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[[Bild:Betreuungszahlen.gif|thumb|300px|right|Anzahl der Betreuten am Jahresende]]
 
[[Bild:Betreuungszahlen.gif|thumb|300px|right|Anzahl der Betreuten am Jahresende]]
 
[[Bild:Betreuungszahlen_einwohner.gif|thumb|300px|right|Betreuungen je Einwohner]]
 
[[Bild:Betreuungszahlen_einwohner.gif|thumb|300px|right|Betreuungen je Einwohner]]
 
[[Bild:Neue_Betreuungen1995_2007.gif|thumb|300px|right|Anteile bei neuen Betreuungen 1995 - 2007]]
 
[[Bild:Neue_Betreuungen1995_2007.gif|thumb|300px|right|Anteile bei neuen Betreuungen 1995 - 2007]]
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Die Entscheidung über die [[Betreuerbestellung|Bestellung eines Betreuers]] erfolgt durch das Betreuungsgericht. Es hat dabei zu prüfen, ob die gesetzlichen Voraussetzungen ({{Zitat de §|1896|bgb}} BGB) gegeben sind.
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Die Entscheidung über die [[Betreuerbestellung|Bestellung eines Betreuers]] erfolgt durch das Betreuungsgericht. Es hat dabei zu prüfen, ob die gesetzlichen Voraussetzungen (§ 1814 BGB) gegeben sind.
 
===Vorgehensweise===
 
===Vorgehensweise===
Kann ein [[wikipedia:de:Volljährigkeit|Volljähriger]] auf Grund einer [[wikipedia:de:psychische Erkrankung|psychischen]] [[wikipedia:de:Krankheit|Krankheit]] oder einer körperlichen, geistigen oder seelischen [[wikipedia:de:Behinderung|Behinderung]] seine Angelegenheiten ganz oder teilweise nicht besorgen, so bestellt das [[Betreuungsgericht]] (Teil des [[wikipedia:de:Amtsgericht|Amtsgerichtes]]) für ihn auf seinen [[wikipedia:de:Antrag|Antrag]] oder [[wikipedia:de:von Amts wegen|von Amts wegen]] einen [[Betreuerbestellung|Betreuer]].
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Kann ein [[wikipedia:de:Volljährigkeit|Volljähriger]] auf Grund einer [[wikipedia:de:Krankheit|Krankheit]] oder einer [[wikipedia:de:Behinderung|Behinderung]] seine Angelegenheiten ganz oder teilweise nicht besorgen, so bestellt das [[Betreuungsgericht]] (Teil des [[wikipedia:de:Amtsgericht|Amtsgerichtes]]) für ihn auf seinen [[wikipedia:de:Antrag|Antrag]] oder [[wikipedia:de:von Amts wegen|von Amts wegen]] einen [[Betreuerbestellung|Betreuer]].
Im württembergischen Teil von Baden-Württemberg ist für die [[Betreuerbestellung]] der [[wikipedia:de:Notar|Notar]] nach Maßgabe von {{Zitat-dej|§|37|LFGG}} des [[wikipedia:de:Landesrecht|Landesgesetzes]] Baden-Württemberg über die [[wikipedia:de:freiwillige Gerichtsbarkeit|freiwill. Gerichtsbarkeit]]) zuständig.
      
===Volljährigkeit===
 
===Volljährigkeit===
Nur ein Volljähriger, also jemand, der das 18. Lebensjahr vollendet hat, kann einen Betreuer erhalten. Ausnahme: nach {{Zitat de §|1908|bgb}} BGB ist bei einem 17jährigen die vorsorgliche [[Betreuerbestellung]] möglich, diese wird aber erst mit Erreichen der Volljährigkeit rechtswirksam. Die gesetzliche Vertretung eines Minderjährigen, der die u.g. (medizinischen) Voraussetzungen erfüllt, obliegt weiterhin den Eltern bzw. im Falle eines [[wikipedia:de:Sorgerecht|Sorgerechtsentzugs]] (oder Feststellung des Ruhens der elterlichen Sorge) einem [[wikipedia:de:Vormundschaft|Vormund]].
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Nur ein Volljähriger, also jemand, der das 18. Lebensjahr vollendet hat, kann einen Betreuer erhalten. Ausnahme: nach § 1814 Abs. 5 BGB ist bei einem 17jährigen die vorsorgliche [[Betreuerbestellung]] möglich, diese wird aber erst mit Erreichen der Volljährigkeit rechtswirksam. Die gesetzliche Vertretung eines Minderjährigen, der die u.g. (medizinischen) Voraussetzungen erfüllt, obliegt weiterhin den Eltern bzw. im Falle eines [[wikipedia:de:Sorgerecht|Sorgerechtsentzugs]] (oder Feststellung des Ruhens der elterlichen Sorge) einem [[wikipedia:de:Vormundschaft|Vormund]].
    
=== Medizinische Diagnose Krankheit oder Behinderung ===
 
=== Medizinische Diagnose Krankheit oder Behinderung ===
Voraussetzung zur [[Betreuerbestellung]] ist eine [[wikipedia:de:psychische Krankheit|psychische Krankheit]] oder eine körperliche, geistige oder seelische [[wikipedia:de:Behinderung|Behinderung]].  
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Voraussetzung zur [[Betreuerbestellung]] ist eine [[wikipedia:de:psychische Krankheit|psychische Krankheit]] oder eine [[wikipedia:de:Behinderung|Behinderung]].  
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*a) psychische Krankheiten: Hierzu zählen alle körperlich nicht begründbaren seelischen Erkrankungen; jedoch auch seelische Störungen als Folge von Erkrankungen (z.B. Hirnhautentzündungen) oder [[wikipedia:de:Schädel-Hirn-Trauma|Hirnverletzung]]en. Gleiches gilt für [[wikipedia:de:Neurose|Neurose]]n ([[wikipedia:de:Zwangshandlung|Zwangshandlung]]en) oder Persönlichkeitsstörungen ([[wikipedia:de:Psychopathie|Psychopathie]]n);
 
