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===Allgemeines===
 
===Allgemeines===
 
Auch in § 1358 BGB 2023 geht es um stellvertretende Entscheidungen, genauso wie dies bei der rechtlichen Betreuung (§ 1823 BGB 2023) und bei der [[Vorsorgevollmacht]] der Fall ist. Es handelt sich bei Fragen der Einwilligung in medizinische [[Heilbehandlung|Behandlung]] und deren Verweigerung um einen Fall, bei dem der Patient/die Patientin [[Einwilligungsfähigkeit|einwilligungsunfähig]] ist, deren Feststellung ohnehin bei den bisherigen Fallgestaltungen Aufgabe der Ärztin/des Arztes war.
 
Auch in § 1358 BGB 2023 geht es um stellvertretende Entscheidungen, genauso wie dies bei der rechtlichen Betreuung (§ 1823 BGB 2023) und bei der [[Vorsorgevollmacht]] der Fall ist. Es handelt sich bei Fragen der Einwilligung in medizinische [[Heilbehandlung|Behandlung]] und deren Verweigerung um einen Fall, bei dem der Patient/die Patientin [[Einwilligungsfähigkeit|einwilligungsunfähig]] ist, deren Feststellung ohnehin bei den bisherigen Fallgestaltungen Aufgabe der Ärztin/des Arztes war.
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Die Regelung hat das Ziel, bei plötzlichen medizinischen Notfällen von Personen, die keine [[Vorsorgevollmacht]] für diesen Fall errichtet haben und [[Einwilligungsfähigkeit|einwilligungsunfähig]] wurden, die gerichtliche Bestellung eines vorläufigen [[vorläufiger Betreuer|rechtlichen Betreuers]] entbehrlich zu machen. Sie macht sich Zunutze, dass in weiten Teilen der Bevölkerung ohnehin der Glaube vorherrscht, dass der Ehegatte in solchen Situationen bereits jetzt ein Entscheidungsrecht besäße (tatsächlich kann der Ehegatte bislang lediglich als Zeuge zur Beurteilung eines mutmaßlichen Patientenwillens beitragen).
    
Beim Ehegattenvertretungsrecht handelt es sich um eine Notentscheidungsbefugnis, die dann zum Tragen kommt, wenn der einwilligungsunfähige Patient weder eine eindeutige, vom Arzt unmittelbar zu beachtende [[Patientenverfügung]] vorgelegt hat und auch kein Bevollmächtigter oder rechtlicher Betreuer in der Lage ist, eine stellvertretende Entscheidung zu treffen. Bei der Frage um welche Entscheidungen es geht, enthält § 1358 Abs. 1 BGB 2023 vier verschiedene Fallgestaltungen:  
 
Beim Ehegattenvertretungsrecht handelt es sich um eine Notentscheidungsbefugnis, die dann zum Tragen kommt, wenn der einwilligungsunfähige Patient weder eine eindeutige, vom Arzt unmittelbar zu beachtende [[Patientenverfügung]] vorgelegt hat und auch kein Bevollmächtigter oder rechtlicher Betreuer in der Lage ist, eine stellvertretende Entscheidung zu treffen. Bei der Frage um welche Entscheidungen es geht, enthält § 1358 Abs. 1 BGB 2023 vier verschiedene Fallgestaltungen:  
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*Zum ersten geht es um die Einwilligung in Untersuchungen des Gesundheitszustandes, in [[Heilbehandlung]] und ärztliche Eingriffe sowie deren Untersagung. Diese drei strafrechtlich relevanten Einwilligungen finden sich bereits in § 630 d BGB sowie in den betreuungsrechtlichen Bestimmungen der §§ 1827 und 1829 BGB 2023. Es handelt sich dabei um die Verbindlichkeit von [[Patientenverfügung]]en und sonstigen Patientenwünschen sowie um die Genehmigung gefährlicher Behandlungen sowie deren Beendigung oder Nichteinleitung.  
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*Zum ersten geht es um die Einwilligung in Untersuchungen des Gesundheitszustandes, in [[Heilbehandlung]] und ärztliche Eingriffe sowie deren Untersagung. Diese drei strafrechtlich relevanten Einwilligungen finden sich bereits in § 630 d BGB sowie in den betreuungsrechtlichen Bestimmungen der §§ 1827 und 1829 BGB 2023. Es handelt sich dabei um die Verbindlichkeit von [[Patientenverfügung]]en und sonstigen Patientenwünschen sowie um die [[Genehmigung der Heilbehandlung|Genehmigung gefährlicher Behandlungen]] sowie deren Beendigung oder Nichteinleitung.  
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*Zum zweiten geht es in § 1358 Abs. 1 BGB 2023 um den Abschluss von Verträgen im Zusammenhang mit den anfangs genannten Behandlungen (Arztverträge, Krankenhausverträge sowie Verträge über eilige Maßnahmen der Rehabilitation und der Pflege, zum Beispiel Kurzzeit-Pflegeverträge.
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*Zum zweiten geht es in § 1358 Abs. 1 BGB 2023 um den Abschluss von Verträgen im Zusammenhang mit den anfangs genannten Behandlungen ([[wikipedia:de:Behandlungsvertrag|Arztverträge]], Krankenhausverträge sowie Verträge über eilige Maßnahmen der Rehabilitation und der Pflege, zum Beispiel Kurzzeit-Pflegeverträge.
    
