Bestellung mehrerer Betreuer

Aus Online-Lexikon Betreuungsrecht
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Allgemeines

Nach § 1899 BGB besteht die Möglichkeit, mehrere Personen zum Betreuer zu bestellen. Möglich ist dies, wenn es dem Wohl der betreuten Person dient. Hierbei sind Fälle denkbar, dass die Betreuer verschiedene Aufgabenkreise haben, also z.B. ein Betreuer für Angelegenheiten im Bereich der Personensorge, ein anderer z.B. zur Verwaltung von Grundvermögen bestellt wird. Für die Einwilligung in eine Sterilisation (§ 1905 BGB) ist stets ein weiterer Betreuer zu bestellen (§ 1899 Abs. 2 BGB).

Es ist aber auch denkbar, dass mehrere Betreuer den gleichen Aufgabenkreis übertragen bekommen (z.B. beide Eltern bei einem volljährig werdenden geistig behinderten Kind im Sinne von § 1908a BGB). In einem solchen Falle können die Betreuer nur gemeinsam über Angelegenheiten der betreuten Person entscheiden. Sie müssen sich also einigen oder das Vormundschaftsgericht anrufen, welches dann einem der Betreuer die Entscheidung übertragen kann.

Regierungsbegründung

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Zu § 1899 Abs. 1 BGB (Entwurf) Zu Absatz 1:

Nach Satz 1 kann das Vormundschaftsgericht mehrere Betreuer bestellen, wenn die Angelegenheiten des Betreuten hierdurch besser besorgt werden können. Diese Voraussetzungen werden in aller Regel in den folgenden Fallgruppen vorliegen:

— Die Eltern eines Betroffenen — insbesondere eines geistig behinderten Kindes, das volljährig geworden ist — sind geeignet und bereit, das Amt des Betreuers gemeinsam zu übernehmen; der Betroffene unterbreitet dem Gericht keine abweichenden Vorschläge.

Eine Bestellung beider Eltern ist bereits nach geltendem Recht nicht ausgeschlossen. Die in § 1899 Abs. 1 enthaltene Regelung über die Berufung der Eltern als Vormund bedeutet zwar nicht, daß beide Eltern zum Vormund bestellt werden müssen. Vielmehr soll derjenige Elternteil zum Vormund bestellt werden, der dem Vormundschaftsgericht am geeignetsten erscheint. Dies ergibt sich aus der in § 1899 Abs. 1 enthaltenen Verweisung auf § 1779 Abs. 2. Von einer beachtlichen, wenn auch bestrittenen Meinung wird die Auffassung vertreten, daß jedoch beide Eltern zu Vormündern zu bestellen sind, wenn die Vormundschaft erforderlich wird, weil die elterliche Sorge infolge der Volljährigkeit des Mündels endet, und wenn beide Elternteile die elterliche Sorge bis zu diesem Zeitpunkt innehatten. Auch die Vertreter der Gegenmeinung halten es jedenfalls für zulässig, die Vormundschaft beiden Eltern gemeinsam zu übertragen.

Die im Entwurf vorgeschlagene Regelung bringt demgegenüber noch zusätzliche Erleichterungen für die Bestellung beider Eltern. Eine solche Bestellung setzt lediglich voraus, daß die Angelegenheiten des Betreuten hierdurch besser besorgt werden können. Sind beide Elternteile geeignet und bereit, die Betreuung gemeinsam zu führen, und steht dem auch kein anderslautender Vorschlag des Betroffenen entgegen, so soll kein Elternteil gezwungen werden, zurückzutreten und dem anderen Teil die Führung der Betreuung zu überlassen. Eine solche Regelung wäre zu starr und könnte von dem betreffenden Elternteil als diskriminierend empfunden werden. Eine gemein¬ same Betreuung durch die Eltern anstelle einer Betreuung durch einen Elternteil wird vielfach auch im Interesse des Betreuten sinnvoll sein, insbesondere wenn sie sich bei Eintritt der Volljährigkeit eines geistig behinderten Kindes an die bisherige gemeinsame elterliche Sorge anschließt. Satz 1 regelt allerdings auch für Eltern nur die Voraussetzungen der Bestellung mehrerer Personen zum Betreuer. Für die Frage der Eignung und der Berücksichtigung von Wünschen des Betroffenen gelten die allgemeinen Regelungen (§ 1897 E).

Rechtslage nach dem 2. BtÄndG

Seit dem 1.7.2005 dürfen grundsätzlich nicht mehr parallel mehrere berufliche Betreuer für einen Betreuten bestellt werden (Änderung des § 1899 Abs. 1 BGB). Möglich ist also weiterhin die Bestellung eines ehrenamtlichen Betreuers und eines Berufsbetreuers (bzw. Vereins- oder Behördenbetreuers).

Möglich sind außerdem neben einem Berufsbetreuer ein weiterer Berufsbetreuer für die Sterilisation, den Verhinderungsfall oder als Gegenbetreuer.

Tatsächliche Verhinderung

Auch ist es möglich, dass ein weiterer Betreuer nur für den Fall der Verhinderung des anderen Betreuers bestellt wird (§ 1899 Abs. 4 BGB). Dies ist vor allem von Vorteil, wenn zu erkennen ist, dass der eigentliche Betreuer in nächster Zeit nicht zur Verfügung stehen kann (durch Urlaubsaufenthalt, Krankheit usw.). Auch bei der Bestellung von Vereins- oder Behördenbetreuern empfiehlt sich die Bestellung eines solchen Ersatzbetreuers, z.B. für den Fall, dass der eigentliche Betreuer aus den Diensten des Vereines oder der Behörde ausscheidet.

