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Die Betreuung dient nicht zur Erziehung oder dazu, gesellschaftliche Wertmaßstäbe durchzusetzen. Aus einem Beschluss des BayObLG (BayObLGR 2001,19 (LS)= [[BtPrax]] 2001,79 = FamRZ 2001,1249): „Die Bestellung eines Betreuers von Amts wegen, also ohne Antrag des Volljährigen und, wie hier, gegen seinen Willen, setzt aber voraus, dass der Betreute aufgrund einer psychischen Erkrankung seinen Willen nicht frei bestimmen kann. Dies sagt das Gesetz zwar nicht ausdrücklich, ergibt sich aber aus einer  verfassungskonformen Auslegung des Gesetzes. Denn der Staat hat von Verfassungs wegen nicht das Recht, seine erwachsenen und zur freien Willensbestimmung fähigen Bürger zu bessern oder zu hindern, sich selbst zu schädigen (BVerfGE 22, 180/219 f.; BayObLGZ 1994, 209/211)“.  
 
Die Betreuung dient nicht zur Erziehung oder dazu, gesellschaftliche Wertmaßstäbe durchzusetzen. Aus einem Beschluss des BayObLG (BayObLGR 2001,19 (LS)= [[BtPrax]] 2001,79 = FamRZ 2001,1249): „Die Bestellung eines Betreuers von Amts wegen, also ohne Antrag des Volljährigen und, wie hier, gegen seinen Willen, setzt aber voraus, dass der Betreute aufgrund einer psychischen Erkrankung seinen Willen nicht frei bestimmen kann. Dies sagt das Gesetz zwar nicht ausdrücklich, ergibt sich aber aus einer  verfassungskonformen Auslegung des Gesetzes. Denn der Staat hat von Verfassungs wegen nicht das Recht, seine erwachsenen und zur freien Willensbestimmung fähigen Bürger zu bessern oder zu hindern, sich selbst zu schädigen (BVerfGE 22, 180/219 f.; BayObLGZ 1994, 209/211)“.  
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Siehe auch die Neufassung von {{Zitat de §|1896|bgb}} Abs. 1 a BGB (seit 1. Juli 2005). Im Grundsatz muss jede Entscheidung des Betreuers im Sinn des freien Willen des Betreuten getroffen werden. Das gebietet das in [http://dejure.org/gesetze/GG/2.html Artikel 2 Absatz 1 des Grundgesetz (GG)] verankerte Grundrecht auf Selbstbestimmung.
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Siehe auch die Neufassung von {{Zitat de §|1896|bgb}} Abs. 1 a BGB (seit 1. Juli 2005), jetzt § 1814 Abs. 2 BGB. Im Grundsatz muss jede Entscheidung des Betreuers im Sinn des freien Willen des Betreuten getroffen werden. Das gebietet das in [http://dejure.org/gesetze/GG/2.html Artikel 2 Absatz 1 des Grundgesetz (GG)] verankerte Grundrecht auf Selbstbestimmung.
    
==Rechtsprechung zur Betreuung und freien Willensbestimmung==
 
==Rechtsprechung zur Betreuung und freien Willensbestimmung==
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Stimmt der Betroffene der [[Betreuerbestellung|Einrichtung einer Betreuung]] nicht zu, ist neben der Notwendigkeit einer Betreuung stets zu prüfen, ob die Ablehnung durch den Betroffenen auf einem freien Willen beruht. Das gilt auch dann, wenn eine Betreuung für den Betroffenen objektiv vorteilhaft wäre (im Anschluss an Senatsbeschluss vom 09.02.2011 - XII ZB 526/10).
 
Stimmt der Betroffene der [[Betreuerbestellung|Einrichtung einer Betreuung]] nicht zu, ist neben der Notwendigkeit einer Betreuung stets zu prüfen, ob die Ablehnung durch den Betroffenen auf einem freien Willen beruht. Das gilt auch dann, wenn eine Betreuung für den Betroffenen objektiv vorteilhaft wäre (im Anschluss an Senatsbeschluss vom 09.02.2011 - XII ZB 526/10).
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'''BGH, Beschl v 31.10.2018 - XII ZB 552/17; FamRZ 2019, 239 = BtPrax 2019, 30'''
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Die beiden entscheidenden Kriterien für den Begriff der freien Willensbildung sind die Einsichtsfähigkeit des Betroffenen und dessen Fähigkeit, nach dieser Einsicht zu handeln. Fehlt es an einem dieser beiden Elemente, liegt kein freier, sondern allenfalls ein natürlicher Wille vor. Einsichtsfähigkeit setzt die Fähigkeit des Betroffenen voraus, die für und wider eine Betreuerbestellung sprechenden Gesichtspunkte zu erkennen und gegeneinander abzuwägen. Der Betroffene muss Grund, Bedeutung und Tragweite seiner Betreuung intellektuell erfassen können, was denknotwendig voraussetzt, dass er seine Defizite im Wesentlichen zutreffend einschätzen und auf der Grundlage dieser Einschätzung die für oder gegen eine Betreuung sprechenden Gesichtspunkte gegeneinander abwägen kann. Ist der Betroffene zur Bildung eines klaren Urteils zur Problematik der Betreuerbestellung in der Lage, muss es ihm weiter möglich sein, nach diesem Urteil zu handeln und sich dabei von den Einflüssen interessierter Dritter abzugrenzen.
    
==Siehe auch==
 
==Siehe auch==
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==Literatur==
 
==Literatur==
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===Bücher im Bundesanzeiger-Verlag===
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===Bücher im Reguvis-Verlag===
 
*[https://shop.reguvis.de/betreuung-und-pflege/wille-wohl-und-anerkennung/?WA=77001057 Krüger: Wille, Wohl und Anerkennung, Köln 2012, 68 Euro], ISBN 978-3-8462-0076-6
 
*[https://shop.reguvis.de/betreuung-und-pflege/wille-wohl-und-anerkennung/?WA=77001057 Krüger: Wille, Wohl und Anerkennung, Köln 2012, 68 Euro], ISBN 978-3-8462-0076-6
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*[http://www.taz.de/Debatte-Unterbringung-in-der-Psychiatrie/!103406/ Bschor: Freiheit zum Darmtumor? TAZ vom 12.10.2012]
 
*[http://www.taz.de/Debatte-Unterbringung-in-der-Psychiatrie/!103406/ Bschor: Freiheit zum Darmtumor? TAZ vom 12.10.2012]
 
*Dodegge: Der Schutz des freien Willens durch die Rechtsinstitute Betreuung, Vorsorgevollmacht, Betreuungs- und Patientenverfügung; FPR 2008, 591
 
*Dodegge: Der Schutz des freien Willens durch die Rechtsinstitute Betreuung, Vorsorgevollmacht, Betreuungs- und Patientenverfügung; FPR 2008, 591
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*Gurke pp: Ich sehe was, was du nicht siehst - freier Wille und Zwang bei Menschen mit psychiatrischer Erkrankung; BtPrax 2022, 85
 
*Habermeyer: Der "freie Wille" aus medizinischer Sicht; BtPrax 2010, 71
 
*Habermeyer: Der "freie Wille" aus medizinischer Sicht; BtPrax 2010, 71
 
*Kessler: Philosophie und Neurowissenschaft treffen Bürgerliches Gesetzbuch; [[BtMan]] 2009, 10
 
*Kessler: Philosophie und Neurowissenschaft treffen Bürgerliches Gesetzbuch; [[BtMan]] 2009, 10

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