Betreuungsgerichtshilfe

Aus Online-Lexikon Betreuungsrecht
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Unterstützung des Gerichtes durch die Behörde

In diesem Text werden die Aufgaben der Betreuungsbehörde dargestellt, die die Zusammenarbeit mit dem Vormundschaftsgericht betreffen. Hierbei handelt es sich insbesondere um Mitteilungs-, Anhörungs- und Beschwerderechte, um Ermittlungs- und Gestellungspflichten und um Vorführungsaufgaben auf Anweisung des Gerichtes. Die Rechtsgrundlagen hierfür finden sich überwiegend im Gesetz über die freiwillige Gerichtsbarkeit (FGG), teilweise im Betreuungsbehördengesetz (BtBG ).

§ 7 Abs. 1 BtBG erlaubt der Betreuungsbehörde die Übermittlung von Sachverhalten an das Vormundschaftsgericht, die die Bestellung eines Betreuers oder eine andere Maßnahme in Betreuungssachen erforderlich machen. Andere Maßnahmen im Sinne dieser Bestimmung können z.B. sein: Erweiterung des Aufgabenkreises eines bereits bestellten Betreuers, Ablösung eines Betreuers durch einen anderen, Anordnung oder Aufhebung eines Einwilligungsvorbehaltes , Aufhebung einer Betreuung.

Diese Bestimmung bezieht sich auf Mitteilungen außerhalb eines gerichtlichen Betreuungsverfahrens (§ 65 FGG ff .), für Mitteilungen während des Verfahrens gelten der § 8 BtBG und die Bestimmungen innerhalb des FGG. Dennoch wird die Bestimmung häufig anzuwenden sein, da die Betreuungsbehörde oft durch eigene Ermittlungen oder durch andere Behörden (z.B. allgemeiner Sozialdienst, Gesundheitsamt, Sozialamt, Ordnungsbehörde) sowie durch Verwandte, Nachbarn, Vermieter von der Betreuungsbedürftigkeit einzelner Personen erfahren wird.

Einschränkung der Datenübermittlung

Das Mitteilungsrecht der Betreuungsbehörde an das Gericht ist eine Kann-Bestimmung, bei der die Behörde die vom Gesetz gemachten weiteren Einschränkungen nach pflichtgemäßen Ermessen zu prüfen und zu beachten hat.

§ 7 Abs. 1 BtBG schränkt die Ermessensentscheidung der Behörde, Mitteilungen an das Vormundschaftsgericht zu machen, mehrfach ein:

  • die Mitteilung darf berechtigte Interessen des Betroffenen nicht mißachten;
  • die Mitteilung darf nur erfolgen, um eine erhebliche Gefahr zum Wohle des Betroffenen abzuwenden, Interessen Dritter genügen nicht.

Beide Bestimmungen beinhalten zusammengesehen einen logischen Widerspruch: kann eine erhebliche Gefahr für den Betroffenen nur durch Betreuungsmaßnahmen des Gerichtes abgewendet werden, so ist es eine selbstverständliche Pflicht der Behörde, dies dem Gericht mitzuteilen , dies folgt bereits aus der Fürsorgepflicht des Staates aufgrund des Sozialstaatsgebotes ( Artikel 20 Grundgesetz ).

Kann in einem solchen Falle aber überhaupt ein berechtigtes Interesse des Betroffenen entgegenstehen? Der Gesetzgeber schweigt sich in seiner Gesetzesbegründung hierüber aus. Wenn in der Gesetzesbegründung davon die Rede ist, dass das Vertrauensverhältnis zu einem Dritten gestört werden könnte, so kann das jedoch kein Maßstab für die Behörde sein, denn § 7 Abs. 1 BtBG erwähnt dritte Personen nicht.

Mitteilungen der Betreuungsbehörde an das Vormundschaftsgericht sind nach § 7 Abs. 2 BtBG aktenkundig zu machen. Hierdurch soll der Informationsfluss zwischen Behörde und Gericht nachvollziehbar werden. Die Bestimmung dient den Belangen des Datenschutzes.

Als einziges Bundesland hat Berlin ergänzende Bestimmung zum Datenschutz im § 5 des Berliner Landesausführungsgesetzes zum Betreuungsgesetz erlassen.

Anhörung der Behörde

Der Unterstützungspflicht der Betreuungsbehörde nach § 8 BtBG steht die Anhörungspflicht des Vormundschaftsgerichtes gegenüber. Wenn es der Betroffene verlangt oder wenn es der Sachaufklärung dient, so gibt das Gericht der Betreuungsbehörde gem. § 68a FGG Gelegenheit zur Äußerung:

Der Sachaufklärung dient es, wenn von der Stellungnahme der Betreuungsbehörde weitere Erkenntnisse zu erwarten sind. Die Anhörung dürfte wegen der besonderen Sachkunde der Betreuungsbehörde fast immer angebracht sein.