*a) psychische Krankheiten: Hierzu zählen alle körperlich nicht begründbaren seelischen Erkrankungen; jedoch auch seelische Störungen als Folge von Erkrankungen (z.B. Hirnhautentzündungen) oder [[wikipedia:de:Schädel-Hirn-Trauma|Hirnverletzung]]en. Gleiches gilt für [[wikipedia:de:Neurose|Neurose]]n ([[wikipedia:de:Zwangshandlung|Zwangshandlung]]en) oder Persönlichkeitsstörungen ([[wikipedia:de:Psychopathie|Psychopathie]]n);
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Siehe hierzu auch die Klassifizierung (ICD-Code): http://www.dimdi.de/static/de/klassi/diagnosen/icd10/htmlgm2007/fr-icd.htm?kf00.htm+
 
Siehe hierzu auch die Klassifizierung (ICD-Code): http://www.dimdi.de/static/de/klassi/diagnosen/icd10/htmlgm2007/fr-icd.htm?kf00.htm+
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Vor allem für die Suchtleiden, Psychopathien und Neurosen kann allerdings der rein medizinische
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Vor allem für die Suchtleiden, Psychopathien und Neurosen kann allerdings der rein medizinische Krankheitsbegriff nicht ausschlaggebend sein. Denn der Betreuer wird bestellt, um Entscheidungen an Stelle des Betreuten treffen zu können. Rein ausführendes Organ solcher Entscheidungen kann er nicht sein,
Krankheitsbegriff nicht ausschlaggebend sein. Denn der Betreuer wird bestellt, um Entscheidungen an
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dazu ist kein [[gesetzlicher Vertreter]] notwendig. Deshalb sind all diese Diagnosen nur dann wirklich Betreuungsgründe, wenn sie die Fähigkeit des Betroffenen, freie Entscheidungen zu treffen, erheblich
Stelle des Betreuten zu treffen. Rein ausführendes Organ solcher Entscheidungen kann er nicht sein,
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einschränken. „Frei“ sind Entscheidungen, denen vernünftige Erwägungen zugrunde gelegt werden konnten. Das heißt: Juristisch relevant werden die genannten Krankheiten erst, wenn sie die Fähigkeit, Entscheidungen auf vernünftige Erwägungen zu gründen, erheblich einschränken. Das kann auf einer erheblichen Beeinträchtigung der Erkenntnisfähigkeit, der Fähigkeit zur Willensbildung oder zur Willensbetätigung beruhen. Nur wenn eine dieser Fähigkeiten von der Krankheit in erheblichem Maße betroffen ist, ist sie eine „psychische Krankheit“ im Rechtssinne.
dazu ist kein [[gesetzlicher Vertreter]] notwendig. Deshalb sind all diese Diagnosen nur dann wirklich
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Betreuungsgründe, wenn sie die Fähigkeit des Betroffenen, freie Entscheidungen zu treffen, erheblich
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einschränken. „Frei“ sind Entscheidungen, denen vernünftige Erwägungen zugrunde gelegt werden
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konnten. Das heißt: Juristisch relevant werden die genannten Krankheiten erst, wenn sie die Fähigkeit, Entscheidungen auf vernünftige Erwägungen zu gründen, erheblich einschränken. Das kann auf einer erheblichen Beeinträchtigung der Erkenntnisfähigkeit, der Fähigkeit zur Willensbildung oder zur Willensbetätigung beruhen. Nur wenn eine dieser Fähigkeiten von der Krankheit in erheblichem Maße betroffen ist, ist sie eine „psychische Krankheit“ im Rechtssinne.
      
*b) [[wikipedia:de:geistige Behinderung|geistige Behinderung]]en: Hierunter fallen angeborene sowie die während der Geburt oder durch frühkindliche Hirnschädigung erworbene [[wikipedia:de:Intelligenzminderung|Intelligenzdefek]]te verschiedener Schweregrade. Auch hier ist nicht der getestete IQ ausschlaggebend, sondern die Frage, ob der Erkenntnis-, Willensbildungs- oder Willensbetätigungsprozess hierdurch erheblich beeinflusst wird.
 
*b) [[wikipedia:de:geistige Behinderung|geistige Behinderung]]en: Hierunter fallen angeborene sowie die während der Geburt oder durch frühkindliche Hirnschädigung erworbene [[wikipedia:de:Intelligenzminderung|Intelligenzdefek]]te verschiedener Schweregrade. Auch hier ist nicht der getestete IQ ausschlaggebend, sondern die Frage, ob der Erkenntnis-, Willensbildungs- oder Willensbetätigungsprozess hierdurch erheblich beeinflusst wird.
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*d) [[wikipedia:de:Körperbehinderung|körperliche Behinderungen]] können ebenfalls Anlass für die Bestellung eines Betreuers sein; allerdings nur, wenn sie die Fähigkeit zur Besorgung der eigenen Angelegenheiten wenigstens teilweise aufheben oder wesentlich behindern (z.B. bei dauernder Bewegungsunfähigkeit oder [[wikipedia:de:Taubblindheit|Taubblindheit]]). Als Betreuungsgrund kommen körperliche Behinderungen nur  
 
