäftsfähigkeit und Betreuung; Handeln im Spannungsfeld der Ungewissheit; Rpfleger 2008, 449
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* Wetterling, Zur Geschäfts- und Testierfähigkeit bei Depression, ErbR 2022, 285
 
*Wilhelm: Das Merkmal lediglich rechtlich vorteilhaft bei Verfügungen über Grundstücksrechte, NJW 2006, 2353
 
*Wilhelm: Das Merkmal lediglich rechtlich vorteilhaft bei Verfügungen über Grundstücksrechte, NJW 2006, 2353
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*Wüstenberg: Der Betreute und der kraft gerichtlicher Anordnung vertretene Handlungsunfähige im Verwaltungsverfahren; JURA 2002, 660
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*Wüstenberg Der Betreute als Vereinsmitglied  BtPrax 2005, 138-142.
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*Wüstenberg: Das Ausscheiden des Betreuten aus einer BGB-Erwerbsgesellschaft oder einer Partnerschaftsgesellschaft, Rpfleger 2002, 295 ff.:
 
*Zimmermann: Neue Teilgeschäftsfähigkeit für geschäftsunfähige Betreute; BtPrax 2003, 26
 
*Zimmermann: Neue Teilgeschäftsfähigkeit für geschäftsunfähige Betreute; BtPrax 2003, 26
    
==Weblinks==
 
==Weblinks==
*[http://www.lrz-muenchen.de/~Lorenz/urteile/Rechtsprechung2.htm#ErstesBuchGF Rechtsprechungsbeispiele zur Geschäftsfähigkeit]
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*[http://lorenz.userweb.mwn.de/urteile/Rechtsprechung2.htm#ErstesBuchGF Rechtsprechungsbeispiele zur Geschäftsfähigkeit]
 
*[http://www.iqb-info.de/BayObLG_104_RA.pdf Rechtsprechungsreport zur Geschäftsunfähigkeit, speziell in Gutachten, anhand von Entscheidungen des BGH und des BayObLG (PDF)]
 
*[http://www.iqb-info.de/BayObLG_104_RA.pdf Rechtsprechungsreport zur Geschäftsunfähigkeit, speziell in Gutachten, anhand von Entscheidungen des BGH und des BayObLG (PDF)]
 
*[http://www.lebenshilfe.de/wDeutsch/aus_fachlicher_sicht/downloads/BetreuungSelbstbestimmung.pdf Hellmann: Rechtliche Betreuung, Selbstbestimmungsrecht, Handlungsfähigkeit und Geschäfts(un)fähigkeit – wie passt das zusammen? (PDF]
 
*[http://www.lebenshilfe.de/wDeutsch/aus_fachlicher_sicht/downloads/BetreuungSelbstbestimmung.pdf Hellmann: Rechtliche Betreuung, Selbstbestimmungsrecht, Handlungsfähigkeit und Geschäfts(un)fähigkeit – wie passt das zusammen? (PDF]
*[http://www.jura.uni-tuebingen.de/professoren_und_dozenten/reichold/lehre/nicht_aktuell/uebungzivilrechtfuerfortgeschrittene/fall4loesung.pdf Juristische Beispielsfälle rund um Geschäftsunfähigkeit und ungerechtfertigte Bereicherung (PDF)]
   
[[Kategorie:Auswirkungen]]
 
[[Kategorie:Auswirkungen]]
 
*[http://www.jura.fu-berlin.de/studium/netjura/zivilrecht/BGB_AT/b1/index.html Netjura- Infos der FU Berlin zur Geschäftsfähigkeit]
 
*[http://www.jura.fu-berlin.de/studium/netjura/zivilrecht/BGB_AT/b1/index.html Netjura- Infos der FU Berlin zur Geschäftsfähigkeit]
 
*[http://www.jurawelt.com/studenten/skripten/zivr/1792 Jurawalt - Infos zur Geschäftsfähigkeit]
 
*[http://www.jurawelt.com/studenten/skripten/zivr/1792 Jurawalt - Infos zur Geschäftsfähigkeit]
 
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*[http://www.juraindividuell.de/artikel/neutrale-geschaefte-von-beschraenkt-geschaeftsfaehigen-personen/ Darstellung neutraler Rechtsgeschäfte beschränkt Geschäftsfähiger]
    
Infos zum [[Betreuungsrecht-Lexikon:Haftungsausschluss|Haftungsausschluss]]
 
Infos zum [[Betreuungsrecht-Lexikon:Haftungsausschluss|Haftungsausschluss]]

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