Angehörigenvertretungsrecht: Unterschied zwischen den Versionen
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Version vom 8. August 2018, 10:44 Uhr
Allgemeines
Entgegen weit verbreiteter Rechtsauffassung in der Bevölkerung existiert in Deutschland kein allgemeines Angehörigenvertretungsrecht. Ein solches war zwar im Vorfeld des 2. Betreuungsrechtsänderungsgesetzes diskutiert worden, wurde aber nicht geltendes Recht. Im Gesetzentwurf war vorgesehen gewesen, dass der Ehegatte auch ohne Vollmacht in bestimmten Grenzen über das Vermögen des anderen Ehegatten verfügen sollte, auch sollten sowohl Ehegatte als auch Verwandte in gerader Linie über Fragen der Heilbehandlung entscheiden sollen. Wegen grundsätzlicher verfassungsrechtlicher Fragen sind diese Vorschläge aber wieder fallen gelassen wirden.
Gesetzliche Regelungen
Eine gesetzliche Angehörigenvertretung gibt es nur im Bereich der Eltern ggü. ihren minderjährigen Kindern im Rahmen der elterlichen Sorge (Art. 6 Grundgesetz i.V.m. § 1629 BGB). Innerhalb einer Ehe besteht ein Vertretungsrecht gegenüber dem anderen nur im Rahmen der sog. Schlüsselgewalt (§ 1357 BGB). Hier geht es um Alltagsgeschäfte zur Deckung des Lebensbedarfs der Familie.
Eine darüber hinaus gehende gesetzliche Regelung sollte 2005 im Rahmen des 2. BtÄndG erfolgen; das Vorhaben hat man aber im Rahmen der Gesetzgebungsverhandlungen fallen gelassen, weil man darin einen unzulässigen Eingriff in das Selbstbestimmungsrecht sah.
Individuelle Regelungen
Individuelle Regelungen sind im Rahmen von Vollmachten (Post- und Bankvollmachten, Vorsorgevollmachten usw.) möglich. Hierdurch kann im Bedarfsfall eine Betreuung überflüssig gemacht werden, da Vollmachten ggü. der Betreuung nach § 1896 Abs. 2 BGB grundsätzlich vorrangig sind. Es empfiehlt sich auch, behandelnde Ärzte im Rahmen einer Patientenverfügung von ihrer Schweigepflicht zu entbinden.
Siehe zu Details unter Betreuungsvoraussetzung.
Künftiges Recht
Die Justizministerkonferenz vom Juni 2015 beschloss, der Bundesregierung nähe zu legen, im künftigen Recht auch eine gesetzlich eintretende Beistandschaft des Ehegatten (und eingetragenen Lebenspartners) für Gesundheitsangelegenheiten und ergänzende Fragen im Gesetz zu verankern. Der Bundesrat hat als Interessenvertretung der Länder im Herbst 2016 einen Gesetzentwurf auf den Weg geschickt, der noch im Bundestag beraten werden muss.
Der Gesetzentwurf sieht für volljährige und nicht getrennt lebende Ehegatten und eingetragene Lebenspartner unter bestimmten Voraussetzungen die Annahme einer Bevollmächtigung vor, wenn der Partner auf Grund einer psychischen Krankheit oder einer körperlichen, geistigen oder seelischen Behinderung Angelegenheiten im Zusammenhang mit der Gesundheitssorge nicht mehr selbst besorgen kann, wobei dies durch ärztliches Attest bescheinigt werden soll. Dies soll dann gelten, wenn der betreffende Partner sich weder zuvor entgegenstehend geäußert hat, noch eine andere Person zur Besorgung dieser Angelegenheiten bevollmächtigt hat und kein Betreuer bestellt ist. Die Partner dürfen nicht getrennt leben (§ 1567 BGB).
Die Reichweite des Vertretungsrechtes soll sich nach den Gesetzentwurf insbesondere auf folgende Bereiche erstrecken:
- Einwilligung/Nichteinwilligung in Untersuchungen des Gesundheitszustandes, in Heilbehandlungen und in ärztliche Eingriffe (§ 630d BGB, § 228 StGB)
- Entgegennahme der ärztlichen Aufklärung (§ 630e BGB, § 1901b BGB)
- Abgabe und Annahme von Willenserklärungen in Bezug auf ärztliche Behandlungsverträge, Krankenhausverträge und sonstige Verträge, die der medizinischen Versorgung, Pflege, Betreuung oder Rehabilitation dienen
- Entscheidungen über freiheitsentziehende Maßnahmen gem. § 1906 Abs. 4 BGB einschl. Einholung der betreuungsgerichtlichen Genehmigung
- Entgegennahme und Öffnung der Post des anderen Partners
Den anerkannten Betreuungsvereinen soll als Aufgabe übertragen werden, die als bevollmächtigt geltenden Partner zu beraten und zu unterstützen sowie planmäßig "über Reichweite und Grenzen der Befugnisse des Ehegatten oder Lebenspartners" zu informieren. Ähnliches soll für die Betreuungsbehörden gelten.
Aktuelle Infos zum Gesetzesvorhaben
Das o.g. Gesetz war zwar im Mai 2017 vom Bundestag verabschiedet worden. Der Bundesrat hat ihm allerdings nicht zugestimmt. Obwohl das Ehegattenvertretungsrecht auch von den Ländern befürwortet wurde, konnten diese sich nicht mit den im gleichen Gesetz enthaltenen Vergütungserhöhungen für Betreuer anfreunden. Mit Neuwahl des Bundestags im September 2017 und der Neukonstituierung danach ist das Gesetz dem Diskontinuitätsprinzip zum Opfer gefallen und müsste vollständig neu in das parlamentarische Verfahren eingebracht werden. Damit ist frühestens im Jahre 2020 zu rechnen.
Weblinks
- Alle Parlamentspapiere zum Gesetzesentwurf
- Gesetzentwurf des Bundesrates vom Herbst 2016
- Beschluss der Justizministerkonferenz zu einer Beistandschaft in Gesundheitssachen
- Stellungnahme des BVfB dazu
- Stellungnahme des BdB dazu
- Stellungnahmen der Sachverständigen ggü. dem Bundestag
- Vergleich der Regelungen zum Angehörigenvertretungsrecht in Europa (PDF)
- Infos zur (derzeitigen) Schlüsselgewalt von Eheleuten
Siehe auch
Literatur
- Crefeld: Angehörigenvertretungsrecht (Vortrag, 2004; PDF)
- Diekmann: Überlegungen zur Vertretungsbefugnis für Angehörige; BtPrax 2015, 188 (PDF)
- Kilisch: Was würde das automatische Angehörigenvertretungsrecht bedeuten?
- Lünsmann: Wir gehören nicht den Angehörigen; BtPrax 2015, 221
- Probst: Gesetzliche Vertretung durch Angehörige - doch eine Alternative zu Betreuung und Vorsorgevollmacht? NDV 2014, 117
- Probst/Knittel: Gesetzliche Vertretung durch Angehörige - Alternative zur Betreuung? ZRP 2001, 55
- Zeitler/Danker: Gesetzliches Vertretungsrecht für Angehörige?: Mögliche Konsequenzen für Betroffene, Angehörige und Professionelle; 2008, ISBN 3639059379