*d) [[wikipedia:de:Körperbehinderung|körperliche Behinderungen]] können ebenfalls Anlass für die Bestellung eines Betreuers sein; allerdings nur, wenn sie die Fähigkeit zur Besorgung der eigenen Angelegenheiten wenigstens teilweise aufheben oder wesentlich behindern (z.B. bei dauernder Bewegungsunfähigkeit oder [[wikipedia:de:Taubblindheit|Taubblindheit]]). Als Betreuungsgrund kommen körperliche Behinderungen nur  
 
in Frage, wenn sie die freie Willensbildung beeinträchtigen. Da der eigentliche Willensbildungsprozess
 
in Frage, wenn sie die freie Willensbildung beeinträchtigen. Da der eigentliche Willensbildungsprozess
durch rein körperliche Behinderungen nicht beeinträchtigt sein kann, ist folglich eine Einschränkung
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durch rein körperliche Behinderungen nicht beeinträchtigt sein kann, ist folglich eine Einschränkung der Kommunikationsfähigkeit der einzig relevante Ansatz, aber auch nur dann, wenn er entweder die Erkenntnisfähigkeit oder die Fähigkeit zur Willensbetätigung erheblich einschränkt.
der Kommunikationsfähigkeit der einzig relevante Ansatz, aber auch nur dann, wenn er
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entweder die Erkenntnisfähigkeit oder die Fähigkeit zur Willensbetätigung erheblich einschränkt.
      
Siehe hierfür auch die internationale Klassifikation für Behinderungen (ICF): http://www.dimdi.de/static/de/klassi/icf/index.htm
 
Siehe hierfür auch die internationale Klassifikation für Behinderungen (ICF): http://www.dimdi.de/static/de/klassi/icf/index.htm
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Keine Rolle mehr spielen die bis 1992 gültigen, im juristischen, nicht im medizinischen Sinne zu verstehenden Ausdrücke ”[[wikipedia:de:Geisteskrankheit|Geisteskrankheit]]” und ”Geistesschwäche”.
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Keine Rolle spielen die bis 1992 gültigen, im juristischen, nicht im medizinischen Sinne zu verstehenden Ausdrücke ”[[wikipedia:de:Geisteskrankheit|Geisteskrankheit]]” und ”Geistesschwäche”.
    
Die größte Gruppe der unter Betreuung stehenden Menschen sind alte Menschen, die an der [[wikipedia:de:Alzheimer|Alzheimerkrankheit]] erkrankt sind oder deren Gehirnleistung nachgelassen hat ([[wikipedia:de:Zerebralsklerose|Zerebralsklerose]], [[wikipedia:de:Korsakow-Syndrom|Korsakow-Syndrom]]), umgangssprachlich ''Verkalkung''). Daneben benötigen geistig behinderte Menschen auch im Erwachsenenalter einen Betreuer.  
 
Die größte Gruppe der unter Betreuung stehenden Menschen sind alte Menschen, die an der [[wikipedia:de:Alzheimer|Alzheimerkrankheit]] erkrankt sind oder deren Gehirnleistung nachgelassen hat ([[wikipedia:de:Zerebralsklerose|Zerebralsklerose]], [[wikipedia:de:Korsakow-Syndrom|Korsakow-Syndrom]]), umgangssprachlich ''Verkalkung''). Daneben benötigen geistig behinderte Menschen auch im Erwachsenenalter einen Betreuer.  
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Ein Betreuer kann  bestellt werden, wenn zwar kein akuter Handlungsbedarf besteht, auf Grund einer Psychose aber im Falle eines akuten Schubes sofort gehandelt werden muss (BayObLG, BtPrax 1993, 171). Ein Betreuer kann auch bestellt werden für eine hirntote schwangere Frau, deren Kreislauf und Atmung in einer Klinik künstlich aufrechterhalten werden (AG Hersbruck {{Rspr|XVII 1556/92}} , Beschluss vom 16.10.1992, FamRZ 1992, 1471 = NJW 1992, 3245)
 
Ein Betreuer kann  bestellt werden, wenn zwar kein akuter Handlungsbedarf besteht, auf Grund einer Psychose aber im Falle eines akuten Schubes sofort gehandelt werden muss (BayObLG, BtPrax 1993, 171). Ein Betreuer kann auch bestellt werden für eine hirntote schwangere Frau, deren Kreislauf und Atmung in einer Klinik künstlich aufrechterhalten werden (AG Hersbruck {{Rspr|XVII 1556/92}} , Beschluss vom 16.10.1992, FamRZ 1992, 1471 = NJW 1992, 3245)
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Nach dem [http://www.bmj.de/files/-/2455/2.%20Evaluationsbericht%20BR.pdf Zwischenbericht 2007 des Kölner ISG] waren folgende medizinische Diagnosen Grundlagen die Bestellung beruflicher Betreuer im Jahre 2005:
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*6,9 % Körperliche Behinderung
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*19,9 % Demenz
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*16,7 % Sucht
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*33,4 % sonstige psychische Krankheit
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*15,9 % geistige Behinderung
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*19,7 % Mischbild Krankheit und Behinderung
      
=== Auswirkungen auf die Erledigung eigener Angelegenheiten ===
 
=== Auswirkungen auf die Erledigung eigener Angelegenheiten ===
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Bei psychischen Krankheiten fehlt oft die Erkenntnis, krank zu sein. Daraus resultiert dann oft das Unvermögen, die psychische Krankheit behandeln zu lassen. Dies allein rechtfertigt aber noch keine [[Betreuerbestellung]], so lange sich seine Auswirkungen auf das Krankbleiben beschränken, der Betroffene also über die psychische Krankheit als solche hinaus im Alltag nicht beeinträchtigt ist. Denn die Krankheit als solche bildet ja eben noch keinen ausreichenden Betreuungsgrund, mag sie nun behandelt werden oder nicht.
 
