Finanzamt: Unterschied zwischen den Versionen

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== Steuerrechtliche Seite der Berufsbetreuung==
 
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'''Der Bundesfinanzhof hat durch 2 Urteile vom 15.6.2010 (Az. VIII R 10/09 und VIII R 14/09) entschieden, dass [[Berufsbetreuer]] doch nicht als Gewerbetreibende, sondern als Freiberufler (§ 18 EStG) einzustufen sind. Frühere entgegenstehende Urteile sind somit obsolet. Der BFH hat ausdrücklich seine Rechtsauffassung geändert.'''
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'''Der Bundesfinanzhof hat durch 2 Urteile vom 15.6.2010 (Az. VIII R 10/09 und VIII R 14/09) entschieden, dass [[Berufsbetreuer]] doch nicht als Gewerbetreibende, sondern wie ein Freiberufler (§ 18 EStG) einzustufen sind. Frühere entgegenstehende Urteile sind somit obsolet. Der BFH hat ausdrücklich seine Rechtsauffassung geändert.'''
  
 
'''BFH, Urteile vom 15.06.2010, VIII R 14/09, '''NJW 2011, 110 = BStBl II 2010, 909 = BB 2010, 2142 = DB 2010, 1796 = FamRZ 2010, 1731 = RDG 2010, 300 = BeckRS 2010, 24004101 = BFH/NV 2010, 1905 = DStRE 2010, 1163 = GewA 2010, 463 = LSK 2010, 340478 (Ls.) = NWB DokID: EAAAD-27169
 
'''BFH, Urteile vom 15.06.2010, VIII R 14/09, '''NJW 2011, 110 = BStBl II 2010, 909 = BB 2010, 2142 = DB 2010, 1796 = FamRZ 2010, 1731 = RDG 2010, 300 = BeckRS 2010, 24004101 = BFH/NV 2010, 1905 = DStRE 2010, 1163 = GewA 2010, 463 = LSK 2010, 340478 (Ls.) = NWB DokID: EAAAD-27169

Version vom 16. September 2012, 09:21 Uhr

Finanzamt.jpg

Vertretung des Betreuten in steuerrechtlicher Hinsicht

Der Betreuer mit dem Aufgabenkreis Vermögenssorge (und ggf. auch mit dem Aufgabenkreis Vertretung gegenüber Behörden) vertritt den Betreuten auch in steuerrechtlichen Fragen (§ 34 AO). So in der Rechtsprechung z.B. BayObLG FamRZ 1965, 341; LG München I, Az. 22 0 21281/95; OLG München OLGR 2006,192 = BtPrax 2005, 199 (LS) = FamRZ 2006, 62 (Ls.) = Rpfleger 2006, 14; BFH NV 2006, 897.

Er hat also im Namen des Betreuten Steuererklärungen abzugeben, Nichtveranlagungsbescheinigungen zu beantragen und Zinsfreistellungserklärungen bei Banken und Sparkassen zu erteilen.

Soweit der Betreuer nicht sicher ist, ob der Betreute zu früheren Zeiten Steuern hinterzogen hat, sollte er sich unverzüglich zur Vermeidung eigener Steuerstrafbarkeit Kontakt mit dem Finanzamt aufnehmen. Bei vorsätzlichen oder grob fahrlässigen Falschangaben oder Unterlassen der Steuererklärung ist der Betreuer selbst (neben dem Betreuten, § 70 AO) für die Steuerschuld verantwortlich (§ 69 AO).

In Frage kommen grundsätzlich alle Steuerarten, in der Praxis betrifft die Tätigkeit meist:

  • Einkommensteuer /Lohnsteuer
  • Erbschaft-/Schenkungsteuer
  • Grundsteuer/Grunderwerbsteuer

Rechtsprechung:

Finanzgericht Niedersachsen, Beschluss vom 11.02.2002, 2 S 11/00; BtPrax 2003, 230 = FamRZ 2003, 1511 = EFG 2002, 156:

Steuerbescheide an einen hinsichtlich der Vermögenssorge unter Pflegschaft stehenden/Betreuten können wirksam nur an den Pfleger/Betreuer bekannt gegeben werden.