Rechtliche Verhinderung

Hiervon zu unterscheiden ist der Ergänzungsbetreuer (Verhinderungsbetreuer), der bei einem Rechtsgeschäft, für welches der Betreuer ein Vertretungsverbot hat, bestellt wird. Dies ist z.B. der Fall, wenn der Betreuer mit dem Betreuten (§ 181 BGB) oder ein naher Familienangehöriger des Betreuers (§ 1795 BGB) mit dem Betreuten ein Rechtsgeschäft abschließen will. Das Vormundschaftsgericht kann beim Verdacht einer Interessenskollision dem Betreuer auch die Vertretung in einzelnen Angelegenheiten entziehen (§ 1796 BGB). Es geht also hiermei meist nur um den Abschluss eines bestimmten Rechtsgeschäftes oder die Führung eines einzelnen Prozesses (z.B. Schadensersatzansprüche gegen den Betreuer).

Gegenbetreuer

Eine weitere Möglichkeit stellt die Bestellung eines Gegenbetreuers dar (§ 1792, § 1799 i.V.m § 1908 i Abs. 1 BGB). Der Gegenbetreuer hat die Aufgabe, den Betreuer im Aufgabenkreis Vermögenssorge zu kontrollieren (vgl. auch §§ 1809 ff. BGB) und entlastet insofern das Vormundschaftsgericht bei seiner Aufsichtstätigkeit (§ 1837 BGB).]]

Rechtsprechung

BayObLG, Beschluss vom 01.10.1997, 3Z BR 352/97; BtPrax 1998, 32 = BayObLGZ 1997, 55 = Rpfleger 1998, 111: Bestellung eines weiteren Betreuers

1. Die Bestellung eines weiteren selbständigen Betreuers ist zulässig, soweit der Betreuer von der Vertretung des Betreuten ausgeschlossen ist und auch dann, wenn sich der Betreuer in einem Interessenkonflikt befindet.

2. Hat das Verfahren auf die Bestellung eines weiteren Betreuers keine Erweiterung des Aufgabenkreises zum Inhalt, ist die persönliche Anhörung des Betreuten in der Regel nicht erforderlich.


OLG München, Beschluss vom 07.11.2005, 33 Wx 164/05, BtPrax 2006, 34

1. Sind für verschiedene Aufgabenkreise ein ehrenamtlicher und ein berufsmäßiger Betreuer bestellt, so stellt die Entlassung des ehrenamtlichen Betreuers jedenfalls dann einen wichtigen Grund für die Entlassung des anderen Betreuers dar, wenn für alle bestehenden Aufgabenkreise ein anderer berufsmäßiger Betreuer bestellt werden soll.

2. In einem derartigen Fall ist jeder der bisherigen Betreuer beschwerdebefugt mit dem Ziel, seine Entlassung aufzuheben und ihn auch für die übrigen Aufgabenkreise zu bestellen.

3. Bei der Auswahl des neuen Betreuers ist auch das Interesse des Betroffenen an der Kontinuität des Betreuungsverhältnisses zu berücksichtigen.

OLG München, Beschluss vom 22.02.2006, 33 Wx 20/06, Rpfleger 2006, 397

Waren mehrere berufsmäßig tätige Betreuer bereits vor dem 1.7.2005 bestellt, so stellt gleichwohl die durch § 1899 Abs. 1 S. 3 BGB eingeführte Gesetzesänderung (im Rahmen des 2. Betreuungsrechtsänderungsgesetzes) einen wichtigen Grund zur Entlassung eines dieser Betreuer dar (Fortführung der Rechtsprechung OLG München v. 7.11.2005, BtPrax 2006, 34).

OLG Hamm, Beschluss vom 09.10.2006, 15 W 141/06:

Mehreren Berufsbetreuern, die im Sinne des § 1899 Abs. 1 BGB für je gesonderte Aufgabenkreise bestellt worden sind, steht jeweils eine Vergütung nach dem vollen pauschalen Stundenansatz gem. § 5 VBVG zu.

OLG München, Beschluss vom 07.02.2007, 33 Wx 210/06:

1. Bei gemeinschaftlicher Mitbetreuung ist es ein Entlassungsgrund für zumindest einen der beiden Betreuer, wenn die gesetzliche Voraussetzung der Mitbetreuung entfallen ist.

2. Die entsprechende Entscheidung des Vormundschaftsgerichts bedarf als Eingriff in die Rechte eines Beteiligten einer nicht nur formelhaft den Gesetzeswortlaut wiedergebenden Begründung. Das gilt vor allem dann, wenn im Vorfeld der Entscheidung mehrere Entlassungsgründe (hier: zerrüttetes Verhältnis der Mitbetreuer und mangelnde persönliche Eignung eines von ihnen) erörtert wurden.

3. Ficht der entlassene Betreuer die Entscheidung an und verlangt zugleich neben seiner Wiedereinsetzung die Entlassung des verbliebenen Betreuers, hilfsweise die Bestellung eines Dritten als Einzelbetreuer, hat grundsätzlich das Beschwerdegericht als Tatsacheninstanz eine abschließende Entscheidung über die Fortführung der Betreuung zu treffen. Es ist ihm verwehrt, lediglich die Entlassung des Mitbetreuers aufzuheben und weitere Prüfungen von Amts wegen dem Vormundschaftsgericht zu überlassen.

Weblinks