Bei psychischen Krankheiten fehlt oft die Erkenntnis, krank zu sein. Daraus resultiert dann oft das Unvermögen, die psychische Krankheit behandeln zu lassen. Dies allein rechtfertigt aber noch keine [[Betreuerbestellung]], so lange sich seine Auswirkungen auf das Krankbleiben beschränken, der Betroffene also über die psychische Krankheit als solche hinaus im Alltag nicht beeinträchtigt ist. Denn die Krankheit als solche bildet ja eben noch keinen ausreichenden Betreuungsgrund, mag sie nun behandelt werden oder nicht.
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Nicht erforderlich ist jedoch, dass dem Betroffene durch das Unvermögen zur Besorgung eigener Angelegenheiten ein Schaden droht. Es reicht aus, dass eine Angelegenheit geregelt werden muss, für die der Betroffene juristisch zuständig ist, und dass er dies nicht kann. Die Betreuung kann somit auch ausschließlich im Interesse eines Außenstehenden angeordnet werden. {{Zitat de §|1901|bgb}} Abs. 2 Satz 1 BGB gilt erst für die Tätigkeit des Betreuers, nicht schon für dessen Bestellung. Deshalb ist es zum Beispiel zulässig, dem [[Geschäftsfähigkeit|Geschäftsunfähigen]] einen Betreuer zu bestellen, damit der Vermieter das mit ihm geschlossene [[Wohnungsangelegenheiten|Mietverhältnis]] wirksam kündigen kann (vgl. {{Zitat de §|131|bgb}} Abs. 1 BGB).
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Nicht erforderlich ist jedoch, dass dem Betroffene durch das Unvermögen zur Besorgung eigener Angelegenheiten ein Schaden droht. Es reicht aus, dass eine Angelegenheit geregelt werden muss, für die der Betroffene juristisch zuständig ist, und dass er dies nicht kann. Die Betreuung kann somit auch ausschließlich im Interesse eines Außenstehenden angeordnet werden. § 1821 BGB gilt erst für die Tätigkeit des Betreuers, nicht schon für dessen Bestellung. Deshalb ist es zum Beispiel zulässig, dem [[Geschäftsfähigkeit|Geschäftsunfähigen]] einen Betreuer zu bestellen, damit der Vermieter das mit ihm geschlossene [[Wohnungsangelegenheiten|Mietverhältnis]] wirksam kündigen kann (vgl. {{Zitat de §|131|bgb}} Abs. 1 BGB).
    
Rechtsprechung:
 
Rechtsprechung:
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'''BGH, Beschluss vom 06.07.2011,  XII ZB 80/11''', MDR 2011, 1041 = FamRZ 2011, 1390 = BtPrax 2011, 210 = BeckRS 2011, 19946 = IBRRS 81511 =  LSK 2011, 370287 = RdLH 2011, 142:
 
'''BGH, Beschluss vom 06.07.2011,  XII ZB 80/11''', MDR 2011, 1041 = FamRZ 2011, 1390 = BtPrax 2011, 210 = BeckRS 2011, 19946 = IBRRS 81511 =  LSK 2011, 370287 = RdLH 2011, 142:
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Der in § 1896 Abs. 2 Satz 1 BGB enthaltene Grundsatz der Erforderlichkeit verlangt für die Bestellung eines Betreuers  
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Der in § 1896 Abs. 2 Satz 1 BGB a.F. (jetzt § 1814 Abs. 3 BGB) enthaltene Grundsatz der Erforderlichkeit verlangt für die Bestellung eines Betreuers  
 
tatrichterliche Feststellungen dazu, ob und für welche Aufgabenbereiche ein objektiver Betreuungsbedarf besteht.
 
tatrichterliche Feststellungen dazu, ob und für welche Aufgabenbereiche ein objektiver Betreuungsbedarf besteht.
 
Der objektive Betreuungsbedarf ist aufgrund der konkreten, gegenwärtigen Lebenssituation des Betroffenen zu beurteilen.
 
Der objektive Betreuungsbedarf ist aufgrund der konkreten, gegenwärtigen Lebenssituation des Betroffenen zu beurteilen.
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=== Keine vorrangigen anderen Hilfen ausreichend ===
 
=== Keine vorrangigen anderen Hilfen ausreichend ===
 
[[Bild:Vorsorgevollmachten.gif|thumb|300px|right|Registrierte Vorsorgevollmachten]]
 
[[Bild:Vorsorgevollmachten.gif|thumb|300px|right|Registrierte Vorsorgevollmachten]]
Die Bestellung eines Betreuers ist nicht erforderlich, wenn die Angelegenheiten des Betroffenen ebenso gut durch andere Hilfsangebote besorgt werden können ({{Zitat de §|1896|bgb}} Abs. 2 Satz 2 BGB). Weiter ist Voraussetzung, dass die Angelegenheiten, die für die betroffene Person besorgt werden müssen, nicht durch andere Hilfen, die ohne [[wikipedia:de:gesetzlicher Vertreter|gesetzlichen Vertreter]] möglich sind, gleich gut erledigt werden können. Andere Hilfen können z.B. Familienangehörige, [[wikipedia:de:Nachbarschaftshilfe|Nachbarschaftshilfe]] oder soziale Dienste sein, sowie von der betroffenen Person [[wikipedia:de:Vollmacht|bevollmächtigte Dritte]]. Die Betreuung nach dem BGB ist somit [[wikipedia:de:Subsidiarität|subsidiär]] (nachrangig). Durch die Einfügung des Wortes ”rechtlich” in {{Zitat de §|1896|bgb}} [[wikipedia:de:Bürgerliches Gesetzbuch|BGB]] im Jahre 1999 ist verdeutlicht worden, dass Betreuungstätigkeit eine rechtliche Vertretung darstellt.
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Die Bestellung eines Betreuers ist nicht erforderlich, wenn die Angelegenheiten des Betroffenen ebenso durch andere Hilfsangebote besorgt werden können ({{Zitat de §|1814|bgb}} Abs. 3 Satz 2 BGB). Weiter ist Voraussetzung, dass die Angelegenheiten, die für die betroffene Person besorgt werden müssen, nicht durch andere Hilfen, die ohne [[wikipedia:de:gesetzlicher Vertreter|gesetzlichen Vertreter]] möglich sind, gleich gut erledigt werden können.  
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Andere Hilfen können z.B. Familienangehörige, [[wikipedia:de:Nachbarschaftshilfe|Nachbarschaftshilfe]] oder soziale Dienste sein, sowie von der betroffenen Person [[wikipedia:de:Vollmacht|bevollmächtigte Dritte]]. Die Betreuung nach dem BGB ist somit [[wikipedia:de:Subsidiarität|subsidiär]] (nachrangig). Durch die Einfügung des Wortes ”rechtlich” in {{Zitat de §|1814|bgb}} [[wikipedia:de:Bürgerliches Gesetzbuch|BGB]] im Jahre 1999 ist verdeutlicht worden, dass Betreuungstätigkeit eine rechtliche Vertretung darstellt.
    