Methodisches Vorgehen beim Sozialbericht

Bevor die Betreuungsbehörde ihre Stellungnahme dem Gericht vorlegt, hat sie sich mit dem Betroffenen persönlich auseinanderzusetzen.Die methodische Vorgehensweise muss sich zunächst an den Informationen orientieren, die der Betreuungsbehörde vorliegen, seien sie auch sehr gering. In der Regel werden die ersten Informationen vom Gericht oder von den Personen herrühren, die aus dem unmittelbaren sozialen Umfeld des Betroffenen stammen.

Aufgrund dieser Vorinformationen muss der Mitarbeiter der Behörde nun seine Gesprächsstrategie überlegen.

Das Gespräch sollte in einer Umgebung stattfinden, die dem Betroffenen Sicherheit bietet ("Heimvorteil", also möglichst in der eigenen Wohnung oder auf "neutralem Terrain" z.B. der Wohnung eines Verwandten oder Freundes (den der Betroffene als seinen "Koalitionspartner" betrachten kann. Der Mitarbeiter soll dem Betroffenen den wahren Grund seines Besuches nicht verschweigen, er sollte ihn in einer für den Betroffenen verständlichen, nachvollziehbaren Sprache erläutern und sich auch auf das Sprachniveau des Betroffenen begeben, gestelzte oder bürokratische Formulierungen unterlassen.

Um einen ersten Eindruck vom Betroffenen zu bekommen, sollte der Mitarbeiter das Gespräch mit Eingangsfragen beginnen, die sich auf die sozialen Faktoren des Betroffenen beziehen und keinen Bezug zur psychischen Erkrankung haben oder zu haben scheinen, z.B. Familienstand, Kontakte im sozialen Umfeld, finanzielle und berufliche Situation, Fragen nach Sorgen des Betroffenen.

Der Mitarbeiter sollte sich Zeit nehmen, damit der Betroffene das Tempo des Gespräches bestimmen kann. Indem er den Betroffenen reden läßt, bekommt der Mitarbeiter Informationen über das aktuelle Leistungsvermögen, Sprachverhalten, Fein- und Grobmotorik, Konzentrationsfähigkeit, Stimmungswechsel in rascher Folge, Ideenflüchtigkeit, den Unterschied zwischen Selbst- und Fremdwahrnehmung des Betroffenen, Wahnvorstellungen, Informationen über frühere Erkrankungen und Therapien.

Wertende Äußerungen des Mitarbeiters sind zu unterlassen, ebenso Formulierungen, aus denen der Betroffene schließen könnte, er werde nicht ernst genommen. Wird von wahnhaften Vorstellungen berichtet, sollte der Mitarbeiter sich so verhalten, dass der Betroffene Vertrauen gewinnen kann.

Äußere Merkmale beim Betroffenen (z.B. Alkoholfahne, Zittern, Schweißausbrüche, Unruhe, Zustand der Bekleidung und der Wohnung) können das gewonnene Bild ergänzen. Ziel des Gespräches soll sein, ein möglichst umfassendes Bild von der aktuellen Verfassung des Betroffenen zu bekommen.

Unter Umständen sind auch Angehörige, Nachbarn, Arbeitskollegen des Betroffenen zu befragen, wenn das Gericht dies zur Sachverhaltsaufklärung als erforderlich betrachtet. Leider ist die Datenschutzproblematik im Gesetz nur ungenügend angesprochen .

Die Sachverhaltsaufklärung und Stellungnahme der Betreuungsbehörde entbindet das Gericht nicht von seiner eigenen Amtsermittlungspflicht (§ 12, 68 FGG ). Sinnvoll kann es sein, dass der Behördenmitarbeiter den Hausbesuch zusammen mit dem Vormundschaftsrichter durchführt, der ohnehin nach § 68 Abs. 1 FGG in der Regel die Anhörung in der üblichen Umgebung des Betroffenen durchführen soll. Juristischer und sozialarbeiterischer Sachverstand können sich so im günstigen Fall ergänzen. Der Mitarbeiter der Betreuungsbehörde kann auch als "andere Person" i S. von § 68 Abs. 4 Satz 3 FGG an der richterlichen Anhörung teilnehmen.

Fragenkatalog zum Sozialbericht

Die Stellungnahme der Betreuungsbehörde68 a FGG i.V.m. § 8 BtBG ) kann das eigentliche Sachverständigengutachten gemäß § 68 b FGG zwar nicht ersetzen, aber sinnvoll ergänzen.