BFH, Beschluss vom 10.05.2007 - VIII B 125/06; FamRZ 2007, 1650:

  1. . Die Bestellung eines Betreuers hat keinen Einfluss auf die Geschäftsfähigkeit des Betreuten, mit der Folge des Zustandekommens einer Doppelzuständigkeit.
  2. Im Rahmen des Aufgabenkreises des Betreuers sind Zustellungen an diesen vorzunehmen. Auch einfache Bekanntgaben haben an den Betreuer zu erfolgen.

FG Sachsen-Anhalt; Urteil vom 20.02.2008, 4 K 562/05, AO-StB 2008, 242 = BtMan 2008, 166 (LS) = EFG 2008, 1001 = StE 2008, 343 (LS):

  1. Die Begründung eines Betreuungsverhältnisses lässt die Geschäftsfähigkeit des Betreuten und damit dessen Handlungsfähigkeit unberührt, soweit dieser nicht (vollständig) geschäftsunfähig ist. Der Betreuer ist innerhalb seines Aufgabenkreises gesetzlicher Vertreter des Betreuten. Soweit der Betreute noch geschäftsfähig ist, tritt der Betreuer insoweit neben den Betreuten, d.h. es besteht eine sog. Doppelzuständigkeit. Dies hat zur Folge, dass der Betreute seine Angelegenheit selber (wirksam) wahrnehmen kann und ihm ebenso Verwaltungsakte wirksam bekannt gegeben werden können.
  2. Einem Betreuten gegenüber kann ein Verwaltungsakt dann nicht wirksam durch Übersendung an ihn bekannt gegeben werden, wenn entweder ein Einwilligungsvorbehalt nach § 1903 BGB besteht oder der Betreuer in einem konkreten Verwaltungsverfahren seine gesetzliche Vertretungsbefugnis tatsächlich wahrnimmt.

FG München, Beschluss vom 23.04.2010, 14 K 2827/09:

Erteilt die Betreuerin innerhalb der vom Gericht gesetzten Frist keine Einwilligung zur Klageerhebung ist die von einem Prozessunfähigen erhobene Klage unwirksam.

Bundesfinanzhof, Beschluss vom 28.07.2011, VIII B 18/11:

Nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) nehmen Betreuer die Unterstützung und Beratung volljähriger Menschen wahr, die in ihrer Entscheidungs- oder Handlungsfähigkeit eingeschränkt sind und deshalb nicht selbst für ihre Angelegenheiten sorgen können. Die Betreuer unterstützen die Betroffenen rechtlich oder handeln "stellvertretend für sie, zum Beispiel durch Regelung der Finanzen, Vertretung gegenüber Behörden, Organisation von pflegerischen Diensten oder Einwilligung in ärztliche Behandlungen" (Senatsurteil vom 15. Juni 2010 VIII R 10/09, BFHE 230, 47, BStBl II 2010, 906). Dabei gehört zur Betreuung insbesondere auch die Vertretung in Vermögensangelegenheiten (vgl. Urteile des BGH vom 9. Januar 2008 VIII ZR 12/07 FamRZ 2008, 680; vom 30. April 2008 XII ZR 110/06, NJW 2008, 2333; BGH-Beschluss vom 21. Oktober 2009 XII ZB 66/08, FamRZ 2010, 199; Sonnenfeld, FamRZ 2009, 1027; Wilde, GmbH-Rundschau 2010, 123). Da der Betreuer gemäß § 1902 des BGB gesetzlicher Vertreter des Betreuten ist und gemäß § 34 der Abgabenordnung (AO) dessen steuerliche Pflichten in vollem Umfang zu erfüllen hat (vgl. Loose in Tipke/Kruse, Abgabenordnung, Finanzgerichtsordnung, § 34 AO Rz 5, m.w.N.) sind einem Betreuten Pflichtverletzungen seines Betreuers zuzurechnen.