Eine Betreuerbestellung darf also nur erfolgen, wenn eine objektive konkrete Erforderlichkeit der Fürsorge vorliegt
 
Eine Betreuerbestellung darf also nur erfolgen, wenn eine objektive konkrete Erforderlichkeit der Fürsorge vorliegt
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Wenn es nur darum geht, dass jemand rein tatsächliche Angelegenheiten nicht mehr selbständig besorgen kann (etwa seinen Haushalt nicht mehr führen, die Wohnung nicht mehr verlassen kann usw.), so rechtfertigt dies in der Regel nicht die [[Betreuerbestellung]]. Hier wird es im Normalfall auf ganz [[wikipedia:de:Haushaltshilfe (Sozialleistung)|praktische Hilfen]] ankommen (z.B. [[wikipedia:de:Reinigungskraft|Sauberhalten der Wohnung]], [[wikipedia:de:Essen auf Rädern|Versorgung mit Essen]]), für die man keinen [[wikipedia:de:gesetzlicher Vertreter|gesetzlichen Vertreter]] braucht.
 
Wenn es nur darum geht, dass jemand rein tatsächliche Angelegenheiten nicht mehr selbständig besorgen kann (etwa seinen Haushalt nicht mehr führen, die Wohnung nicht mehr verlassen kann usw.), so rechtfertigt dies in der Regel nicht die [[Betreuerbestellung]]. Hier wird es im Normalfall auf ganz [[wikipedia:de:Haushaltshilfe (Sozialleistung)|praktische Hilfen]] ankommen (z.B. [[wikipedia:de:Reinigungskraft|Sauberhalten der Wohnung]], [[wikipedia:de:Essen auf Rädern|Versorgung mit Essen]]), für die man keinen [[wikipedia:de:gesetzlicher Vertreter|gesetzlichen Vertreter]] braucht.
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So hat das Landgericht Duisburg am 24.11.2003 (BtPrax 2004, 156) die Einrichtung einer Betreuung abgelehnt, da bisher die Angehörigen des Betroffenen in der Vergangenheit bereit und in der Lage waren, sich um entsprechende Belange des Betroffenen (hier: Geltendmachung von Sozialhilfe) (ohne Einrichtung einer Betreuung) zu kümmern.
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So hat das Landgericht Duisburg am 24.11.2003 (BtPrax 2004, 156) die Einrichtung einer Betreuung abgelehnt, da bisher die Angehörigen des Betroffenen in der Vergangenheit bereit und in der Lage waren, sich um entsprechende Belange des Betroffenen (hier: Geltendmachung von [[Sozialhilfe]]) (ohne Einrichtung einer Betreuung) zu kümmern.
    
Mit der [[Vorsorgevollmacht]] kann man für den Fall seiner Betreuungsbedürftigkeit einer Person seines [[wikipedia:de:Vertrauen|Vertrauen]]s Vollmacht für alle eventuell anfallenden [[wikipedia:de:Rechtsgeschäft|Rechtsgeschäft]]e erteilen und so die Anordnung einer Betreuung vermeiden. Hierfür müssen ggf. bestimmte  [[wikipedia:de:Formvorschrift|Formvorschrift]]en beachtet werden.
 
Mit der [[Vorsorgevollmacht]] kann man für den Fall seiner Betreuungsbedürftigkeit einer Person seines [[wikipedia:de:Vertrauen|Vertrauen]]s Vollmacht für alle eventuell anfallenden [[wikipedia:de:Rechtsgeschäft|Rechtsgeschäft]]e erteilen und so die Anordnung einer Betreuung vermeiden. Hierfür müssen ggf. bestimmte  [[wikipedia:de:Formvorschrift|Formvorschrift]]en beachtet werden.
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# Kann die Unwirksamkeit einer Vorsorgevollmacht nicht positiv festgestellt werden, bleibt es bei der wirksamen Bevollmächtigung (im Anschluss an Senatsbeschluss vom 3. Februar 2016 - XII ZB 425/14 - FamRZ 2016, 701).
 
# Kann die Unwirksamkeit einer Vorsorgevollmacht nicht positiv festgestellt werden, bleibt es bei der wirksamen Bevollmächtigung (im Anschluss an Senatsbeschluss vom 3. Februar 2016 - XII ZB 425/14 - FamRZ 2016, 701).
 