*Zum dritten geht es um Maßnahmen, die allgemein als unterbringungsähnliche Maßnahme bezeichnet werden also [[Fixierung]]en, Bettgitter und ähnliche Freiheitsentziehungen durch Pflegepersonal.
 
*Zum dritten geht es um Maßnahmen, die allgemein als unterbringungsähnliche Maßnahme bezeichnet werden also [[Fixierung]]en, Bettgitter und ähnliche Freiheitsentziehungen durch Pflegepersonal.
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===Arztbescheinigung===
 
===Arztbescheinigung===
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Das eigentliche Recht zur Wahrnehmung der Ehegattenvertretung erfolgt dann durch eine Bescheinigung des Arztes nach § 1358 Abs. 4 BGB 2023. Diese Bescheinigung hat der Ehegatte auch anderen Ärzten, Krankenhausverwaltungen, Heimen, Behörden und bei Genehmigungsanträgen dem [[Betreuungsgericht]] vorzulegen. Sie tritt also an die Stelle eines Betreuerausweises bzw. der Vollmachturkunde.
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Das eigentliche Recht zur Wahrnehmung der Ehegattenvertretung erfolgt dann durch eine Bescheinigung des Arztes nach § 1358 Abs. 4 BGB 2023. Diese Bescheinigung hat der Ehegatte auch anderen Ärzten, Krankenhausverwaltungen, Heimen, Behörden und bei Genehmigungsanträgen dem [[Betreuungsgericht]] vorzulegen. Sie tritt also an die Stelle eines [[Betreuerausweis]]es bzw. der Vollmachturkunde.
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In dieser Bescheinigung hat der Arzt auch den '''Zeitpunkt''' festzustellen, ab dem der Ehegatte die Vertretungstätigkeit ausübt. Diese Datumsfeststellung ist von Bedeutung, da das Ehegattenvertretungsrecht spätestens sechs Monate nach seiner erstmaligen Ausübung erlischt, sofern der Patient die Entscheidungsfähigkeit nicht zuvor wieder erlangt.
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Der Zeitpunkt des Erlöschens ist tagesgenau zu bestimmen, der Tag des Beginns zählt nach § 187 Abs. 1 BGB nicht mit. Wird die Feststellung am 15. Januar 2023 getroffen, erlischt die Vertretungsmacht spätestens mit Ablauf des 15. Juli 2023.  
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In dieser Bescheinigung hat der Arzt auch den '''Zeitpunkt''' festzustellen, ab dem der Ehegatte die Vertretungstätigkeit ausübt. Diese Datumsfeststellung ist von Bedeutung, da das Ehegattenvertretungsrecht spätestens sechs Monate nach seiner erstmaligen Ausübung erlischt, sofern der Patient die Entscheidungsfähigkeit nicht zuvor wieder erlangt. Der Zeitpunkt des Erlöschens ist tagesgenau zu bestimmen, der Tag des Beginns zählt nach § 187 Abs. 1 BGB nicht mit. Wird die Feststellung am 15. Januar 2023 getroffen, erlischt die Vertretungsmacht spätestens mit Ablauf des 15. Juli 2023. Für die gleiche Erkrankung kann nicht erneut das Ehegattenvertretungsrecht ausgeübt werden; ist der Patient weiter einwilligungsunfähig, muss ein rechtlicher Betreuer bestellt werden (dies kann auch der genannte Ehegatte sein, § 1816 Abs. 3 BGB 2023).
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Für die gleiche Erkrankung kann nicht erneut das Ehegattenvertretungsrecht ausgeübt werden; ist der Patient weiter einwilligungsunfähig, muss ein rechtlicher Betreuer bestellt werden (dies kann auch der genannte Ehegatte sein, § 1816 Abs. 3 BGB 2023).
    