Bei der wichtigsten Frage, nämlich nach der Notwendigkeit einer Betreuung, kann folgender Fragenkatalog Verwendung finden:

1) Das gesundheitliche Schadensbild

Beeinträchtigung und Verlust von normalerweise vorhandenen physischen, psychischen und geistigen Strukturen und Funktionen (entspricht in etwa einer "medizinischen Diagnose");

2) Funktionelle Einschränkungen aufgrund des Schadensbildes

(z.B. Gehstörungen, Blindheit, Unfähigkeit zum Treppensteigen, Störung des Antriebs, bestimmter intellektueller Problemlösefähigkeiten, der Merkfähigkeit, der zwischenmenschlichen Beziehungsfähigkeit, der Konzentrationsfähigkeit, Einschränkung des sozialen Kontaktes infolge Entstellung oder chronischer Schmerzzustände)

3) Sich daraus ergebende Beeinträchtigungen im sozialen Umfeld

(insbesondere drohende oder bestehende Gefährdungen seiner Rechte und persönlichen Bedürfnisse), insbesondere in den Bereichen Wohnen, Essen, Schlafen, Körperpflege, Sexualität, Recht auf Privatsphäre), Arbeit (materielle Sicherung, Selbstverwirklichung), Freizeit (Bedürfnis nach sozialer Kommunikation, Aktivitäten usw.)

4) Bewältigungsmöglichkeiten für die Behinderung

4.1.) genutzte und bisher ungenutzte Möglichkeiten und Fähigkeiten des Behinderten, die sich aus seiner Persönlichkeit, Lebenserfahrung und Biographie ergeben;

4.2.) sein soziales Netzwerk und dessen Disfunktionalität in Bezug auf den Betroffenen;

4.3.) vorhandene materielle Sicherungen seiner Bedürfnisse; Ansprüche gegenüber Dritten, Ansprüche oder Zugriffe Dritter;

5) Verbleibender professioneller Interventionsbedarf

(z.B. medizinische und soziale Dienste) nach Maßgabe der Grundrechtsnormen und der Bedürfnisnormen des Sozialgesetzbuches;

6) Lösungen im Hinblick auf die genannten Hilfeerfordernisse

(Inanspruchnahme sozialer Unterstützungen - persönlicher Hilfen, Geld- und Sachleistungen, und Angebote von Dienstleistungsberufen)

6.1.) Konzept zur Sicherung der persönlichen Bedürfnisse und Grundrechte (Sorge um die Person) = "Rehabilitations- und Pflegeplan"

6.2.) Lösung für eventuelle Vermögensprobleme

7) Begründung einer Betreuung

Soweit die Lösungskonzepte Grundrechtseingriffe, insbes. die Anordnung einer Betreuung beinhalten, Begründung dafür und Aufzeigen der tatsächlich zu erwartenden Regelungsdefizite bezüglich der Personen- und Vermögenssorge, wenn kein Betreuer bestellt wird.

Rechtsprechung

LG Hamburg, Beschluss vom 15. 12. 1993 - 301 T 399/93, FamRZ 1997, 118: Umfang der Ermittlungspflicht der vom Betreuungsgericht ersuchten Behörde

1. Die in einem vormundschaftsgerichtlichen Nachsuchen ausgedrückte Aufklärungsbedürftigkeit eines Sachverhalts unterliegt nicht der Nachprüfung der ersuchten Behörde.

2. Lediglich Nachsuchen, die greifbar sachfremd außerhalb der Aufgabenstellung des Vormundschaftsgerichts liegen, sind nicht zu erledigen.

3. Die Durchführung der im Rahmen des Nachsuchens zu leistende Ermittlungshilfe bestimmt die Behörde eigenverantwortlich, ohne an gerichtliche Weisungen gebunden zu sein.


Brandenburgisches OLG, Beschluss vom 01.03.2007, 11 Wx 7/07:

1. Die örtlich zuständige Betreuungsbehörde ist in einem Unterbringungsverfahren nach § 70 Abs. 1 S. 2 Nr. 1b FGG zwingend anzuhören.

2. Eine Unterbringung zur Durchführung einer Heilbehandlung ist nur dann verhältnismäßig, wenn eine solche Behandlung möglich erscheint. Dabei sind Art, Inhalt und Dauer der Heilbehandlung in der Unterbringungsgenehmigung genau festzulegen, weil der Zweck der Unterbringung entfällt, wenn die Heilbehandlung beendet oder undurchführbar geworden ist.

Literatur

Weblinks