Bundesfinanzhof, Beschluss vom 08.02.2012, V B 3/12

  1. Die von einem Betreuten ohne Einwilligung des Betreuers eingelegte und von diesem auch nicht genehmigte Beschwerde ist unzulässig, wenn ein Einwilligungsvorbehalt (§ 1903 BGB) für die Vertretung bei Gerichten angeordnet wurde.
  2. In diesem Fall kann wegen unverschuldeter Unkenntnis der rechtlichen Verhältnisse auf die Erhebung von Gerichtskosten verzichtet werden.

Bundesfinanzhof, Beschluss vom 10.02.2012, VI B 130/11

Steht eine Person in allen von ihm und gegen ihn betriebenen gerichtlichen Verfahren und behördlichen Ermittlungsverfahren unter Betreuung und ist für Willenserklärungen im vorgenannten Aufgabenkreis die Einwilligung des Betreuers notwendig (Einwilligungsvorbehalt), kann eine ohne Einwilligung des Betreuers eingelegte Nichtzulassungsbeschwerde gem. § 58 Abs. 3 FGO grundsätzlich nicht wirksam erhoben werden.

FG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 18.07.2012, 5 K 1348/09:

  1. Zu den steuerlichen Pflichten eines Betreuers gehört die Pflicht zur Abgabe einer Einkommensteuererklärung für die von ihm betreute Person. Diese Pflicht erstreckt sich auch auf die vor seinem Eintritt in die Funktion als Betreuer liegende Veranlagungszeiträume.
  2. Der Betreuer hat sich daher über die Einkommens- und Vermögensverhältnisse der betreuten Person zu informieren, sich bei dem Finanzamt über den Stand der Veranlagung zu erkundigen und sich die für die Steuererklärungen erforderlichen Unterlagen zu beschaffen.
  3. Zu einer Verletzung der ihm obliegenden steuerlichen Erklärungspflichten kann der Tatbestand einer Steuerhinterziehung vorliegen, der dem Steuerpflichtigen zuzurechnen ist.

Steuerrechtliche Seite der ehrenamtlichen Betreuung

Zur Steuerpflicht der Aufwandspauschale für ehrenamtliche Betreuer siehe unter:

Aufwandspauschale

Merkblatt zur Steuerpflicht der Aufwandspauschale ab 2011 (PDF)

Steuerrechtliche Seite der Berufsbetreuung

Der Bundesfinanzhof hat durch 2 Urteile vom 15.6.2010 (Az. VIII R 10/09 und VIII R 14/09) entschieden, dass Berufsbetreuer doch nicht als Gewerbetreibende, sondern wie ein Freiberufler (§ 18 EStG) einzustufen sind. Frühere entgegenstehende Urteile sind somit obsolet. Der BFH hat ausdrücklich seine Rechtsauffassung geändert.

BFH, Urteile vom 15.06.2010, VIII R 14/09, NJW 2011, 110 = BStBl II 2010, 909 = BB 2010, 2142 = DB 2010, 1796 = FamRZ 2010, 1731 = RDG 2010, 300 = BeckRS 2010, 24004101 = BFH/NV 2010, 1905 = DStRE 2010, 1163 = GewA 2010, 463 = LSK 2010, 340478 (Ls.) = NWB DokID: EAAAD-27169

und VIII R 10/09, BStBl. 2010 II S. 906 = BtPrax 2010, 232 = DStR 2010, 1669 = BFHE 230, 47 = NJW 2011, 108 = BB 2010, 2142 = DB 2010, 1799 = BRAK-Mitt. 210, 228 = BeckRS 2010, 24004105 = DStRE 2010, 1027 = GewA 2010, 463 = IBRRS 77826 = LSK 2010, 340479 (Ls.) = NWB DokID: UAAAD-27168 = DStZ 2010, 653 = StB 2010, 298 = ZIP 2010, 1858:

Berufsbetreuer und Verfahrenspfleger erzielen keine Einkünfte aus Gewerbebetrieb, sondern Einkünfte aus sonstiger selbständiger Arbeit.

Hiernach haben Berufsbetreuer folgende Steuern zu errichten:


Weblinks

Literatur

Bücher im Bundesanzeiger-Verlag

sonstige Bücher

Zeitschriftenbeiträge

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