Ist für den Arzt also erkennbar, dass der Patient voraussichtlich über einen Zeitraum von sechs Monaten hinaus nicht einwilligungsfähig bleiben wird, ist dem Ehegatten anzuraten, unverzüglich das Betreuungsgericht bezüglich einer etwaigen [[Betreuerbestellung]] zu verständigen. Sollten beim Arzt Zweifel verbleiben, ob der Ehegatte dazu in der Lage sein wird, sollte der Arzt selbst das Betreuungsgericht verständigen.  
 
Ist für den Arzt also erkennbar, dass der Patient voraussichtlich über einen Zeitraum von sechs Monaten hinaus nicht einwilligungsfähig bleiben wird, ist dem Ehegatten anzuraten, unverzüglich das Betreuungsgericht bezüglich einer etwaigen [[Betreuerbestellung]] zu verständigen. Sollten beim Arzt Zweifel verbleiben, ob der Ehegatte dazu in der Lage sein wird, sollte der Arzt selbst das Betreuungsgericht verständigen.  
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Das Ehegattenvertretungsrecht darf außerdem dann nicht mehr ausgeübt werden, wenn seitens des Betreuungsgeriches ein Betreuer mit dem Aufgabenkreis der in § 1358 Abs. 1 BGB 2023 genannten Aufgaben rechtswirksam bestellt wird (§ 287 Abs. 1,2 FamFG). Verlässliche Kenntnis von der Bestellung eines Betreuers dürfte der Arzt in der Regel erst haben, wenn der Betreuer selbst Kontakt zum Arzt aufnimmt.  
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Das Ehegattenvertretungsrecht darf außerdem dann nicht mehr ausgeübt werden, wenn seitens des [[Betreuungsgericht]]es ein Betreuer mit dem [[Aufgabenkreis]] der in § 1358 Abs. 1 BGB 2023 genannten Aufgaben rechtswirksam bestellt wird (§ 287 Abs. 1,2 FamFG). Verlässliche Kenntnis von der Bestellung eines Betreuers dürfte der Arzt in der Regel erst haben, wenn der Betreuer selbst Kontakt zum Arzt aufnimmt.
    
===Beachtung des Betreuungsrechtes, Genehmigungen===
 
===Beachtung des Betreuungsrechtes, Genehmigungen===
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==Siehe auch==
 
==Siehe auch==
 
*[[gesetzlicher Vertreter]], [[gesetzliche Vertretung]], [[Ehegatte als Betreuer]], [[Vorsorgevollmacht]]
 
*[[gesetzlicher Vertreter]], [[gesetzliche Vertretung]], [[Ehegatte als Betreuer]], [[Vorsorgevollmacht]]
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==Vordrucke==
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*[https://www.dkgev.de/fileadmin/default/Mediapool/3_Service/3.4._Publikationen/3.4.2._Broschueren_und_Mustervertraege/Ehegattennotvertretungsrecht_BMJV-Formular_Stand_August_2022.docx Arztbescheinigung (Word-Datei)]
    
==Literatur==
 
==Literatur==
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* Diekmann: Überlegungen zur Vertretungsbefugnis für Angehörige; BtPrax 2015, 188
 
* Diekmann: Überlegungen zur Vertretungsbefugnis für Angehörige; BtPrax 2015, 188
 
* Dutta: Handlungsbefugnisse von Ehegatten in Angelegenheiten der Gesundheitssorge, FamRZ 2020, 1881
 
* Dutta: Handlungsbefugnisse von Ehegatten in Angelegenheiten der Gesundheitssorge, FamRZ 2020, 1881
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* Götsche: Gesetzliches Notvertretungsrecht zwischen Ehegatten; FuR 2022, 506
 
* Koller/Stahl, Ein neues (Not-)Vertretungsrecht für Ehegatten in der ärztlichen und klinischen Praxis; GesundheitsRecht 4/2021, 212
 
* Koller/Stahl, Ein neues (Not-)Vertretungsrecht für Ehegatten in der ärztlichen und klinischen Praxis; GesundheitsRecht 4/2021, 212
 
* Kraemer: Das neue Ehegattenvertretungsrecht, BtPrax 2021, 208
 
* Kraemer: Das neue Ehegattenvertretungsrecht, BtPrax 2021, 208

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