# Die Frage, ob der Betroffene im Zeitpunkt der Vollmachterteilung nach § 104 Nr. 2 BGB geschäftsunfähig war, hat das Gericht nach § 26 FamFG von Amts wegen aufzuklären. Dabei ist die Geschäftsunfähigkeit nach § 104 Nr. 2 BGB kein medizinischer Befund, sondern ein Rechtsbegriff, dessen Voraussetzungen das Gericht unter kritischer Würdigung des Sachverständigengutachtens festzustellen hat.
 
# Die Frage, ob der Betroffene im Zeitpunkt der Vollmachterteilung nach § 104 Nr. 2 BGB geschäftsunfähig war, hat das Gericht nach § 26 FamFG von Amts wegen aufzuklären. Dabei ist die Geschäftsunfähigkeit nach § 104 Nr. 2 BGB kein medizinischer Befund, sondern ein Rechtsbegriff, dessen Voraussetzungen das Gericht unter kritischer Würdigung des Sachverständigengutachtens festzustellen hat.
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'''AG Dresden, Beschluss vom 10.03.2022, 404 XVII 2174/21'''
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# Zum Wesen der Betreuung (im Anschluss an BGH, Beschluss vom 3. Februar 2016 - XII ZB 425/14).
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#Zur Erforderlichkeit der Betreuerbestellung trotz Vorsorgevollmacht (im Anschluss an BGH, Beschluss vom 21. April 2021 - XII ZB 164/20 und BGH, Beschluss vom 17. Februar 2016 - XII ZB 498/15).
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# Zu den Voraussetzungen einer Kontrollbetreuung (im Anschluss an BGH, Beschluss vom 9. Mai 2018 - XII ZB 413/17).
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# Zur Überzeugungsbildung nach § 37 Abs. 1 FamFG.
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'''BGH, Beschluss vom 29.03.2023 - XII ZB 515/22'''
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Ein Bevollmächtigter ist ungeeignet, die Angelegenheiten des Betroffenen nach dessen Wünschen zu besorgen, wenn zu befürchten ist, dass er die Angelegenheiten des Vollmachtgebers nicht entsprechend der Vereinbarung oder dem erklärten oder mutmaßlichen Willen des Vollmachtgebers besorgt.
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Ergeben sich aus der Vereinbarung und dem erklärten Willen des Vollmachtgebers keine konkreten Vorgaben, kann der Betroffene seine Wünsche nicht mehr äußern und bestehen auch keine individuellen Anhaltspunkte für seinen mutmaßlichen Willen, richtet sich dieser nach seinen objektiven Bedürfnissen.
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Die Möglichkeit des Betreuungsgerichts, nach § 34 Abs. 2 FamFG von einer persönlichen Anhörung des Betroffenen abzusehen, wenn dieser offensichtlich nicht in der Lage ist, seinen Willen kundzutun, entbindet das Gericht nicht von der in § 278 Abs. 1 Satz 2 FamFG enthaltenen Verpflichtung, sich einen persönlichen Eindruck vom Betroffenen zu verschaffen.
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Sind behebbare Mängel bei der Ausübung einer Vorsorgevollmacht festzustellen, erfordert der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz grundsätzlich zunächst den Versuch, mittels eines zu bestellenden Kontrollbetreuers auf den Bevollmächtigten positiv einzuwirken, insbesondere durch Verlangen nach Auskunft und Rechenschaftslegung (§ 666 BGB) sowie die Ausübung bestehender Weisungsrechte.
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Besteht die dringende Gefahr, dass ein Bevollmächtigter durch fehlende Bereitschaft zum Konsens mit anderen Bevollmächtigten nicht den Wünschen des Vollmachtgebers entsprechend handelt und dadurch die Person des Vollmachtgebers oder dessen Vermögen erheblich gefährdet, kann das Betreuungsgericht gemäß § 1820 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 BGB anordnen, dass er die ihm erteilte Vollmacht insgesamt oder in bestimmten Angelegenheiten nicht ausüben darf.
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'''BGH, Beschluss vom 13. Dezember 2023 - XII ZB 334/22'''
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# Eine Vorsorgevollmacht steht der Bestellung eines Betreuers nicht entgegen, wenn der Bevollmächtigte ungeeignet erscheint, die Angelegenheiten des Betroffenen zu besorgen, insbesondere weil zu befürchten ist, dass die Wahrnehmung der Interessen des Betroffenen durch jenen eine konkrete Gefahr für das Wohl des Betroffenen begründet (im Anschluss an Senatsbeschluss vom 16. November 2022 - XII ZB 212/22 - FamRZ 2023, 308).
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# Lässt sich die Gefahr für das Wohl des Betroffenen durch die Bestellung eines Kontrollbetreuers nach §§ 1815 Abs. 3, 1820 Abs. 3 BGB nicht hinreichend abwenden, ist eine Vollbetreuung einzurichten (im Anschluss an Senatsbeschlüsse vom 26. Februar 2014 - XII ZB 301/13 - FamRZ 2014, 738 und vom 13. April 2011 - XII ZB 584/10 - FamRZ 2011, 964).
    
===Zu anderen Hilfen===
 
===Zu anderen Hilfen===
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Die rechtliche Betreuung geht der Eingliederungshilfe (§§ 53 ff SGB XII) bei der Beurteilung der erforderlichen Leistungen eines Ambulant-betreuten-Wohnens nicht vor. Bei der Unterscheidung zwischen der rechtlichen und der sozialhilferechtlichen Betreuung ist zu beachten, dass erstere nur die Rechtsfürsorge erfasst, während die Betreuung im Rahmen des Ambulanten-Wohnens der tatsächlichen Alltagsbewältigung dient, soweit nicht Rechtshandlungen betroffen sind. Vom Ambulant-betreuten-Wohnen werden im Übrigen alle Hilfeleistungen im eigenen Wohnumfeld erfasst, die dazu dienen, den behinderten Menschen zu befähigen, dort selbstständig zu leben; sie sind nicht rein gegenständlich auf die Wohnung beschränkt.
 
Die rechtliche Betreuung geht der Eingliederungshilfe (§§ 53 ff SGB XII) bei der Beurteilung der erforderlichen Leistungen eines Ambulant-betreuten-Wohnens nicht vor. Bei der Unterscheidung zwischen der rechtlichen und der sozialhilferechtlichen Betreuung ist zu beachten, dass erstere nur die Rechtsfürsorge erfasst, während die Betreuung im Rahmen des Ambulanten-Wohnens der tatsächlichen Alltagsbewältigung dient, soweit nicht Rechtshandlungen betroffen sind. Vom Ambulant-betreuten-Wohnen werden im Übrigen alle Hilfeleistungen im eigenen Wohnumfeld erfasst, die dazu dienen, den behinderten Menschen zu befähigen, dort selbstständig zu leben; sie sind nicht rein gegenständlich auf die Wohnung beschränkt.
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'''LG Duisburg, Beschluss vom 08.02.2023, 12 T 11/23''':
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Zur Ablehnung der Bestellung eines Betreuers nach § 1814 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 BGB, soweit die Angelegenheiten des Volljährigen durch andere Hilfen erledigt werden können, insbesondere durch solche Unterstützung, die auf sozialen Rechten oder anderen Vorschriften beruht.
    
=== Keine Betreuungsanordnung gegen den freien Willen ===
 
=== Keine Betreuungsanordnung gegen den freien Willen ===
 
Die Bestellung eines Betreuers von Amts wegen setzt voraus, dass der Betroffene aufgrund seiner Krankheit oder Behinderung seinen [[freier Wille| Willen nicht frei bestimmen]] kann (vgl. z.B. BayObLG [[wikipedia:de:FamRZ|FamRZ]] 1995, 510, BayObLG Rpfleger 1996, 245; BayObLGZ 1995, 146/148 m.w.N.; OLG Frankfurt BtPrax 1997, 123 LS; OLG Hamm FamRZ 1995, 433/435), d.h. nicht imstande ist, seinen Willen unbeeinflußt von der Krankheit oder Behinderung zu bilden und nach zutreffend gewonnenen Einsichten zu handeln (vgl. BGH {{Rspr|NJW 1996, 918}}/919).
 
Die Bestellung eines Betreuers von Amts wegen setzt voraus, dass der Betroffene aufgrund seiner Krankheit oder Behinderung seinen [[freier Wille| Willen nicht frei bestimmen]] kann (vgl. z.B. BayObLG [[wikipedia:de:FamRZ|FamRZ]] 1995, 510, BayObLG Rpfleger 1996, 245; BayObLGZ 1995, 146/148 m.w.N.; OLG Frankfurt BtPrax 1997, 123 LS; OLG Hamm FamRZ 1995, 433/435), d.h. nicht imstande ist, seinen Willen unbeeinflußt von der Krankheit oder Behinderung zu bilden und nach zutreffend gewonnenen Einsichten zu handeln (vgl. BGH {{Rspr|NJW 1996, 918}}/919).
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Seit dem 01.07.2005 ist diese Voraussetzung in {{Zitat de §|1896|bgb}} BGB als Absatz 1a explizit aufgenommen worden. Wenn der Wille durch Krankheits- oder Behinderungseinflüsse beeinträchtigt wird, kann evtl. kein freier Wille mehr gebildet werden (vgl. dazu [[Geschäftsfähigkeit|Geschäftsunfähigkeit]], {{Zitat de §|104|bgb}} BGB). Kann nur vorübergehend kein freier Wille gebildet werden, ist die zwangsweise [[Betreuerbestellung]] nur für den Zeitraum zulässig, in dem der Betroffene über keinen freien Willen verfügt.  
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Seit dem 01.07.2005 ist diese Voraussetzung in {{Zitat de §|1814|bgb}} BGB als Absatz 2 explizit aufgenommen worden. Wenn der Wille durch Krankheits- oder Behinderungseinflüsse beeinträchtigt wird, kann evtl. kein freier Wille mehr gebildet werden (vgl. dazu [[Geschäftsfähigkeit|Geschäftsunfähigkeit]], {{Zitat de §|104|bgb}} BGB). Kann nur vorübergehend kein freier Wille gebildet werden, ist die zwangsweise [[Betreuerbestellung]] nur für den Zeitraum zulässig, in dem der Betroffene über keinen freien Willen verfügt.  
    
In der Beschlussbegründung des Bayrischen Obersten Landesgerichts zum freien Willen, die Bezug auf die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts nimmt und von zahlreichen Gerichten übernommen wurde, heißt es: "Der Staat hat nicht das Recht, den Betroffenen zu erziehen, zu bessern, oder zu hindern, sich selbst zu schädigen (vgl. zuletzt BayObLG FamRZ 2006, 289, früher bereits FamRZ 2003, 962 = Rpfleger 2003, 362 = [[BtPrax]] 2003, 178 sowie BayObLGR 2001,19 (LS)= [[BtPrax]] 2001, 79 = FamRZ 2001, 1249)."
 
In der Beschlussbegründung des Bayrischen Obersten Landesgerichts zum freien Willen, die Bezug auf die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts nimmt und von zahlreichen Gerichten übernommen wurde, heißt es: "Der Staat hat nicht das Recht, den Betroffenen zu erziehen, zu bessern, oder zu hindern, sich selbst zu schädigen (vgl. zuletzt BayObLG FamRZ 2006, 289, früher bereits FamRZ 2003, 962 = Rpfleger 2003, 362 = [[BtPrax]] 2003, 178 sowie BayObLGR 2001,19 (LS)= [[BtPrax]] 2001, 79 = FamRZ 2001, 1249)."
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====Betreuung im Drittinteresse====
 
====Betreuung im Drittinteresse====
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Die Rechtsprechung erkennt ausnahmsweise an, dass ein Betreuer auch im ausschließlichen Interesse eines Dritten (zB eines Vertragspartners) bestellt werden darf, wenn es um die Geltendmachung von Rechten gegen den Betroffenen geht und der Dritte daran ohne die Bestellung eines Betreuers wegen [[Geschäftsunfähigkeit]] des Betroffenen gehindert wäre, zB wegen § 131 BGB (BayOLG, FamRZ 1996, 1369).
    
'''AG Ludwigslust, Beschluss vom 26.09.2014, 5 C 63/11'''
 
'''AG Ludwigslust, Beschluss vom 26.09.2014, 5 C 63/11'''
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===Zeitschriftenbeiträge===
 
===Zeitschriftenbeiträge===
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*Beetz: Das Verhältnis von rechtlicher Betreuung und der Gewährung von Leistungen nach dem SGB II und SGB XII; info also 2024, 20
 
*[http://www.btsrz.de/images/stories/autoren_beitraege_pdf/Beitrag_Horst_Bhm_.pdf Böhm: Die Erforderlichkeit in der Betreuung und der Wille des Betroffenen; BtSRZ 2011, 44 (PDF)]
 
*[http://www.btsrz.de/images/stories/autoren_beitraege_pdf/Beitrag_Horst_Bhm_.pdf Böhm: Die Erforderlichkeit in der Betreuung und der Wille des Betroffenen; BtSRZ 2011, 44 (PDF)]
 
*ders.: Haben die Betreuungsgerichte ein Alkoholproblem? FamRZ 2017, 15
 
*ders.: Haben die Betreuungsgerichte ein Alkoholproblem? FamRZ 2017, 15
 
*Bünnigmann: Gradwanderung zwischen Negation und Notwendigkeit rechtlicher Betreuung; BtPrax 2016, 140
 
*Bünnigmann: Gradwanderung zwischen Negation und Notwendigkeit rechtlicher Betreuung; BtPrax 2016, 140
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*Bürkel: Andere Hilfen im Kontext rechtlicher Betreuung; BtR aktuell 2024, 21
 
*Crefeld: Zur Feststellung von Betreuungsbedürftigkeit; Recht & Psychiatrie, Heft 3/2009
 
*Crefeld: Zur Feststellung von Betreuungsbedürftigkeit; Recht & Psychiatrie, Heft 3/2009
*[http://www.bt-portal.de/btprax/aktuelle-ausgabe/artikelansicht/zeitschriften-artikel/aktuelle-ausgabe/erforderlichkeit-der-betreuung-und-der-vorrang-anderer-hilfen.html Dieckmann: Erforderlichkeit der Betreuung und der Vorrang anderer Hilfen; BtPrax 2011, 185]
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*Dieckmann: Erforderlichkeit der Betreuung und der Vorrang anderer Hilfen; BtPrax 2011, 185
 
*Dodegge: Der Schutz des freien Willens durch die Rechtsinstitute Betreuung, Vorsorgevollmacht, Betreuungs- und Patientenverfügung; FPR 2008, 591
 
*Dodegge: Der Schutz des freien Willens durch die Rechtsinstitute Betreuung, Vorsorgevollmacht, Betreuungs- und Patientenverfügung; FPR 2008, 591
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*ders.: Zu den Voraussetzungen des § 1896 BGB:  BR (Behindertenrecht) 2007, 9
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*Gößling: Rechtliche Betreuung bei Strafgefangenen – eine rechtliche und praktische Einordnung; FamRZ 2024, 245
 
*Jordans: Anordnung einer Betreuung trotz Vorliegen einer Vollmacht, MDR 2015, 1045
 
*Jordans: Anordnung einer Betreuung trotz Vorliegen einer Vollmacht, MDR 2015, 1045
 
*Jürgens: Erforderlichkeitsgrundsatz im Betreuungsverfahren; [[BtPrax]] 2002, 18
 
*Jürgens: Erforderlichkeitsgrundsatz im Betreuungsverfahren; [[BtPrax]] 2002, 18
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*Schmidt: Betreuung und Unterbringung bei Süchtigen; BtPrax 2001, 188
 
*Schmidt: Betreuung und Unterbringung bei Süchtigen; BtPrax 2001, 188
 
*[http://www.bgt-ev.de/fileadmin/Mediendatenbank/Themen/Betrifft_Betreuung/9_Qualitaet_im_Betreuungswesen_200711.pdf#Page=115 Seitz: Erforderlichkeit der Betreuung und freier Wille der Betroffenen; Betrifft:Betreuung Nr. 9, S. 117  (PDF)]
 
*[http://www.bgt-ev.de/fileadmin/Mediendatenbank/Themen/Betrifft_Betreuung/9_Qualitaet_im_Betreuungswesen_200711.pdf#Page=115 Seitz: Erforderlichkeit der Betreuung und freier Wille der Betroffenen; Betrifft:Betreuung Nr. 9, S. 117  (PDF)]
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*Sobota: Betreuungsvermeidende Wirkung ausgewählter sozialrechtlicher Beratung- und Unterstützungsangebote... BtPrax 2023, 83 und 119
 
*Sturmberg/Hövelmann: Abschied von formalistischen Denkmustern - Anmerkungen zur sog. Unbetreubarkeit; BtPrax 2020, 47
 
*Sturmberg/Hövelmann: Abschied von formalistischen Denkmustern - Anmerkungen zur sog. Unbetreubarkeit; BtPrax 2020, 47
  

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